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„Ich bin wieder da!“

Allgemeinärztin Birgit Kreische war nach einem Unfall sieben Monate arbeitsunfähig. Die Kamenzer Praxis führten derweil andere.

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© Matthias Schumann

Von Ina Förster

Kamenz. Dieser eine Tag im Juni. Heimfahrt von der Weiterbildung. Berlin hinter ihr. Kamenz schon im geistigen Auge. Das Cabrio rollt über die Autobahn. Allgemeinärztin Birgit Kreische möchte nach Hause. Sie freut sich darauf. In Höhe Großräschen dann der schreckliche Unfall. Er verändert viel. Glücklicherweise nicht alles …

Dass sie sieben Monate später wieder in ihrer Arztpraxis am Lessingplatz sitzt und sich auf Patienten freut, grenzt an ein Wunder. Auch dass sie so offen über das Erlebte sprechen kann, ist gut. Aber nicht die Regel. Ihr persönlich hilft es jedoch, das Geschehene aufzuarbeiten. „Ich hatte allen Rückhalt der Welt – von der Familie, Kollegen, Freunden, meinen Mitarbeiterinnen. Und schon als ich im Krankenhaus aufwachte, wusste ich: Weitermachen. Dringend weitermachen“, erzählt sie. Dass sie fast ihren linken Arm verloren hätte, war ihr schnell bewusst. Eigentlich bereits im Auto, als dieses auf dem Dach zum Liegen kam. Und nachdem dieser Art von Film ablief, über den Unfallopfer öfter berichten. „Ich versuchte, mich selber aus dem Auto zu befreien und merkte: Da geht nichts mehr.“ Glücklicherweise funktionierte die Rettungskette wirklich wie im Lehrbuch: Ersthelfer hielten an und sprachen mit ihr, informierten ihren Mann. Die FFW Calau war zufälligerweise wegen einer Übung in der Nähe und sperrte die A 13 Richtung Dresden. „Welch ein Glück, dass niemand anders in den Unfall verwickelt war“, sagt sie dankbar.

Ärztevermittlung half

Man flog sie nach Berlin. Um 18 Uhr landete sie auf dem Gelände der Unfallklinik Berlin-Marzahn (UKB). Der Kampf gegen die schweren Verletzungen begann. Mehrere komplizierte Operationen warteten auf sie. Doch sie fühlte sich von Anfang an sehr gut aufgehoben. Dass es dort eine hervorragende Handchirurgie gab , war von Vorteil. „Ich hatte eine komplette Unterarmfraktur mit hochgradigen Weichteilverletzungen“, sagt die Ärztin. Die Fachfrau weiß, wovon sie spricht. Dass man den Arm überhaupt retten konnte, verdankt sie den Spezialisten der Klinik. Und dem Quäntchen Glück, das man haben muss. Muskeln mussten neu geformt, Haut transplantiert werden. „Mein ganzer Körper wird mich immer an den Unfall erinnern, erzählt sie tapfer. Aber Birgit Kreische war noch nicht fertig – weder mit ihrer Arbeit, die sie über alles liebt. Noch mit dem Leben. Die diplomierte Allgemeinärztin aus Kamenz kämpfte sich zurück. Mit Rehas und Physiotherapie. Mit guten Gesprächen und Lebensfreude. Mit der Hilfe vieler. Und Urvertrauen in sich selbst. „Ich hatte einfach noch nicht abgeschlossen. Wusste, ich habe einiges zu erledigen“, sinniert sie. Im Juli hätte sie das 25. Jubiläum ihrer Praxis gefeiert. Dass das Fest ausfallen musste, war besonders hart. Immerhin möchte sie in einigen Jahren ihre Praxis gern in jüngere Hände übergeben. Und hat langsam mit der Suche nach einem geeigneten Nachfolger begonnen. Auch weil sie Verantwortung für ihre Patienten fühlt.

Neue Gesichter kennengelernt

Dass die Hausarzt-Praxis in den Monaten des Ausfalls weiterlaufen konnte, verdankt sie der Unterstützung von Kollegen. Denn was passiert eigentlich, wenn der Arzt selber krank wird? Und das für länger als einen Schnupfen? „Man muss selber allein für Ersatz sorgen. Das interessiert keine Kassenärztliche Vereinigung noch irgendjemand anderen“, sagt die Kamenzerin. Also musste schnell ein Vertretungsarzt gefunden werden. Dies war jedoch nicht einfach. Trotzdem: Nur ein paar Wochen blieb die Praxis geschlossen. Denn Birgit Kreische funktionierte ihr Krankenbett im Krankenhaus zum Büro um. Kümmerte sich von dort aus um jemanden, der von einer Berliner Ärztevermittlung nach Kamenz entsandt wurde. Insgesamt vertraten eine Kollegin sowie zwei Kollegen Birgit Kreische während der Krankheit. Dabei handelt es sich in der Regel um Ärzte im Ruhestand, die aber noch praktizieren dürfen. So lernten die Kamenzer Patienten im Lauf der letzten Monate drei neue Gesichter kennen. Gehalt und Logis vor Ort zahlt der erkrankte Arzt. „Doch das ist alles besser, als wenn die Praxis lange zugeblieben wäre. Ein riesengroßes Dankeschön deshalb an all meine treuen Patienten, die Kollegen vor Ort, die mich in vielfältiger Art unterstützt haben. Besonders danke ich aber auch meinen Mitarbeiterinnen Rica Dantz und Marion Lesche. Für Euer Verständnis, Eure aufbauenden Worte. Und für die Liebe und Geduld meiner Familie.“

Drei Dinge setzte sie sich direkt nach ihrem Unfall als Ziel: Wieder Auto fahren. Wieder arbeiten. Wieder Fahrrad fahren. Die ersten beiden sind bereits in trockenen Tüchern. Am Rest wird gearbeitet …