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Hutbergbühne – quo vadis?

Der Kamenzer Stadtrat hat jetzt ein Strategiepapier für die Bühne abgenickt. Künftig sollen pro Jahr ein bis zwei Eigenveranstaltungen organisiert werden.

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© Uwe Soeder

Frank Oehl

Ach, war das schön. 15 000 Männer, Frauen und Kindern jubelten am Pfingstwochenende den Puhdys zu, obwohl die eigentlich recht emotionslos ihren Abschiedspart von der Hutbergbühne abgespult haben sollen, wie man hört. Allein mit diesem Gig hat sich die Saison auf der größten Freilichtbühne der Region für die Eigentümerin, die Stadt Kamenz, jedenfalls bereits gerechnet. Alles andere mag kommen, wie es will. Das Risiko trägt dann der jeweilige Veranstalter, und die Stadt streicht die vertraglich vereinbarte Miete ein. Nun, die Puhdys sind nun endgültig von gestern. Was aber kommt morgen? Der Stadtrat hat jetzt mehrheitlich ein Strategiepapier abgenickt, dass den durchaus bedrohlichen Titel „Hutbergbühne – quo vadis?“ trägt. Die SZ stellt es näher vor:

Was nimmt sich die Stadt für ihre Bühne grundsätzlich vor?

Sie ist ein wichtiges Aushängeschild der Stadt, das weit in die Region weist. Das soll auch nach den Puhdys so bleiben. Zugpferde müssen her, die deren Part übernehmen. Die Bühne muss in der Freiluftsaison mehrmals weithin hörbar bespielt werden. Das Ziel, so der Stadtrat mehrheitlich, sollten ein bis zwei Eigenproduktionen und drei bis fünf Vermietungen pro Jahr sein.

Wie ist die Konkurrenzsituation für die Bühne laut Strategiepapier?

Durchaus kritisch. Der Druck habe zugenommen, heißt es. Sowohl auf die Spielstätten als auch die Veranstalter – und dies insbesondere im Großraum Dresden. Wichtige Mitbewerber sind im Sommer die Junge Garde (5 000 Plätze) und vor allem die Messe-Außenrinne (9 000) und die Filmnächte, die in der Saison etwa zehn Konzerte für etwa 12 000 Stehplatz-Zuhörer anbieten können. Das schafft die Hutbergbühne nicht mehr. Hier hat die Stadt seit 2008 mehr als eine Million Euro in den sanierenden Ausbau investiert. OB Roland Dantz: „Für 5 000 Besucher wäre es billiger geworden, als für 10 000, die jetzt möglich sind.“ Wie aber kriegt man die Traversen voll?

Sollte die Stadt wieder stärker als Konzertveranstalter auftreten?

Kamenz hat sich in den vergangenen Jahren zurückgezogen und das Feld vor allem Radiosendern oder privaten Konzertveranstaltern überlassen. Wünschenswert wäre ein stärkeres Eigenengagement, heißt es, das aber viel Verwaltungs- und Organisationsaufwand und auch ein höheres Risiko mit sich bringen würde. Natürlich wäre es für die Stadt interessant gewesen, das 2013er-Geschäft mit Schlagerstar Helene Fischer auch allein oder auf der Basis einer 50:50-Prozent-Kooperation mit einem Fremdanbieter realisiert zu haben. So etwas kann aber auch schwer in die Hose gehen, wenn das Wetter nicht mitspielt.

Wie werden die Genrepotenziale für ein Hutberg-Engagement bewertet?

Sehr unterschiedlich. Im schnelllebigen Rock/Pop-Mainstream wird mit Vorlaufzeiten von einem Jahr gebucht, was schief gehen kann, wenn ein Komet (DSDS) schon wieder am Verlöschen ist. Deutscher Schlager geht gut, vielleicht mit Andrea Berg oder Andreas Gabalier? Die Volksmusik-Besucherzahlen sind bei Open Air dramatisch rückläufig. Die Kastelruther Spatzen hatten im vergangenen Jahr als Echo-Preisträger nur 1 000 Leute auf der Bühne. Die Zielgruppe reagiere besonders empfindlich auf schlechte Wetterprognosen. Die meisten Älteren gehen dabei kein Vorverkaufsrisiko ein, was die Planung erschwere. Dance/Hip-Hop habe zu wenig Potenzial, die Klassik ein zu hohes Wetterrisiko.

Könnte nicht das Ostrock-Potenzial mit Oldie und Evergreen die Lösung sein?

Das liegt in der Tat am nächsten. Mit der Firma Multiart soll weiter kooperiert werden, die gute Kontakte zu namhaften Bands aus der ostdeutschen Musikszene hat. Auch Revival-Bands z.B. mit Beatles, ABBA, Queen, ACDC und anderen könnten viele Besucher anziehen, heißt es.

Wie wird das Risiko bei eigenen Veranstaltungen eingeschätzt?

Je populärer ein Künstler oder eine Band ist, umso höher ist das finanzielle Ausfallrisiko. Wenn sich Künstlermanager berühmter Interpreten melden, muss meist schnell gehandelt werden, bevor der Mitbewerber zuschlägt. Das setzt gute Kenntnis der Musikszene voraus. Je nach Künstler oder Vertragsausfertigung könne da die monetäre Auswirkung bei Vertragsabschluss bis zu 500 000 Euro betragen, so das Strategiepapier. Der Stadtrat hatte es jedenfalls abgelehnt, die Befugnisse darüber allein dem OB, der nach wie vor auch das Kulturdezernat leitet, zu überantworten.

Wer soll über das Bühnenprogramm in Kamenz entscheiden?

Der Stadtrat glaubt fest an seine unausweichlichen Kompetenzen. Nur Bernd Goldammer und die Wählervereinigung Kamenz und Ortsteile haben damit Bauchschmerzen. Das sollte durch den Veranstaltungsbetrieb, der privatisiert werden könnte, auf direktem Wege mit den Künstleragenturen und nicht auf dem Wege der Kulturbürokratie entschieden werden, so Goldammer. Jetzt gilt: Gibt es Angebote, über die schnell entschieden werden muss, ist eine Stadtratsondersitzung möglich. In diesem Fall entfällt die Pflicht einer Vorberatung. Die Hauptsatzung wurde geändert.