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Einen Lebenstraum erfüllt

20 Jahre lang hat Heidi Heine eine Zeitarbeitsfirma geleitet. Jetzt ist sie unter die Schriftsteller gegangen.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Zeit ist kostbar, sagt Heidi Heine. „Ab einem bestimmten Alter vergeht sie so schnell, dass man mit ihr ganz anders haushalten muss, sie sich für die Dinge und Menschen einteilen muss, die einem wichtig sind.“ Diesen Worten hat die 60-Jährige Taten folgen lassen. Heine ist beruflich deutlich kürzer getreten: Im Stahlbau-Unternehmen, das sie gemeinsam mit ihrem Mann geleitet hat, arbeitet sie mittlerweile nur noch als Buchhalterin, ihre Zeitarbeitsfirma hat sie schon 2012 aufgelöst – nach 20 Jahren.

Das erste Buch ist erschienen

Einen Teil der neu gewonnenen Zeit nutzt Heine nun für die Schriftstellerei. Das sei ein langgehegter Wunsch von ihr gewesen, gesteht die Unternehmerin, deren Name schon einen Hauch von Künstlertum erahnen lässt. Dass sie gerne liest, lässt schon ein kurzer Blick in ihre Privatbibliothek erahnen. In den dunklen Holzregalen stehen Bücher der verschiedensten Genres, von Romanen über Biografien bis hin zu dicken Geschichtswälzern. Am liebsten liest die Riesaerin mit dem berühmten Nachnamen übrigens nicht Heinrich Heine, sondern Eva und Erwin Strittmatter: In den vergangenen zwei Jahren habe sie bereits einige Gedichte und Kurzgeschichten geschrieben, sagt Heine. Nun ist ihr erstes Buch erschienen. „DreckMensch“ heißt der Roman. „Ich habe mir damit meinen Lebenstraum erfüllt“, sagt Heidi Heine. Ein strahlendes Lächeln huscht bei dem Satz über ihr Gesicht. Der Roman erzählt aus dem Leben von Anna, geboren 1900 in der Nähe von Breslau. Zwei Weltkriege erlebt sie mit, gefolgt von der Vertreibung aus ihrer Heimat. Viel Geschichte, doch Heidi Heine ging es eher um die persönlichen Schicksale, sagt die Autorin. „Zeitzeugen-Berichte gibt es doch mittlerweile schon so viele.“

Trotzdem ist das Buch keine reine Fiktion: „Der Roman ist angelehnt an die Erinnerungen meiner Großmutter“, erzählt Heine. Die habe selbst ein schweres Leben gehabt, Hunger und Inflation erlebt, dazu eine Mutter, die ihre eigene Tochter als „Dreckmensch“ bezeichnet. „Was ein Mensch ertragen kann, und trotzdem Mensch bleiben – das ist es, was ich an ihr bewundere“, sagt Heidi Heine.

„Meine Großmutter hatte eine große Sehnsucht nach der Heimat“, erinnert sich Heine. Schon als Kind habe sie sehr viel Zeit mit der Großmutter verbracht und den Geschichten gelauscht, die sie und andere Schlesier sich erzählten. „Mit 16, 17 Jahren habe ich angefangen, mir Notizen zu machen.“ Im Hinterkopf habe sie schon immer vorgehabt, das alles vielleicht einmal in einem Buch zusammenzubringen.

Die Tochter war die erste Kritikerin

Vor etwa zwei Jahren schließlich nahm sich Heidi Heine die Zeit, die sie davor nie so wirklich hatte, recherchierte bei Freunden ihres Vaters, die auch aus Schlesien stammten, und las viele Bücher über die Jugendzeit ihrer Großmutter – und begann zu schreiben. Seit dieser Zeit trägt die 60-Jährige immer ein Notizbuch bei sich, sagt sie. „Man kann ja nicht steuern, wann man eine Idee bekommt.“ Sich im dunklein Kämmerlein einschließen und losschreiben, das könne sie jedenfalls nicht.

Die erste Kritikerin, die Heines Buch zu lesen bekam, war ihre Tochter. „Die hat dann gesagt: So kannst du weiterschreiben.“ Dass sie den Titel letztlich auch veröffentlichen konnte, sei aber eher zweitrangig, betont die frisch gebackene Schriftstellerin. „Es geht mir nicht darum, Geld zu verdienen oder einen Bestseller zu schreiben.“ Wichtiger sei ihr gewesen, die Geschichte der Frau festzuhalten, die sie so sehr fasziniert hat. Fertig ist sie damit noch nicht: Gerade arbeitet sie am zweiten Teil des Romans. „Den würde ich eigentlich schon gerne vor Weihnachten herausbringen.“ Und dann? Heidi Heine muss nur ganz kurz überlegen: „Ein paar Gedanken und Ideen hab ich schon noch. Vielleicht mal einen Liebesroman, vielleicht einen Reisebericht. Man muss sich ja mal ausprobieren!“ Die Zeit dafür wird sich Heidi Heine sicher gerne reservieren.