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„Hundert wird man von allein“

Ilse Winkler aus Goppeln ist 100 Jahre alt geworden. Glückwünsche gab’s nicht nur von der Familie.

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© Frank Baldauf

Von Verena Schulenburg

Goppeln. Den Trubel um ihre Person nimmt sie gelassen. Von Nervosität keine Spur. Dabei wäre sie durchaus angebracht. Etliche Hände bekam Ilse Winkler am Montagvormittag gereicht. Umarmungen, dazu Herzenswünsche und einen riesigen Blumenstrauß vom Bürgermeister persönlich gab es zum runden Geburtstag. Christoph Fröse (parteilos) besuchte die 100-Jährige im Altenheim St. Clara in Goppeln, um zu gratulieren. Mit dabei hatte er sogar postalische Glückwünsche von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU).

Früher wohnte die Dresdnerin in Pieschen. Auf dem Foto, am Leisniger Platz aufgenommen, war sie etwa 20Jahre alt.
Früher wohnte die Dresdnerin in Pieschen. Auf dem Foto, am Leisniger Platz aufgenommen, war sie etwa 20Jahre alt. © /privat

Der Besuch der alten Dame war ein besonderer Moment für den Bannewitzer Rathauschef. Und das, obwohl er eigentlich öfter zu Geburtstagsgrüßen in der Gemeinde unterwegs ist. In Goppeln war Fröse allerdings erstaunt, als ihm Ilse Winkler mit ihrem Rollator entgegenlief. „Wer ist denn diese junge Frau?“, fragte er anerkennend mit einem Augenzwinkern. 100 Jahre sind der gebürtigen Dresdnerin nicht anzusehen. Wie macht sie das nur?

Schnell stellt sich heraus: Das Geheimnis ihres Alters ist gar keines. Auf die Frage, wie man so alt wird und dabei auch noch fit bleibt, grinst Ilse Winkler und sagt: „Das kommt von allein.“ Auf das hohe Alter habe sie nie bewusst hingearbeitet. Aber bequem war Ilse Winkler noch nie. Früher, erzählt die gebürtige Dresdnerin, sei sie im Turnverein gewesen. Regelmäßig Sport habe sie darüber hinaus jedoch nicht getrieben. Ihre Bewegung fand sie dagegen im eigenen Schrebergarten. Blumen pflanzen, Beete bewirtschaften. „Dort haben wir mit den Händen gewühlt“, erzählt sie. Und das vor allem an der frischen Luft.

Ihrer Heimatstadt ist Ilse Winkler immer treu geblieben. In Dresden-Pieschen hat sie ihre Ausbildung zur Lebensmittelverkäuferin absolviert, dort in demselben Beruf gearbeitet und auch dort gewohnt. Ihren ersten Mann, mit dem sie den gemeinsamen Sohn Dietmar hat, verlor Ilse Winkler im Krieg. Sie heiratete ein zweites Mal und bekam ihre Tochter Hella. Auch ihren zweiten Mann hat Ilse Winkler seit mehr als 20 Jahren überlebt. Der Wermutstropfen des hohen Alters. Dafür kann sie mit ihren 100 Lebensjahren auch allerhand neue Familienmitglieder vorweisen: vier Enkelkinder, zwei Urenkel und zwei Ururenkel. Mit ihrer Familie feierte Ilse Winkler ihren ersten dreistelligen Geburtstag am Nachmittag auf den Dresdner Lingnerterrassen. Aus Kaffee und Kuchen mache sie sich aber nichts. „Ich trinke lieber einen Schnaps.“ Das habe sie schon früher gern getan.

Seit 2011 lebt die sympathische Seniorin nun am Dresdner Stadtrand, im Altenheim St. Clara in Goppeln. „Ich wollte meinen Kindern nie zur Last fallen“, begründet sie die Entscheidung, von ihrer Dresdner Wohnung nach Bannewitz zu ziehen. „Hier geht’s mir auch gut“, erzählt sie und fügt schmunzeln hinzu: „Der Spaß ist doch überall zu Hause.“ Ihren Humor hat Ilse Winkler bis heute nicht verloren – und auch nicht ihren Kampfgeist. Selbst wenn mit 100 Lenzen die Wehwehchen nicht ausbleiben, über Kränkeleien beschwere sie sich nur selten, erzählt ihre Tochter Hella Maurus. Die 71-Jährige erinnert sich auch noch sehr gut an den Moment, als Ilse Winkler mit fast 93 Jahren einen Rollator bekam und dazu argwöhnisch sagte: „So etwas ist doch nur für alte Leute.“