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„Ich jongliere weiter mit Zahlen“

Kämmerer Michael Martin räumt seinen Schreibtisch: der 38-Jährige geht dahin zurück, woher er gekommen ist.

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© Anne Hübschmann

Von Catharina Karlshaus

Priestewitz. Seit ein paar Tagen steht die Stellenausschreibung unübersehbar auf der Homepage der Gemeinde. Nach dem Weggang der langjährigen Kämmerin Kerstin Blawitzki ist Priestewitz offenbar wieder auf der Suche. Und zwar nach einem „Fachbediensteten für Finanzen“. Möglichst zum 1. Juli, am Besten zum Zwecke einer Einarbeitung möglichst noch früher. Praktisch bedeutet das: Michael Martin, der im Oktober 2015 das Amt übernommen hat, verabschiedet sich wieder aus der 3 200-Einwohner-Gemeinde. Die SZ war mit dem Diplom-Kaufmann im Gespräch.

Herr Martin, in Priestewitz pfeifen die Spatzen von den Dächern, dass Sie gekündigt haben. Stimmt das?

Ja, das stimmt. Ich lege mein Amt als Kämmerer zum 30. Juni 2017 nieder und habe darüber auch den Gemeinderat informiert.

Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Mir wurde eine Geschäftsführungsposition in einem mittelständischen Unternehmen angeboten. Das werde ich zukünftig leiten, und auf diese Aufgabe freue ich mich.

Vor Ihrem Amtsantritt waren Sie in einer renommierten Dresdner Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft tätig. Worin besteht für Sie der größte Unterschied zwischen der Arbeit als Kämmerer in einer Landgemeinde und dem Jonglieren mit Zahlen in einem großen Unternehmen?

Nun, wie Sie so schön gesagt haben, wird das Jonglieren mit Zahlen auch weiterhin ein Teil meiner Arbeit bleiben. Wenn ich allerdings an meine jetzige Position in Priestewitz denke, wird sich dieser Aspekt künftig verringern. Die Hauptaufgabe, die ich in der Verwaltung hatte, werden dann ein kaufmännischer Prokurist und die Abteilung Rechnungswesen und Controlling übernehmen. Ab einer gewissen Ebene ist man im Unternehmen ja eher der Verkäufer der Unternehmensstrategie und des Unternehmens als solches. Darüber hinaus habe ich dann die Möglichkeit, im Sinne des Unternehmenserfolgs zu handeln. Investitions- und sonstige Entscheidungen werden dann ausschließlich von mir getroffen werden und nicht durch persönliche Animositäten und sonstige Profilierungssucht einiger einzelner Personen fehlgeleitet. Das macht den beruflichen Handlungsspielraum für mich zukünftig leichter und flexibler.

In der jüngsten Ratssitzung wurde der von Ihnen erarbeitete Finanzetat für 2017 recht knapp durch den Gemeinderat beschlossen. Hatten Sie mit so viel Gegenwind gerechnet?

Ehrlich gesagt ja! Die Diskussion über bestimmte Investitionen, die nun unbedingt zeitnah und am besten sofort erfolgen sollten, werden ja seit letztem Jahr im Gemeinderat thematisiert. Dabei wurden einige Investitionen wie der Grundschulanbau in Lenz und die Regenwasserkanalsanierung Baselitz für 2017 bereits Mitte 2016 beschlossen. Dass die Gemeinde finanziell nicht alles sofort umsetzen kann und Fördermittel konsequent nutzen muss, war auch bereits unter dem Altbürgermeister Herrn Rendke der Fall und führt sich mit der Bürgermeisterin Frau Frentzen so fort. Das ist also nichts Neues und ein Prozedere, das die Verwaltung rigoros umsetzt. Und zwar erfolgreich, sonst hätten wir nicht Anfang des Jahres unsere Schuldenfreiheit erlangt! Da unsere Finanzabteilung mit mir an der Spitze auch die zukünftige Tragfähigkeit der Kommune im Blick haben muss, können wir nicht einfach mal nach Lust und Laune Kredite aufnehmen. Es macht absolut keinen Sinn, nach dem Wer-am-lautesten-schreit-Prinzip, die tatsächlich auch vorhandenen liquiden Mittel kurzfristig aufzubrauchen – wie von einzelnen Gemeinderäten gefordert. Noch nicht mal in bevorstehenden Wahlzeiten wie diesen ist das finanziell und gesetzlich vertretbar.

Das war jetzt aber sehr deutlich, Herr Martin! Ein bissel sauer sind Sie also schon, oder?

Nein! Aber ich bin der Meinung, dass es in Situationen wie diesen, in denen es ausschließlich um das Gemeinwohl gehen sollte, zukünftig mehr Sachlichkeit braucht. Auch sollte bedacht werden, dass es sich um Steuergelder der Bürger handelt, welche die Verwaltung ausgeben wird. Daher sind für mich einzelne Befindlichkeiten im Stil, dass die Kinder von Herrn XYZ ja zeitlich nichts mehr von der Investition des Kindergartenanbaus in Priestewitz haben, überhaupt nicht nachvollziehbar! Strategische Planung scheint in diesem Fall ein Fremdwort zu sein. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Gemeinde ist an bestimmten Stellen ganz einfach zu Investitionen verpflichtet! Dass bestimmte andere Projekte zeitlich nachgelagert werden müssen, bleibt nicht aus. Da die Gemeinde aber keinen Doppelhaushalt beschlossen hat, können Investitionen, die 2019 geplant wurden, prinzipiell auch 2018 erfolgen – sofern es eine positive finanzielle Haushaltslage hergibt.

Die Kritiker bemängelten aber, nicht alle notwendigen Investitionen hätten sich im Haushaltplan wiedergefunden. Was sagen Sie denen?

Die Planung – auch für die Folgejahre – wurde im Vorfeld mit den Gemeinderäten in der Januarsitzung diskutiert. Das Einpflegen dieser Investitionen ist dann im Nachgang im Haushaltsplan erfolgt. Es wurden danach keine erneute Einsicht in den Haushalt genommen oder Änderungen angezeigt. Damit ist die Kämmerei also von einer offensichtlichen breiten Akzeptanz des Etats ausgegangen! Dass dann zur letzten Sitzung so ein Gegenwind aufkommt, ist für mich in dieser Form nicht nachvollziehbar und inakzeptabel gegenüber der Verwaltung. Aber wie bereits in der Ratssitzung gesagt, die Investitionen der Folgejahre ab 2018 sind eine Orientierung. Eine Anpassung in der Satzung für das Haushaltsjahr 2018 wäre möglich.

Bis zum 30. Juni werden Sie noch die Finanzgeschicke von Priestewitz in Ihren Händen halten. Was werden Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg geben?

Dass er sich weiterhin zum Wohle der Gemeinde einsetzen soll! Und er gegebenenfalls dafür auch mal Gegenwind ertragen muss, eben einfach weil nicht alle Wünsche sofort erfüllt werden können.

Gespräch: Catharina Karlshaus