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„Ich hatte Angst vor Zschäpe“

Zeuginnen berichten im NSU-Prozess über einen brutalen Angriff in Jena.

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© dpa

Von Wiebke Ramm

Beate Zschäpe hatte in Jena den Ruf, ohne Skrupel auf Menschen loszugehen. Sie trage ein Messer bei sich und scheue auch die Auseinandersetzung mit Männern nicht, erzählte man sich Mitte der Neunzigerjahre in der Stadt. So berichten es zwei Zeuginnen am 132. Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht München.

Die 39-jährige Hauptangeklagte im Prozess um die mutmaßlichen Taten des Nationalsozialistischen Untergrunds hört aufmerksam zu und wirkt recht entspannt. Dabei ist das Bild, das die beiden Frauen im Zeugenstand von ihr zeichnen, wenig schmeichelhaft.

Es geht um einen Vorfall am 16. September 1996 an der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 2 in Jena-Winzerla. Die damals 21-jährige Zschäpe soll eine 16-Jährige angegriffen haben. Das Mädchen stürzte und brach sich das Sprunggelenk des linken Fußes an. Zschäpe hätte sich rittlings auf das am Boden liegende Opfer gesetzt und soll es aufgefordert haben, den seltsamen Satz „Ich bin eine Potte“ zu sagen. So berichtet es das Opfer, Maria H., an diesem Mittwoch vor Gericht. Was das Wort „Potte“ bedeuten soll, weiß sie nicht. Die mutmaßliche Attacke von Zschäpe ist nicht Gegenstand der Anklage, könnte aber Hinweise auf ihre Gewaltbereitschaft geben.

Maria H. ist heute 33 Jahre alt. Sie studiert Medizin und lebt noch immer in Jena. Damals, sagt sie, habe sie eher zur linken Szene gehört. Unter ihren Freunden waren Punker. Sie selbst habe damals gern bunte Röcke und bunt gefärbte Haare getragen.

Maria H. und Steffi S. hatten an jenem Abend mit Freunden das Altstadtfest in Jena besucht und stiegen dann in die Bahn, um nach Hause zu fahren. In der Straßenbahn hätten sich Zschäpe und eine zweite junge Frau unangenehm nah zu ihnen in eine Vierer-Sitzgruppe gesetzt, obwohl die meisten anderen Plätze leer gewesen seien. Zschäpe habe sie angestarrt, sagt Maria H. Sie und ihre Freundin seien verunsichert gewesen und hätten die ganze Fahrt über geschwiegen. Nach dem Aussteigen sei Zschäpe ihnen gefolgt. „Sie sagte zu mir, dass ich sie auf dem Rummel beleidigt oder ausgelacht hätte. Sie hat mich dann geschubst, und ich bin hingefallen“, berichtet Maria H. Am nächsten Tag erstattete sie Anzeige gegen unbekannt.

Erst nach 2011, nachdem die Welt von der Existenz des NSU erfahren hatte, habe sie erkannt, sagt Maria H., dass Zschäpe die Angreiferin gewesen sei. Ein Journalist habe sie darauf hingewiesen. Sie ist sich sicher, dass es wirklich Zschäpe gewesen ist. Maria H. hat sie auf Fotos wiedererkannt.

Als zweite Zeugin wird Steffi S. gehört, die bei dem Vorfall dabei war. Sie sagt, Zschäpe habe Maria H. mit „geübten Handgriffen“ zu Boden gebracht. „Sah aus wie trainiert“, sagt die 33-Jährige. Zschäpe habe Maria H. noch die Jacke entwendet, dann sei sie weggegangen. Steffi S. sagt, sie habe schon damals gewusst, dass es Zschäpe gewesen sei. Ihr sei auch bekannt gewesen, dass Zschäpe zur rechten Szene gehörte. Sie kannte auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vom Sehen. Die beiden späteren NSU-Terroristen galten als Männer, vor denen man sich besser in Acht nehmen sollte, sagt sie. Auch Zschäpe sei sehr selbstbewusst, fast schon unberechenbar aufgetreten. „Ich hatte Angst vor Zschäpe“, sagt die Zeugin.

Zschäpe selbst schweigt, wie all die anderen Verhandlungstage auch. Die frühere Bekannte von Zschäpe, die bei der Tat dabei gewesen sein soll, hat bereits im Prozess ausgesagt, dass sie sich an einen derartigen Vorfall nicht erinnern könne.

Der NSU-Prozess wurde am späten Donnerstagvormittag fortgesetzt, nachdem der Befangenheitsantrag von Beate Zschäpe abgelehnt wurde. Sie fordert die Abberufung aller Mitglieder des Münchner Staatsschutzsenats.