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„Ich bin kein Kanake“

Neben asylkritischen Aufklebern hat es bei Schollglas auch Beschimpfungen gegeben. Die Firma will reagiert haben.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Nossen. Afrim Gashi * ist aus dem Kosovo nach Deutschland gekommen. In Leisnig hat er 25 seiner 47 Lebensjahre verbracht, hier oder in der Nähe gelebt, gearbeitet, eine Familie gegründet. Er ist mit einer Deutschen verheiratet, hat drei Kinder. Zum Geldverdienen hat er seine Hände, sagt der Kosovare. Zimmererarbeiten, Reparaturen, notfalls auch putzen. Er sei geschickt, mache gerne handwerkliche Sachen.

Seit einiger Zeit wird dem Familienvater Arbeit über Deutschlands größten Personaldienstleister Randstad vermittelt. Im Oktober letzten Jahres kam er zu dem Technikunternehmen Schollglas nach Nossen. „Ich habe Fensterisolierungen erneuert, gemacht, was so anfällt, erinnert sich der Zeitarbeiter. „Mit den Kollegen war es teils schwierig, teils okay“, sagt Gashi. Einen Vorfall könne er jedoch nicht vergessen. Eine Frau aus dem Betriebsrat habe ihn unvermittelt als Kanake bezeichnet, soll hinterhergeschoben haben: „Ihr mögt doch eh nur blonde Frauen.“ Gashi ist zunächst geschockt. Einen Anlass für das Verhalten der Frau habe er nicht geliefert, nur seine Arbeit gemacht. Am nächsten Tag meldet er den Vorfall dem Schichtleiter. Von hier wird die Sache an die Werksleitung und die Geschäftsführung weiter gegeben, wie die SZ später erfährt.

Gibt es Konsequenzen? Falls ja, bekommt Afrim Gashi davon nichts mit. Mit der Frau hat er weiter täglich zu tun. Das Verhältnis sei nicht besser geworden. In der Folge hätten ihn nach eigener Aussage mindestens zwei weitere Mitarbeiter als „scheiß billigen Arbeiter“ bezeichnet. „Ich bin weder das, noch ein Kanake“, erzählt Gashi. Er könne diese Worte nicht nachvollziehen, sie verletzten ihn. „Wir sind doch alle gleich.“ Ende des vergangenen Jahres scheinen die Geschehnisse auch an Randstad weitergegeben worden zu sein. Zwar darf Helene Schmidt aus dem Bereich Kommunikation aus Datenschutzgründen keine Auskunft über Mitarbeiter geben, teilt aber mit: „Randstad distanziert sich ausdrücklich und in aller Form von jeglichem Handeln und Gedankengut, in dem Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Gewalt, Hass oder Respektlosigkeit zum Ausdruck kommen.“ Dafür erzählt Gashi, dass er von dem Personaldienstleiter informiert worden sei, nicht mehr in Nossen zu arbeiten. Das sei im Februar dieses Jahres gewesen. Er vermutet, die Entscheidung wurde auf ein Gespräch des Schichtleiters mit Rand-stad hin getroffen. Bestätigt ist das jedoch nicht.

Heute arbeitet Gashi nach SZ-Informationen bei einer anderen Firma, fühlt sich hier wohl. Doch warum vertraut er sich gerade jetzt der SZ an? Es habe mit dem Artikel über asylfeindliche Aufkleber bei Schollglas zu tun, begründet er. Mitte Februar hatte die SZ über den Fall berichtet. Während eines Werksrundgangs waren zwei Aufkleber mit flüchtlingskritischen Inhalten gefunden worden. Die Werksleitung distanzierte sich damals deutlich von fremdenfeindlichen Äußerungen und drohte in einem internen Schreiben Konsequenzen an. Die Geschäftsleitung lebe Internationalität und Weltoffenheit vor. Die Aufkleber habe man zeitnahe entfernt.

Der eher gelegene Fall von Afrim Gashi sei in der Zentrale bekannt, bestätigt ein Verantwortlicher von Schollglas Nossen am Telefon. Generell wolle die Zentrale aber zu Betriebsinterna keine Stellung beziehen. „Verfehlungen von beschäftigten Personen werden überprüft und soweit nötig, im Anschluss an eine Beratung arbeitsrechtliche Schritte eingeleitet“, heißt es in einer Stellungnahme. Es sei richtig, dass das Thema – gerade im Zusammenhang mit den gefundenen Aufklebern – diskutiert werden müsse. Ein generelles Problem mit Fremdenfeindlichkeit gebe es bei Schollglas jedoch nicht. Der Leiharbeiter sei inzwischen nicht mehr im Betrieb. „Die Beendigung des Einsatzes erfolgte aus Kapazitätsgründen vor wenigen Wochen.“

Welche Sanktionen gegen die Mitarbeiterin getroffen wurden und ob diese dem Betriebsrat nach wie vor angehört, teilt man nicht mit. Man wäge Maßnahmen je nach Einzelfall ab und bewege sich im rechtlichen Rahmen. Randstad-Sprecherin Helene Schmidt teilt ihrerseits mit: „Für die Einhaltung gegenseitiger Wertschätzung im Arbeitsumfeld gibt es bei Randstad einen Integrity Officer, bei dem namentlich oder anonym Verstöße gegen Geschäftsgrundsätze gemeldet werden können.“ Afrim Gashi hat davon bisher keinen Gebrauch gemacht. Er sei an seinem neuen Arbeitsplatz glücklich.

* Name von der Redaktion geändert.