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Ikea und der Glücksfall von Wittichenau

Das Maja-Möbelwerk ist einer der weltweit fünf größten Zulieferer der Schweden – und Sachsens Branchenprimus.

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© dpa

Von Michael Rothe

In Wittichenau leben die glücklichsten Sachsen. So lautete vor anderthalb Jahren das Fazit der Sächsischen Zeitung nach Befragung von fast 13 000 Lesern. Der 5 700-Seelen-Ort bei Hoyerswerda hatte bei Lebensstandard, Wohnsituation, Familienleben und Fitness die höchsten Zufriedenheitswerte. Bei Liebesleben und Beruf war die Euphorie nicht ganz so hoch.

Dabei steht dort auf der grünen Wiese einer der größten und modernsten Arbeitgeber der Region: das Möbelwerk Maja, eines der produktivsten weltweit. Bislang wussten nur wenige, dass Sachsen über einen solchen Möbelstandort der Superlative verfügt. Das Werk, sein Name steht für die Anfangsbuchstaben des 2009 verstorbenen Gründers Manfred Jarosch, gibt es seit 1991 und seit 1993 eine Kooperation mit Ikea.

Maja mit Sitz im oberfränkischen Kasendorf ist eine Tochter der Münchner Vivonio Furniture GmbH. Jene Gruppe führender europäischer Möbelhersteller gehört wiederum mehrheitlich dem Finanzinvestor Equistone Partners Europe. Mit vier Werken und 1 200 Mitarbeitern erwirtschaftet die Gruppe 300 Millionen Euro. Maja steuert die Hälfte bei. Das Werk Wittichenau wird nicht ausgewiesen. Dort entstehen lackierte Kommoden, Schubladenelemente und Leichtbauregale, die Ikea-Gängern als „Malm“, „Alex“, „Nordli“ und „Kallax“, vormals „Expedit“, geläufig sind.

Vivonio-Chef Elmar Duffner, Ex-Präsident des Verbands der deutschen Möbelindustrie, spricht von einer „Hochleistungsfabrik, die eher an die Lebensmittelindustrie erinnert“. 2012/13 hatte Maja in Wittichenau 65 Millionen Euro investiert, die Produktions- und Lagerfläche auf 85 000 m2 mehr als verdoppelt und 300 neue Jobs geschaffen. Der Fokus liegt immer mehr auf Leichtbauplatten aus einem Holzfaserrahmen mit stabilen Waben aus Papier im Innern. Das spart 60 Prozent Material.

„Wir sind in diesem Bereich die weltweit effizienteste Fabrik“, sagt Geschäftsführer Uwe Gottschlich. Dank neuer Technik geht vieles automatisch und rasend schnell. Es gibt keine manuellen Transportarbeiten mehr, nur zum kleinteiligen Verpacken braucht es noch in Größenordnung Personal. Die Qualitätskontrolle erfolgt mittels Kamera und Monitor, fehlerhafte Teile werden automatisch aussortiert. UV-Lacke lassen sofortige Weiterverarbeitung zu. Von der Anlieferung der Platten aus ganz Europa bis zum Abtransport der zerlegten Möbel nach Deutschland, Europa, Nordamerika und Asien dauert es nur ein bis zwei Tage – inklusive prozessbedingter Ruhezeiten. Das Produktionsvolumen ist immens. Allein mit dem verarbeiteten Kantenmaterial von 70 000 Kilometern ließe sich die Erde 1,7 Mal umwickeln.

„Wir liefern direkt in die Ikea-Häuser“, nennt Gottschlich einen Vorteil. Das Werk punkte mit geringerem und nachhaltigem Rohstoffeinsatz, emissionsfreien Leimen, weniger Transportgewicht und Produktion nahe dem Hauptabsatzgebiet. Das verringere die Logistikkosten, so Gottschlich, gelernter Tischler und Diplomingenieur.

Jeder fünfte Mitarbeiter ist Pole

Derzeit arbeiten in dem Hallenkomplex mit der Größe von  15 Fußballfeldern 630 Mitarbeiter. Etwa jeder Fünfte von ihnen ist Pole. Maja Wittichenau fertigt ausschließlich für Ikea – dreischichtig und an sechs Tagen pro Woche. Insider wissen: Die Verhandlungen mit dem Günstig-Anbieter Ikea sind knallhart. Aber einmal verständigt, bekommt man als Hersteller langjährige Abnahmegarantien für große Volumina. Wie lange die Garantie für die Sachsen gilt, verrät Chef Gottschlich nicht. Es sollten aber ein paar Jahre sein.

Wittichenaus Bürgermeister Markus Posch misst Maja „enorme Bedeutung“ bei, auch wenn es immer wieder Klagen über Lärmbelästigung gebe. Kein Wunder angesichts der vom Maja-Chef genannten gut 3 000 Lkw-Fuhren mit Spanplatten im Jahr und weiterer 7 500 versendeter Laster und Container mit zerlegten Möbeln. „Aber diese Kehrseite der Medaille gibt es bei allen großen Arbeitgebern“, relativiert Posch.

Laut Thomas Schäfer, Einkaufsleiter bei Ikea, hat der Möbelriese von rund 1 000 Lieferanten nur etwa 30 in seinem größten Wachstumsmarkt Deutschland. Das Werk Wittichenau gehöre zu den Top 5 weltweit. Es ist ein Wettrennen aus Automatisierung und niedrigen Lohnkosten gegen Konkurrenz in Litauen, Polen, Asien und den USA.

Daher hält sich die IG Metall mit Lob zurück. Uwe Garbe, Gewerkschaftssekretär in Bautzen, spricht von „Entlohnung knapp über Mindestlohn, teilweise 12-Stunden-Schichten, enormer Wärme- und Staubbelastung im Sommer und hohem Krankenstand“. Perspektivisch brauchten die 630 Mitarbeiter einen Betriebsrat und Tarifbindung. Dann könnte auch das Glücksgefühl der Beschäftigten zunehmen. Für Ikea ist das Werk längst ein Glücksfall.