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„Ich gestehe und bereue“

Dreimal verletzt ein Räuber Frauen durch Schläge und Tritte schwer, um an ihre Handtaschen zu gelangen.

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© dpa

Von Ralph Schermann

Richter Hinrichs lässt mehrmals den Blick vom Foto in der Akte zum jungen Mann schweifen, der auf der Anklagebank sitzt. „Haben Sie abgenommen?“, fragt er ihn, „nach dem Foto vom vorigen Jahr hätte ich Sie jetzt nicht erkannt.“

Tatsächlich wirkt der jetzt 25 Jahre alte Frieder Hanke* eher unscheinbar. Das Shirt schlabbert um einen sehr schlanken Jungen mit millimeterkurzem Haar und diversen Piercings. Der in Görlitz geborene Hanke wirkt alles andere als gewalttätig. Und doch steht er als gefährlicher Räuber vor der mit zwei Richtern und zwei Schöffinnen besetzten Strafkammer des Landgerichtes. Die Staatsanwältin wirft ihm vor, drei Frauen erheblich verletzt zu haben, um Taschen zu stehlen. Hanke nickt bei jedem Fall, den die Juristin vorträgt. „Ja“, sagt er und gibt alles zu. Doch er will auch einiges sagen, das die Taten erklären soll.

Die Staatsanwältin schildert drei gleiche Tatmuster: Stets hat sich der Angeklagte Frauen von hinten genähert, um ihnen Taschen zu entreißen. Stets habe er Gewalt angewendet und immer so lange, bis die Taschen in seiner Hand sind und er damit weglaufen kann. Alle Frauen werden dabei durch Faustschläge und Fußtritte erheblich verletzt. Am 1. Dezember 2013 geht er um 21.40 Uhr gegen eine Frau an der Ecke Rauschwalder-/Leipziger Straße vor. Am 4. Juli 2016 folgt um 0.30 Uhr ein ähnlicher Angriff auf eine Passantin an der Alten Nieskyer Straße. Am 7. Januar 2017 schließlich greift er noch brutaler als bisher auf der Schulstraße eine Frau an. Angeblich weil die 42-Jährige sich weiter an die Tasche klammert, schlägt Hanke immer und immer wieder auf die Frau ein, fügt ihr einen Nasenbeinbruch, einen Durchbruch des Augenhöhlenbodens zur Kiefernhöhle sowie weitere Verletzungen zu.

Die Beute aus den ersten beiden Fällen kenne er nicht, sagt Hanke. Weil die Polizei anrückte, habe er die Taschen weggeworfen, die erste unter ein geparktes Auto. Überhaupt kann er sich an die Raube von 2013 und 2016 gar nicht erinnern. Er war volltrunken und habe sich erst danach schrittweise zusammenreimen können, woher eigene Verletzungen kommen. Wie stark der ungelernte Arbeitslose, der sich meist mit Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, sein Trinkverhalten überhaupt koordinieren kann, wird noch zu erfahren sein. Eine Gutachterin ist für den nächsten Verhandlungstag vorgesehen. Auf der Hand liegen die beiden ersten Falldaten durchaus: Die Straftat von 2013 ereignet sich neben der Wohnung von Hankes damaliger Lebensgefährtin, und die Volltrunkenheit von 2016 hat einen möglicherweise auslösenden Grund – Frieder Hanke betrank da seinen 24. Geburtstag.

Allein der Raub im Januar 2017 ist ihm voll bewusst. Da war es auch erst kurz nach 20 Uhr, und er selbst hatte über den Tag verteilt bis dahin „nur“ acht, eher neun Flaschen Bier intus, wie er dem Gericht vorträgt. Diesmal aber hat er keine andere Wahl, denn ein anderer nötigt ihn, die Frau zu überfallen. „Das ist ein Kerl wie ein Schrank. Bei dem habe ich Schulden, und vor dem habe ich Angst“, erklärt der Angeklagte. Kevin soll der Schrank heißen, einen Nachnamen kenne er ebenso wenig wie eine Anschrift. Aber er habe dessen Motorrad zu Schrott gefahren, seitdem warte der auf 1 500 Euro Wiedergutmachung. Doch woher nehmen, wo Frieder Hanke allein schon wegen eines Autounfalls und ausstehender Telefon-, Miet-, Versicherungs-, Steuer- und weiterer Rechnungen Schulden von 30 000 Euro am Hals hat? „Kevin hat gesagt, die da hat Geld, hole es von ihr für mich, mach‘s. Ich habe dann noch ein Bier getrunken, die Frau verfolgt und, na ja, es war Scheiße, aber ich habe es dann eben doch gemacht“, gesteht Hanke.

In der Tasche waren ein Handy, Papiere und 250 Euro. All das habe er aber doch nicht dem besagten Kevin gegeben, sondern wollte es für sich nutzen. Doch auch dazu kommt er ebenso wenig, wie er sich jetzt noch um Rückzahlungen kümmern kann: Drei Tage nach der Tat wird er festgenommen, sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die wurde nur mal unterbrochen wegen einer regulären Haft, die aus anderen Taten abzusitzen war. Denn Frieder Hanke ist zwar als gefährlicher Räuber für das Gericht ein Neuling, wegen seiner anderen Vorstrafen aber durchaus nicht unbekannt.

Bei der von ihm im Januar schwer verletzten Frau hat Frieder Hanke sich schriftlich entschuldigt. „Es tat mir gut, das aufzuschreiben, denn ich bereue das alles von Herzen“, sagt er. Die Verhandlung wird mit Gutachterin und Zeugen am 6. November fortgesetzt. Insgesamt sind noch drei weitere Prozesstage vom Gericht anberaumt.

*Name von der Redaktion geändert