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„Ich lade auch Bands ein, die ich nicht mag“

Dirk Mühlstädt organisiert die Reihe „Live vom Balkon“. Dabei verlässt er sich nicht nur auf seinen Geschmack.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Riesa. So einen Raum erwartet man nicht in der Arena: Einen Brunnen zieren mehrere Affenfiguren, der Boden ist mit quadratischem Kleinpflaster belegt, altmodische Laternen geben schummriges Licht. Die Gestaltung des Balkons nach Art eines Altmarkts geht noch auf Riesas Ex-Bürgermeister Wolfram Köhler zurück, in dessen Amtszeit die Arena gebaut wurde. Er wollte einen ungewöhnlichen VIP-Bereich für die Halle schaffen. Wo bei Großveranstaltungen Sponsoren tafeln, treffen sich seit zwölf Jahren immer ab September die Freunde alternativer Musik – die von Dirk Mühlstädt ausgewählt wird.

Herr Mühlstädt, die neue Saison von „Live vom Balkon“ wird von Tolo Marton eröffnet. Ist das schlimm, wenn man den Musiker nicht kennt?

Das ist einer der besten, wenn nicht sogar der beste Blues-Gitarrist aus Italien! Der hat schon mit den ganzen Großen gespielt – etwa Muddy Waters oder The Blues Brothers. Wir wollen nicht Mainstream bringen, sondern eine Nische bedienen: gute handgemachte Musik von Blues über Jazz bis Swing und Soul – und alles, was es an Stilrichtungen dazwischen gibt.

Wie bekommt man eigentlich solche Künstler nach Riesa?

Wir haben mittlerweile einen guten Ruf mit der Veranstaltung. In der Musikerszene hat sich rumgesprochen, dass wir gute Bedingungen bieten. Da kommen die Angebote von Agenturen schon ganz allein.

Und wie wählen Sie die Musiker aus?

Bei Youtube oder anderswo im Internet schaue und höre ich mir die Bands an, die ich noch nicht kenne. Wenn dann auch noch die Gage passt, können sie gern kommen. Manche wie Friend’n Fellow sind schon sechs-, siebenmal hier gewesen.

Spielt bei der Auswahl der eigene Musikgeschmack die Hauptrolle?

Ich muss aufpassen, dass ich nicht zu subjektiv auswähle. Darum lasse ich für mehrere Konzerte pro Saison Kollegen die Auswahl treffen. Die haben aber auch ihre Vorlieben. Ich lade deshalb auch Bands ein, deren Musik mich nicht anspricht – wenn die Qualität stimmt.

Kann man damit auch daneben liegen?

Bei den 113 Konzerten bisher hatten wir noch nie eine Band, die musikalisch ihr Handwerk nicht verstanden hat! Es ist erstaunlich, was es für tolle Unplugged-Musik gibt. Die Bands schaffen es in Deutschland nur leider nicht ins Radio, das ist in den USA anders.

Was für Leute kommen in die Arena, um diese Nischenmusik zu hören?

Hauptsächlich sind es Riesaer – da nur ganz wenige Bands überregional bekannt sind. Dann kommen aber auch Besucher aus der Region Meißen, Oschatz, Döbeln in die Arena. In der vergangenen Saison lief es überhaupt ziemlich gut: Die Leute machen es wie ich und schauen vorher im Internet, was für Musik die Künstler machen, die wir eingeladen haben. Wir haben aber auch ganz treue Stammgäste, die immer kommen – wenn sie nicht gerade im Winterurlaub sind oder krank.

Haben die Gäste auch Wünsche ans Programm?

Allerdings: Wir bekommen immer wieder mal einen Hinweis, dass wir einen bestimmten Künstler einladen sollen, weil ihn jemand von den Besuchern woanders erlebt hat. So sind wir zum Beispiel an Tina Tandler gekommen.

Wer ist denn das?

Das ist eine bekannte Saxofonistin, die auch mit Roland Kaiser spielt. Als der mit seinen Musikern hier in der Arena probte, habe ich Tina Tandler kurz zur Seite genommen – und sie hat zugesagt. Ihr Konzert war übrigens schnell ausverkauft.

Wie liegt die Auslastung bei „Live vom Balkon“ insgesamt?

Wie haben schon mit 35 Leuten hier gesessen, aber auch schon mit 250. Im Schnitt sind es um die 100 – das ist eine gute Zahl, wenn man das mit Orten vergleicht, wo die Künstler sonst spielen. Etwa in der Dresdner Tonne. Mal sehen, wie wir in die neue Saison starten: Nach Tolo Marton kommt Caro Josée, dann Fedora Fools und Friend’n Fellow. Ich bin bei den Stilen ziemlich offen. Nur Free Jazz ist mir etwas zu heikel.

Der Kartenpreis ist seit 2004 unverändert: Eine Karte kostet zwölf Euro. Noch etwas günstiger wird es mit dem „Dreiklang-Abo“, bei dem drei Veranstaltungen „Live vom Balkon“ nach Wahl 30 Euro kosten.

Außerdem gibt es das „Livemusik-Abo“ für 50Euro: Das kombiniert zwei Veranstaltungen „Balkon“ mit zwei Aufführungen der Elbland Philharmonie Sachsen im Stern.