Merken

Im Anflug auf Olympia

Der DSC schickt 13 Sportakrobaten zur WM nach Antwerpen. Für den Erfolgreichsten unter ihnen kommt die Entwicklung der Sportart ein bisschen zu spät.

Teilen
Folgen
© Matthias Rietschel

Von Alexander Hiller

Viele kleine Schritte sind bereits zurückgelegt. Und vielleicht wird die am Mittwoch gestartete und anderthalb Wochen dauernde Weltmeisterschaft der Sportakrobaten ein weiterer kleiner Meilenstein dieser Sportart auf dem Weg ins olympische Programm.

Darauf hoffen zumindest auch 13 Athleten des Dresdner SC (siehe Infokasten). Der Verein stellt damit den größten Anteil im insgesamt 42-köpfigen Aufgebot des Deutschen Sportakrobatik-Bundes (DSAB) für die Titelkämpfe im belgischen Antwerpen. Bei den World Games 2017 in Wroclaw (Breslau), den Spielen für nichtolympische Sportarten, hinterließ die Sportakrobatik zumindest einen solch guten Eindruck, dass sie sich im Oktober 2018 erstmals im Programm der Olympischen Jugend-Sommerspiele in Buenos Aires beweisen darf. „Unser Weltverband hat bei den World Games viel Lob für den Ablauf und die Gesamtpräsentation der Sportart erhalten“, bestätigt Tim Sebastian.

Dem 22-Jährigen ist seither mindestens ebensolcher Zuspruch widerfahren. Gemeinsam mit seinem Zweier-Partner Michail Kraft vom SC Riesa gewann er in Polen sensationell den Titel in der Kategorie Männer-Paare – das erste World-Games-Gold überhaupt für den DSAB. Spätestens seit dieser Galavorstellung sind die Sachsen die Gesichter ihrer Sportart schlechthin in Deutschland, womöglich aber nicht mehr lange. „Wir machen jetzt unseren Wettkampf und werden uns dann zusammensetzen und schauen, was es für Möglichkeiten, für Ziele und für Motivation gibt“, sagt Sebastian. Für ihn und seinen 17-jährigen Sportpartner wird es immer schwieriger, die körperlichen Anforderungen einzuhalten, die ein optimales Zusammenspiel zwischen Ober- und Untermann ermöglichen. „Wir wollen eine Medaille“, erklärt Sebastian. Vor zwei Jahren in China wurde das deutsche Duo noch WM-Sechster.

Doch Schritt für Schritt, ähnlich also wie die gesamte Sportart, ist das Potenzial von Sebastian und Kraft gewachsen – und damit der eigene Anspruch. Sebastian formuliert ihn deshalb auch offensiv für die weitere Entwicklung der Sportakrobatik. „Der nächste Schritt wäre, dass wir 2024 bei den Olympischen Spielen in Paris vielleicht als Einladungssportart antreten dürfen“, sagt er. So weit ist die komplizierte wie langwierige Entscheidungsfindung beim Internationalen Olympischen Komitee aber noch nicht fortgeschritten. „Es wäre für jeden Akrobaten ein Traum, dass die Sportart irgendwann olympisch wird“, sagt Sebastian.

Für ihn kommt diese Entwicklung so oder so zu spät – zumindest für die eigene Sportlerlaufbahn. Das hindert ihn jedoch nicht daran, sich für die potenziellen Erben zu freuen beziehungsweise sich für sie stark zu machen – die auch beim DSC reichlich vorhanden sind, alles mögliche Olympia-Anwärter in Warteposition. Nicht mehr zu den Wartenden werden auch Sebastians Klubkollegen Erik Leppuhner und Vincent Kühne gehören. Ersterer legt nach der WM sein Abitur ab, „dann will ich eigentlich zur Bundeswehr“, sagt Leppuhner. Für Sportakrobaten gibt es keine Möglichkeit, in einer Sportfördergruppe unterzukommen. Der Bund ist einer der wichtigsten Arbeitgeber für die Athleten aus olympischen Sportarten. Andere wie Leppuhner gelten als Normalbürger. „Sodass das gleichbedeutend mit dem Ende der Karriere auf diesem Niveau ist“, berichtet der 20-Jährige. „Aber“, sagt er, „eine WM ist ein schöner Schlusspunkt.“ Sein Vierergruppen-Kollege Kühne beginnt im Herbst ein Lehramtsstudium mit Fachrichtung Sport in Leipzig.

Deshalb enden die meisten Akrobaten-Karrieren im eigentlich besten Sportleralter. Klagen darüber fällt zumindest den nominierten DSC-Athleten aber nicht im Traum ein. Das sind derzeit die Gegebenheiten. Punkt. Zu denen gehört auch, dass jeder WM-Starter zwischen 500 und 1 000 Euro selbst berappen muss – auch für eine WM im benachbarten Belgien. Kost und Logis für die Erwachsenen fördert der nationale Verband ein wenig und federt damit die Höhe des Eigenanteils etwas ab, Jugendliche werden noch nicht unterstützt. „Die Eltern und Familien investieren unheimlich viel. Ohne sie könnten wir unseren Sport nicht auf diesem Niveau ausüben“, sagt DSC-Trainerin Petra Vitera.