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„Ich mache mir Sorgen um das Viathea“

Susanne Schneider hat sich jahrelang fürs Fest eingesetzt. Sie will, dass es kein kleines Stadtfest wird.

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© Nikolai Schmidt

Von Sabine Ohlenbusch

Görlitz. Nach dem Viathea ist auch vor dem Viathea. Das Straßentheaterfestival zog mehr als 40 000 Besucher in der vergangenen Woche in seinen Bann. Doch nun mehren sich die Stimmen, die eine Debatte über die Zukunft des Festes verlangen. Die frühere OB-Kandidatin Jutta Blin hatte die Diskussion in der SZ eröffnet, nun beteiligt sich auch Susanne Schneider, frühere Vorsitzende des Fördervereins des Viathea, daran. Was sie in den letzten Jahren schmerzlich vermisst hat, worauf sie in der Zukunft wieder hofft, sagt die Meridian-Preisträgerin im SZ-Interview.

Frau Schneider, wo sehen Sie die Zukunft für das Viathea?

Ich denke, die Stadt Görlitz hat eine wichtige Entscheidung zu treffen. Das Viathea ist an einem Scheideweg angekommen und kann zwei Wege einschlagen. Entweder die Stadt lässt es den Weg fortsetzen, auf dem es sich bis vor Kurzem seit 20 Jahren sehr kontinuierlich etabliert hat: als internationales Theaterfestival und dicker Magnet für Touristen. Der zweite Weg wäre, das Viathea als kleines, feines Stadtfest mit einigen internationalen Gruppen zu erhalten, das es im vergangenen und in diesem Jahr gewesen ist. Die Fülle aus den Jahren 1995 bis 2005 ist einfach nicht mehr vorhanden, was vor allem eine Kostenfrage ist. Ich bin für die erste, zugegeben sehr teure Variante.

Bei Facebook bemängeln Sie, dass die künstlerische Qualität des Festivals gelitten habe. Was genau fehlt Ihnen?

Ich habe das Flair nicht gespürt – bei allem guten Willen nicht. Das ist im vorigen Jahr aber noch stärker gewesen, das war der Einbruch. Die Görlitzer sehnen sich nach dem großen Abschluss auf dem Obermarkt, der immer beeindruckend gewesen ist. Damit der Glanz des Festivals zurückkommt. Ich war immer schon um das Viathea besorgt. Vielleicht weiß auch jemand einen dritten Weg, den das Festival nehmen kann. Darüber würde ich mich freuen. Ich bin immer sehr an offenen Diskussionen interessiert. Was mir in diesem Jahr wieder sehr gut gefallen hat, sind die Walk Acts. Sie haben die Zuschauer mit einbezogen und so für Atmosphäre gesorgt. Aber insgesamt war es mir zu wenig erzählerisch. Die Füße waschende Gruppe am Rathaus war hübsch anzusehen, aber nicht mehr. Insgesamt wirkte der Untermarkt mit den einzelnen Darstellungen vergleichsweise leer. Sehr beeindruckt hat mich aber Grotest Maru.

Sie haben auch angesprochen, dass das Festival wenig international und professionell auf Sie wirkte. Die Anzahl der Künstlergruppen hat sich aber doch im Vergleich zu 2005 erhöht?

Aber die auftretenden Gruppen sind kleiner geworden. Bis auf Grotest Maru fallen mir keine Truppen von mehr als drei Personen ein, die in diesem Jahr dabei gewesen sind. Natürlich kosten mehr Personen auch mehr Geld. Aber dafür hat es mich verzaubert, als Rue Piétonne zu fünft da waren und einer von ihnen vor den Augen der Zuschauer Origami vorgeführt hat. In diesem Jahr war dieser Künstler alleine da und hat die Figuren nur aus der Kommode geholt.

CDU-Fraktionschef Dieter Gleisberg hat kürzlich im Stadtrat die Zusage für 8 000 Euro mehr Unterstützung für das nächste Festival klar an die Forderung nach mehr künstlerischer Qualität geknüpft.

Darin stimme ich Herrn Gleisberg uneingeschränkt zu. Allerdings wird diese Summe das Programm nicht viel weiter bringen. 40 000 bis 50 000 Euro mehr müssten es sein. Dazu müssten aber alle Stadträte über den Horizont des jetzigen Viathea hinaus denken. Das scheint mir nicht der Fall zu sein. Der Landkreis müsste fest ins Boot geholt werden. Ich bin damals beim Landrat gewesen und habe um Unterstützung gebeten. Alles, was ich weiß, ist, dass wir dann auch mehr Geld erhalten haben. Und vielleicht kann ja auch das Kultusministerium in Dresden langfristig gewonnen werden. Genauso wichtig sind aber nach wie vor die großen Unternehmen, von denen ja mittlerweile einige mehr in der Umgebung ansässig sind – wie zum Beispiel im Gewerbegebiet in Kodersdorf.

Wenn Sie von künstlerischer Qualität sprechen: Wie kann man diese denn erkennen, bevor die Gruppen in Görlitz aufgetreten sind?

Gruppen müssten hierherkommen, die in der internen Szene einen guten Ruf haben. Das lässt sich schnell über das Internet herausfinden. Die Auswahl liegt dann bei den Organisatoren, deren Arbeit ich sehr schätze, und beim Stadttheater. Außerdem kann sich das Viathea als drittgrößtes Festival für Straßentheater in Deutschland auch an den noch größeren orientieren. Zum Beispiel könnte man schauen, wer in Rastatt in Baden-Württemberg auftritt. Allerdings ist die Lage eine ganz andere dort, das Festival wird von Mercedes Benz gesponsert und kostet Eintritt. Das wäre in Görlitz nur für das Picknick am Donnerstag möglich, an den anderen Viathea-Tagen in der Altstadt ginge das nicht. Und für das Picknick wäre das der Tod.

Um zwischen professionellen Künstlern und Amateuren zu unterscheiden, gibt es mittlerweile ein getrenntes Off-Programm. Was halten sie davon?

Die Görlitzer sind immer wieder von heimischen Gruppen wie Crash Boom Play, Baila Thea oder dem Ballett des Theaters verzückt – zu Recht. Aber gerade bei den Amateuren müsste ein größeres Augenmerk auf der Auswahl liegen. Die Qualität wäre streng zu überprüfen. Aber ich habe natürlich nicht das Recht, der Organisation hineinzureden. Ich stelle nur fest, dass es hier eine Veränderung gab, die ich kritisch sehen würde. Auch den neuen Off-Preis kann man von zwei Seiten betrachten: Er gehört nicht zum internationalen Charakter des Festivals, weil die Off-Gruppen vorrangig von hier stammen. Auf der anderen Seite bedeutet er einen großen Ansporn für die Görlitzer.

Der neue Preis wäre beim Frühstück auf dem Untermarkt verliehen worden, aber keiner der Preisträger war da. Ist das ein Zeichen, dass es kein Ersatz für den Brunch als Abschluss ist?

Eigentlich wollte ich sachlich bleiben, aber Sie merken, ich gerate immer wieder ins Schwärmen. Beim Brunch am Samstag saß einmal die ganze Neißstraße vom Café Kränzel bis fast hoch zum Museum voll. Hier konnte jeder hautnah mit den Künstlern in Kontakt kommen. Ich kann mir vorstellen, dass auch der Kontakt untereinander beim Mitbring-Frühstück den Görlitzern Spaß gemacht hat. Aber ich würde für den Brunch als großen Abschluss plädieren. Dafür müsste doch das Geld wieder zusammenkommen können.