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ICE mit Halt in Großenhain

Der Faschingsverein steht mit 40 in der Blüte. Er spendierte sich selbst ein Hammer-Geburtstagsprogramm.

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© Kristin Richter

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Wenn die K&K-Bahn bei der Schlüsselübergabe vors Rathaus fährt, dann hat das was zu bedeuten. Sie ist quasi mit der Kindergarde und Oberbürgermeister Mißbach die Testversion des ICE, der bald auf der Berliner Strecke durch Großenhain rollen wird. „Ich kämpfe darum, dass der Schnellzug hier tatsächlich haltmacht“, verkündet Sven Mißbach bei der Amtsübernahme durch den Folberner Carnevals Verein von der Bühne.

Leticia und Till sind dieses Jahr die Kindertollitäten; hinten: André der erste und Peggy die erste – das Prinzenpaar bei den Erwachsenen.
Leticia und Till sind dieses Jahr die Kindertollitäten; hinten: André der erste und Peggy die erste – das Prinzenpaar bei den Erwachsenen. © Kristin Richter

Doch jetzt, da die närrische Jahreszeit angebrochen ist, muss sich der Rathauschef außer Dienst vorerst mit einer Schaffnerkelle und einer Bahnerjacke begnügen. Denn weil er ja nicht mehr zu regieren braucht, stellen ihm die Karnevalisten eine Aufgabe: Er soll an der erneuerten Bahnstrecke die durchfahrenden ICE anhalten und „Kohle“ eintreiben. Damit der FCV am Aschermittwoch die Zeche für seine 40. Jubiläumssaison bezahlen kann. In einem Beutel hängen sie ihm schon mal einen großen Taschenrechner um, damit am Ende die Summe stimmt.

Das gefällt auch Hans-Günther Brosowski, der als Gründungsmitglied im Publikum vor der Bühne begrüßt wird. Der Quersaer freut sich, dass der Verein in kritischen Zeiten durchgehalten hat und nun mit 120 Mitgliedern stabiler denn je dasteht. Nachwuchssorgen gibt es nicht. Mit dem jährlichen Kinderprinzenpaar wird die nächste närrische Generation seit einiger Zeit besonders gewürdigt. Leticia I. und Till I. sind die diesjährigen Kindertollitäten. Die beiden Sechsjährigen seien schon seit der Krippe ineinander verliebt, heißt es. Leticia Dörschel und Till Markwardt können später mal stolz sagen, dass sie bei einem denkwürdigen Ereignis dabei waren. Denn sie dürfen am Abend in der Eröffnungsshow das große Prinzenpaar erscheinen lassen. Ein übergroßes Buch mit wiedererkennbarem Cover, die Chronik der Stadt Folbern, wird auf die Bühne gebracht. Heraus treten Prinz André I. und ihre Lieblichkeit Prinzessin Peggy I. Beide heißen Marschke und sind Polizeibeamte. André gehört zum Narrenkabinett und ist schon lange im Verein, seine Frau ist es seit vier Jahren. Für beide ist es eine große Ehre, gerade in der Jubiläumssaison dem närrischen Volk vorzustehen. Nicht nur vom Thron aus verfolgen sie das Best-of-Programm auf der Bühne. Prinz André spielt in drei Nummern selbst mit. So bei den legendären Baubudenrülpsen, mit Michael Raue und Stefan Klar. Gründungsmitglied Helmut Jurig muss den Lehrling machen.

Selbst der ICE-Gag taucht am Abend noch einmal auf. Der Schnellzug hat um 19.11 Uhr doch in Großenhain angehalten und den Elferrat „ausgeschüttet“. Als typische Reisende treffen sie an der Röder ein. Was danach folgt, ist eine brillante Abfolge bunter Tanznummern und deftiger Sketche. Vereinspräsident Dieter Riehmer zieht alle Register seines Könnens, er begeistert das Publikum als Inselpfarrer Ebbe Ebbesen auf dem Weg nach „Uhse Dom“. Auch als russischer Soldat strapaziert er die Lachmuskeln der Zuschauer in der prall gefüllten Remontehalle. Als Klaus Feldmaus in der Aktuellen Kamera nimmt er die künftige Jamaika-Regierungskoalition aufs Korn, die „Windräder mit Kohlebetrieb“ beschließt. In einer weiteren Nummer ist er an der Seite von Andrea Berg alias Gabi Förster deren betrunkener Waid-Mann. Wer da noch nicht Tränen lacht, tut es schließlich bei Victor und Mau, den heißen Konditoren des FCV, bei der Hexennummer mit den gruseligen Masken oder den nicht mehr wegzudenkenden Simultanübersetzungen von Gerd Vogt. Die Jungs vom Männer-Ballett zünden ein Feuerwerk an erstaunlichen Bewegungen zu feschen Hits. Als wäre das noch nicht genug für einen zauberhaften Abend, folgt zum Schluss eine gigantische Modenschau auf einem Laufsteg, der in den Saal hinein reicht. Mit Flügeln aus Blumenschmuck, CDs, Plüsch, Bierdosen und Boas präsentieren sich die Models, auch die männlichen, die unter tosendem Beifall in hochhackigen Schuhen laufen. Modezar Karl Lagerfeld würde vor Neid erblassen. Der Faschingsverein steht mit 40 in der Blüte seiner Jahre und hat sich und seinen Gästen eine Hammer-Geburtstagsshow geschenkt. Wie machen die das als Laien bloß, fragt man sich. „Also ich fand`s sehr, sehr lustig“, sagt Faschingsfan Andrea Kreisz. Zur internen Jubiläumsfeier in 14 Tagen wird das Best-of-Programm wiederholt.