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IM „Dieter“ fordert Entschädigung

Eine drastische Strafe, ein langes Verfahren, wenig Hilfe von der Gauck-Behörde – und ein mildes Urteil. Ein Stasi-Fall aus Riesa sorgt in Dresden für Furore.

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© Symbolbild/dpa

Von Alexander Schneider

Riesa. Wie lange sollen ehemalige Mitarbeiter der Staatssicherheit dafür bestraft werden, dass sie – möglicherweise – vor Jahrzehnten etwas falsch gemacht haben? Diese Frage schwebte über einem jahrelangen Prozess, der nun ein Ende fand.

Rentner Dietmar W. (70) musste sich wegen Sozialbetruges verantworten. Er soll 2010 eine Entschädigung von 3 600 Euro beantragt haben, weil er in den 60ern und 70ern zwei Haftstrafen verbüßt hatte. Sein Problem: Er soll 1968 als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) unter dem Decknamen „Dieter“ beim Volkspolizeikreisamt Riesa angeheuert haben.

Weil die Sache aufflog, wurde W. per Strafbefehl zu 7 500 Euro Geldstrafe verurteilt. Der Prozess hatte bereits 2014 einmal begonnen, wurde jedoch ausgesetzt, weil W. bestritten hatte, jener Dieter zu sein. Ein geplantes Schriftgutachten des Landeskriminalamtes scheiterte jedoch, weil die Gauck-Behörde die Original-Unterlagen nicht herausgegeben habe, sagte jetzt Richterin Annegret Lissel.

Darüber hinaus kam ihr die Strafe, die eine andere Richterin erlassen hatte, recht hoch vor. Dietmar W. sagte, er habe wegen „Republikflucht“ ein Jahr und drei Monate und wegen „Asozialen Verhaltens“ zwei Jahre in Bautzen eingesessen, ehe er von der BRD 1973 freigekauft worden sei. „Ich hätte doch nicht im Traum daran gedacht, für diesen Staat zu arbeiten“, sagte er. Seine Unterschriften, so Richterin Lissel, seien jedoch auch ohne Schriftgutachten des Landeskriminalamtes augenscheinlich identisch. Auch im Vergleich mit W.s heutiger Unterschrift. Man sah: Der Mann hatte möglicherweise Probleme, sich zu einer jahrzehntealten Lebenslüge zu bekennen.

Nach einer Unterbrechung verständigte sich das Gericht mit dem Verteidiger darauf, dass W. die Sache abnickt und die Justiz das Verfahren einstellt. W. räumte ein, er habe seine „Vergangenheit ausgeblendet“, als seine Ehefrau damals für ihn den Haftentschädigungsantrag ausgefüllt habe. Er habe nur unterschrieben. Zahlt W. 800 Euro an den Verein Sonnenstrahl, ist die Sache für ihn erledigt.