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Ich schau dir in die Augen, Kleiner

Die Früherkennung von Sehschwächen ist wichtig. Die „Sehfahrer“ aus Kamenz widmen dieser Sache viel Zeit.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Das Kind kneift schon wieder die Augen zusammen. Nicht so komisch blinzeln! Und nicht so nah an den Fernseher ran!“Ich schaue meinen Vierjährigen genervt zu, wie er Ernie und Bert am liebsten mit der Nase anstupsen würde. Die Farben sind aber zu faszinierend. Und der Fernseher sowieso. Der hat nämlich Kabel und Schalter. Und Eddie liebt beides …

Aber vielleicht kann er seine beiden Sesamstraßen-Lieblinge auch einfach von der Ferne nicht befriedigend erkennen? Jede Mutter fragt sich irgendwann, ob ihr Kind eigentlich richtig sieht. In unserer Familie tragen die meisten eine Brille. Mein großer Sohn brauchte auch mit 19 eine. Da hatte er längst die Fahrerlaubnis und bei Nacht Probleme mit den Lichtern. Und auch wenn mein Vierjähriger noch keine auffälligen Anzeichen von Sehschwäche zeigt, wäre es prozentual und genetisch zumindest nicht verwunderlich. Bei der letzten Untersuchung beim Kinderarzt wurde bereits eine kleine Unregelmäßigkeit bemerkt. Die Empfehlung, den Augenarzt aufzusuchen, hängt mir seitdem im Ohr. Vielleicht doch erst einmal zu einem Optiker? Augenärzte sind nicht eben dicht gesät in Kamenz! Die „Sehfahrer“ aus Kamenz hatten doch so ein spezielles Gerät, das bei kleineren Kindern, Kranken und Behinderten eingesetzt wird. Ich hänge mich ans Telefon. Der Termin steht bald und wir rollen an einem Montagnachmittag im Büro an der Goethestraße an. „Gut, dass ihr gekommen seid“, bittet Sabine Schroda hinein. Sie sitzt seit Mitte Juli mit im Sehfahrer-Boot. Gemeinsam mit Kollegin Anett Pötschke steuert sie die erste sächsische mobile Optikerfirma. Beide Frauen sind fachlich super ausgebildet. Augenoptikermeisterin Anett kommt aus Neschwitz. Diplom-Ingenieurin für Augenoptik Sabine lebt in Königsbrück. In der Mitte – in Kamenz – haben sie ihr Büro eingerichtet. Beide arbeiteten vorher bei großen Optikerketten. Der Grund, warum sie sich selbstständig machten? „Wir möchten einfach mehr Zeit für die Kundschaft haben. Und wir haben eine andere Vorstellung von individueller Beratung.“

Viele Fragen beantworten

Seit März sind die Sehfahrer zwischen Bautzen, Hoyerswerda, Ottendorf und bis Löbau / Görlitz unterwegs. „Wir möchten künftig etwas mehr für die Klientel tun, die erfahrungsgemäß schwer zum Optiker gelangt. Menschen in Altenpflegeheimen sind da gemeint, aber auch Arbeitnehmer, die wenig Zeit haben, einen langen Termin außerhalb wahrzunehmen. Wir haben da schon gute Erfahrungen gemacht!“ Auch bei Kindern. Eddie staunt mittlerweile über die tollen Geräte aus dem Untersuchungszimmer. Ab und an kommen Kunden nämlich auf Anmeldung hierher. Wie wir heute. Nachdem ich die Sachlage erklärt habe, gibt es einen langen Fragenkatalog zu beantworten. Ich staune, auf was man alles achten muss. Legt das Kind das Blatt beim Malen schräg? Und malt es überhaupt lieber mit dunklen Farben? Puzzelt es nicht gern? Hat es Probleme, einfache Muster nachzustecken? Bevorzugt es Legobausteine? Fährt es nicht gern Karussell? Ist es lichtempfindlich? Und versucht es, ein Auge mit Haaren zu verdecken? Einiges könnte ich schon ankreuzen …

„Kinder bis vier Jahre haben die besten Chancen, dass man ihre Sehschwächen gut korrigieren kann. Danach geht es vorwiegend um Erhaltung des Ist-Zustandes“, erklärt Sabine Schroda. Eddie ist über vier. Hätte ich eher handeln müssen? „Es ist schon extrem wichtig, wenn die Eltern frühzeitig aufgeklärt werden über Behandlungsmöglichkeiten und Test“, so Anett Pötschke. Viele kleine Kunden haben die Optikerinnen bereits mit ihrem automatischen Refraktometer untersucht. Dieser basiert auf Infrarotlicht. Und ermöglicht eine genaue Diagnose mit wenigen Handgriffen. Eddie muss kurz stillsitzen und hineinschauen. Nachdem das Gerät seine kleinen Augen gefunden hat, sind auch schon die Werte da. Es ist eindeutig: Mein Schatz hat links ein kleines Problem. Ich muss zum Augenarzt. „Bei Kindern und größeren Unregelmäßigkeiten bei Erwachsenen empfehlen wir natürlich immer den Besuch eines Facharztes“, so Sabine Schroda. Es ist trotzdem gut, dass wir da waren. Die Brille werden wir später sicher hier kaufen.

Sehschwäche schon vor der Schule erkennen

Oft werden Sehschwächen bei Kindern leider erst in den Vorschuluntersuchungen diagnostiziert. Aber mit dem Schuleintritt ist es wichtig, dass solche Dinge geklärt sind. Ob schlechtes räumliches Sehen, Kurz- oder Weitsichtigkeit – Unaufmerksamkeiten, Kopfschmerzen und Verhaltensauffälligkeiten sind die Folge. Und so macht Lernen keinen Spaß. „Es wurden Kinder schon als Autisten abgestempelt, obwohl sie extrem schlecht sahen und keinem das auffiel“, weiß die Königsbrückerin. Die „Sehfahrer“ möchten etwas zur Aufklärung beitragen. „Wir kommen gern in Kindergärten mit Vorträgen. Gerade neue Medien wie Tablets und Handys machen kurzsichtig. Da arbeiten Eltern unbewusst daraufhin, dass ihr Kind in der ersten Klasse eine Brille braucht!“

www.die-sehfahrer.de