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„Ich finde es nicht gut, dass Sie zu schnell fahren“

Bei der Aktion „Blitz for Kids“ schlüpfen Grundschüler in Grumbach in die Rolle von Verkehrspolizisten.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Stephan Klingbeil

Wilsdruff. Kurz vor Schulbeginn ist die Tharandter Straße in Grumbach gut gefüllt. Fahrzeuge drängen sich am Dienstagmorgen vor der Ampelkreuzung mit der Bundesstraße B 173 dicht an dicht. Einige tuckern gemütlich an der Polizeikontrolle vorbei. Andere bemerken erst zu spät, dass sich auf dem Gehweg, kurz hinter der Evangelischen Grundschule, Verkehrspolizisten mit einem mobilen Blitzer postiert haben. Eine elektronische Tafel zeigt den Autofahrern an, wie schnell sie in der Tempo-30-Zone unterwegs waren. Einige bremsen extra ab, als sie die Männer in Uniform sehen.

Um die drei Beamten herum steht eine Traube Kinder. Die 24 Drittklässler helfen an diesem Dienstagmorgen dabei, die Geschwindigkeiten der vorbeifahrenden Autos zu messen. Diese besondere Kontrolle ist Teil der bundesweiten Aktion „Blitz for Kids“. In dieser Woche wird dabei jeden Tag vor anderen Schulen im Bereich der Polizeidirektion geblitzt, der sich von Großenhain über Dresden, Tharandter Wald bis zum Osterzgebirge und Sebnitz erstreckt.

An Schulen in der Hechtstraße, Am Lehmberg und der Zschierener Straße in Dresden sowie vor der Grundschule Niederau sind Präventionsmitarbeiter Detlef Kaminsky und seine Kollegen von der Verkehrsinspektion in dieser Woche auch unterwegs. Es geht um mehr Sicherheit für Kinder auf ihrem Schulweg.

In Grumbach wurde jahrelang um die dann 2016 eingerichtete Tempo-30-Zone gekämpft. „Trotzdem wird teilweise noch immer gerast“, sagt Schulleiterin Eva Böhme. Und Horterzieher Mike Schönfuß dazu: „Erst vor Kurzem ist ein Lkw langgebrettert, als ich vom Schulgelände auf die Tharandter Straße wollte, ein paar Tage davor hat ein Motorradfahrer sogar den Bus rechts überholt – auf dem Gehweg, wo Kinder zur Seite springen mussten.“

An diesem Dienstag läuft es in Grumbach indes ruhiger ab. Statt der Freiarbeit-Stunde in der Schule dürfen die Kinder zwischen 7.30 und 9.30 Uhr in die Rollen der Verkehrspolizisten schlüpfen. „Cool, dass wir frei haben“, sagt die kleine Elisabeth. Sie und die Kinder erfahren an diesem sonnigen Morgen einiges über Polizeiarbeit, während mehrere Hundert Autos an ihnen vorbeifahren. Dann dürfen sie selbst blitzen und wechseln sich dabei ab.

Vorsichtig schwenken sie das Lasergerät, schauen durch das Visier in Richtung Ampelkreuzung und richten den roten Laser auf Volkswagen, Mercedes oder Peugeot. Fährt einer zu schnell, winkt Polizeimeister Tony Jäger sie auf jeden Fall von der Fahrbahn. Auf einer Nebenstraße werden die Verkehrssünder von den Kindern zur Rechenschaft gezogen.

Sie verteilen dann gelbe und grüne Karten an die Autofahrer. Welche Farbe ihr Ticket hat, hängt damit zusammen, wie schnell sie unterwegs waren. Denn nicht nur Fehlverhalten tadeln die Kinder. Es wird ebenso gelobt. „Wir winken ebenfalls Fahrer raus, die sich ausdrücklich an das Geschwindigkeitslimit gehalten haben“, erklärt Jäger. „Die Kinder sollen ja hier beschäftigt sein während der Aktion.“

Polizist spricht von Negativrekord

15 der 25 gestoppten Autofahrer halten sich an das Tempolimit. Sie bekommen von den Mädchen und Jungen ein Dankeschön. „Ich finde die Aktion gut, habe zufälligerweise hier auch beim letzten Mal so eine Urkunde bekommen“, sagt zum Beispiel Berit Adam aus Wilsdruff. Sie war gerade auf dem Weg zur Arbeit und nahm die fünfminütige Zwangspause gern in Kauf.

Andere hätten sich indes gerne vor dem Stopp gedrückt. „Ich finde es nicht gut, dass Sie zu schnell fahren, vielleicht hätten Sie ein Kind umgefahren, das kann dann nämlich passieren“, ermahnt die kleine Ruth etwa einen VW-Fahrer, der gerade von seiner Nachtschicht kam und in Richtung Tharandt unterwegs war. Der Mann entschuldigt sich brav. Doch seine 39 Kilometer pro Stunde sind an diesem Morgen keineswegs der negative Höchstwert.

Zehn Autos werden gestoppt, nachdem sie von den Kindern und Polizeihauptmeister Andreas Hofmann erfasst wurden – das Gros mit 40 km/h und mehr. Drei Rentner aus der Region halten mit jeweils 18 Stundenkilometern zu viel bis kurz vor Ende der Aktion den Rekord. Alle drei sind einsichtig, bedauern den Verstoß und haben auch Erklärungen parat: Mal ist es der Arzttermin, mal die tief stehende Sonne.

Zum Schluss der Aktion kommt aber noch ein VW Touareg mit 50 km/h angerauscht, der Fahrer hat es auf dem Weg zur Arbeit offensichtlich eilig. „Das war heute die höchste gemessene Geschwindigkeit“, erklärt Kaminsky. „Insgesamt war die Menge der erfassten Geschwindigkeitsübertretungen heute aber ein Negativrekord, und ich mache das schon seit über 20 Jahren.“

Geldbußen kassiert jedoch an diesem Tag keiner der Temposünder. In der kommenden Woche wird das nicht mehr der Fall sein. Dann blitzt die Polizei noch einmal an denselben Standorten – und wird fürs Zu-Schnell-Fahren zur Kasse bitten.