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„Ich würde am liebsten alle mitnehmen“

Pfarrer Walter Lechner verlässt nach zwölf Jahren Frauenhain. Mit der SZ wirft er einen Blick zurück.

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© Archivfoto: Sebastian Schultz

Von Eric Weser und Christoph Scharf

Röderaue. Als Walter Lechner 2006 nach Frauenhain kam, war er frisch studierter Theologe, jung verheiratet und gerade erstmals Vater geworden. Zwölf Jahre später verlässt der 38-jährige Österreicher mit seiner Frau und den nunmehr drei Kindern den Ort und geht nach Dresden. Die SZ hat den evangelischen Pfarrer gesprochen.

Herr Lechner, wie haben Ihre Kinder auf die Nachricht vom Umzug reagiert?

Sie wussten, dass das möglich ist. Aber natürlich ist es nicht einfach, es ist mit Abschied verbunden. Aber nicht nur für die Kinder, sondern für unsere Familie insgesamt. Frauenhain ist für uns Heimat. Die neue Kirchgemeinde ist in Dresden und damit nicht weit weg. Wir werden regelmäßig herkommen. Das war auch für die Kinder eine Beruhigung.

Pfarrer sollen im Schnitt alle zehn Jahre den Dienstort wechseln. Sie waren etwas länger da. Mussten Sie gehen?

Nein, es gab keinen Druck. Die Entscheidung war freiwillig und ist auch eher kurzfristig gefallen, weil im Frühjahr das Angebot da war. Dann ging alles schnell. Es ist nicht so, dass wir wegwollen. Eher so, dass es jetzt eine neue Herausforderung gibt, die mich reizt. In der Frauenhainer Kirchgemeinde ist vieles auf einem guten Stand, es gibt kaum Probleme. Der Zeitpunkt für einen Wechsel ist auch sinnvoll, weil unser Jüngster im Sommer in die Grundschule kommt und unserer mittlerer Sohn aufs Gymnasium wechselt.

Wie wird sich Ihre neue Kirchgemeinde von der jetzigen unterscheiden?

Sie wird mit 3 500 Kirchgliedern fast doppelt so groß sein wie die Schwesterkirchgemeinden Gröditz, Nauwalde, Frauenhain und mit einem Altersschnitt von 37 Jahren auch viel jünger. Das liegt daran, dass die Löbtauer Gemeinde viel studentischen Zulauf hat, Dresden zieht ja viele junge Leute an. Es müssen eigene Taufsonntage angeboten werden, weil es so viele Taufanfragen gibt. Anders wird sein, dass die Kirche in der Großstadt eine kleinere Rolle als auf dem Land spielt. Hier in den Dörfern sind bis zu 40 Prozent der Leute Christen. Der Anteil in der Stadt ist viel niedriger.

Was werden Sie an Ihrer jetzigen Kirchgemeinde vermissen?

So vieles! Ich sage schon immer zu allen, ich würde sie am liebsten gern mitnehmen. Meinen Kirchenvorstand zum Beispiel ...

... der sich wodurch auszeichnet?

Wir haben ein freundschaftliches Miteinander, sind aber auch eine geistliche Gemeinschaft. Es geht also nicht nur ums Bauen, den Friedhof und Geld, sondern auch ganz viel um unseren Glauben. Wir reden über theologische Themen und streiten auch. Es klingt jetzt vielleicht pathetisch, aber da haben wir manche Heilig-Geist-Momente erlebt.

Apropos: An welche Frauenhainer Momente werden Sie sich gern erinnern?

Ganz viele. Die Kirchensanierung gehört dazu. Aber auch viele sehr intensive Gottesdienste. Erst letztens zu Himmelfahrt waren knapp 200 Leute im Pfeifholz da. Am meisten in Erinnerung werden die Momente bleiben, in denen spürbar wurde, dass Gott wirklich da ist.

Haben Sie in den zwölf Jahren etwas über Ihren eigenen Glauben gelernt?

Auf jeden Fall, vor allem, was persönliche Frömmigkeit im Alltag angeht. Wir haben ja hier in Frauenhain einen stark pietistisch geprägten Teil in der Kirchgemeinde. Es gibt hier ganz unterschiedliche Arten, wie Menschen ihren Glauben leben und mit der Bibel umgehen. Es gab Momente, in denen ich fast beschämt war, weil Leute mir einen fröhlicheren Glauben vorgelebt haben, als ich ihn mitgebracht habe.

Inwiefern?

Ich war eine eher bürgerliche Kirchlichkeit gewohnt. Wo ich herkomme, ist es nicht unbedingt üblich, intensiv über seinen Glauben zu sprechen. Hier ist das anders. Vor Kurzem habe ich mit jemandem gesprochen, der radikal gesagt hat, das sei alles Quatsch, woran ich glaube. Ob ich das wirklich glaube, wollte er wissen. Da habe ich rundheraus gesagt: natürlich. Ohne Umschweife zu seinem Glauben zu stehen, das hat viel mit meiner Zeit hier zu tun.

Sie haben die Kirchgemeinde mehr als ein Jahrzehnt geleitet. Was wünschen Sie sich, soll von Ihrer Arbeit fortleben?

Ich sage immer, eine Kirchgemeinde lebt nicht vom Pfarrer. Ich habe auch keine Sorge, dass es weitergeht. Allein schon wegen der vielen engagierten Ehrenamtlichen. Wenn ich mir wünschen könnte, dass etwas bleibt, dann vielleicht die Reihe „Tankstelle Kirche“, die Gesprächsabende in der Ritterloge oder das Passionsspiel. Zukunft wird aber nur haben, was die Kirchgemeinde für erstrebenswert hält.

Was würden Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?

Sei neugierig und schau genau hin, würde ich sagen. Lass Dich auf kein Schubladendenken ein. Es gibt überall Leute, mit denen man wunderbar Gemeinde bauen kann.

Es fragte: Eric Weser.