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Hundert ist kein Alter

Eine Frau aus Kurort Hartha wird 100 Jahre alt. Hohes Alter ist nicht selten, wie auch eine 105-jährige Rabenauerin zeigt.

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© Egbert Kamprath

Von Hauke Heuer und Verena Schulenburg

Tharandt. Ihre Bettdecke schüttelt sie sich besser selbst auf. So wie sie es will. Dafür braucht sie keine Hilfe und schon gar nicht ihren Rollstuhl. Wer Margarete Heerklotz hier im Seniorenheim Lindenhof im Tharandter Ortsteil Kurort Hartha beobachtet, käme wohl nicht auf die Idee, dass sie am kommenden Sonnabend schon einhundert Jahre alt wird. Ein Alter, von dem die gebürtige Freitalerin allerdings nichts wissen will. „Sie werde doch erst 98, keine hundert, erzählt sie immer“, sagt Rosemarie Starke, lächelt und drückt ihre Mutter herzlich. Nein, das besondere Alter steht tatsächlich bevor und werde auch am Sonnabend gefeiert. „Die Familie kommt zum Sektfrühstück“, verrät die 77-Jährige die Pläne zur Sause und lacht: „Ich bin aufgeregter als das Geburtstagskind.“

Ein Familienfoto, das um 1944 entstanden ist. Margarete Heerklotz (l.) mit ihrem Mann Walter und der ältesten Tochter Rosemarie.
Ein Familienfoto, das um 1944 entstanden ist. Margarete Heerklotz (l.) mit ihrem Mann Walter und der ältesten Tochter Rosemarie. © Repro: E. Kamprath

So wie Margarete Heerklotz feiern immer mehr Menschen ihren 100. Geburtstag. Im Freistaat Sachsen leben nach Angaben des Statistischen Landesamtes 853 Männer und Frauen, die über hundert Jahre alt sind, Stand September 2016. Speziell im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge gibt es mehr als zwanzig Menschen, die dieses stolze Alter erreicht haben, Stand März dieses Jahres. Auch die Zahl derer, die über 90 Jahre alt sind, ist beachtlich: Zum Jahreswechsel 2015/16 waren es laut Statistischem Landesamt insgesamt 2 867 Menschen im hiesigen Landkreis, darunter 2 222 Frauen. Dass die Menschen generell älter werden, zeigt auch ein Blick auf die Altersstruktur. Am stärksten vertreten ist im Landkreis die Bevölkerungsschicht der 75- bis 79-Jährigen mit 16 288 Menschen. Zum Vergleich: Zu demselben Zeitpunkt waren im hiesigen Landkreis gut 247 000 Menschen gemeldet. Die Kommune im Landkreis, in der die meisten Menschen 90 Jahre oder älter sind, ist übrigens – vor Pirna – die Stadt Freital.

Es ist auch die Heimatstadt von Margarete Heerklotz. Sie wurde am 25. November 1917 in Freital geboren, wenn man das so sagen kann. Schließlich wurde ihre Geburtsstadt als solches erst vier Jahre später, nämlich 1921, gegründet. Gemeinsam mit ihrem Mann Walter, der allerdings schon vor mehr als 20 Jahren verstarb, bekam das Paar zwei Töchter, Rosemarie vor 77 Jahren und vier Jahre später Heidi. Lange Zeit arbeitete Margarete Heerklotz als Hefterin in der Kartonage in Freital, später auch als Paketzustellerin bei der Post. „Treppen rauf, Treppen runter, das hat sie bestimmt fit gehalten“, vermutet Tochter Rosemarie Starke. Ist es das Geheimnis ihres hohen Alters? „Vielleicht“, sagt sie.

Die angehende 100-Jährige war schon immer gern unterwegs, am liebsten an der frischen Luft. Nur selten war die Familie an den Wochenenden daheim. „Wenn sie sich bewegen kann, dann ging es ihr gut. Das ist auch heute noch so“, erzählt die Tochter. Von ihrem Bewegungsdrang konnten die rüstige Seniorin auch drei Knochenbrüche in den vergangenen Jahren nicht abhalten.

Margarete Heerklotz ist nicht die einzige Jubilarin in dieser Woche. Hildegard Richter aus Rabenau feierte am vergangenen Dienstag sogar ihren 105. Geburtstag. Bürgermeister Thomas Paul (CDU) und Rabenaus Ortsvorsteher Rainer Steyer ließen es sich nicht nehmen, am Morgen in das Altenheim am Markt zu kommen und gemeinsam mit der Seniorin zu frühstücken. „Wir sind sehr froh darüber, einem der ältesten Menschen, den es im Landkreis gibt, in unserer Stadt gratulieren zu dürfen“, sagte der Bürgermeister zu dem freudigen Anlass, auch wenn die Dame mittlerweile gesundheitlich eingeschränkt ist. Die 105-Jährige ist auf einen Rollstuhl angewiesen und kann kaum noch sehen, dennoch freute sie sich sichtlich über den seltenen Besuch an ihrem Ehrentag.

„Meine Schwiegermutter hat im Betrieb geholfen, bis es nicht mehr möglich war und sich trotz ihres Alters nie von etwas abhalten lassen – das hält rüstig“, berichtet ihr Schwiegersohn Peter Noske. Viele Menschen der Region konnten Richters Tatendrang in der Ende vergangenen Jahres geschlossenen Tankstelle an der Fernstraße in Karsdorf erleben. „Sie war die gute Seele hinter dem Tresen“, erinnert sich ihr Schwiegersohn.

Ihr Vater Reinhold Richter hatte die Tankstelle 1936 eröffnet. Später kam eine Werkstatt für Trabanten hinzu, die viele Fahrer der Region in Anspruch nahmen. Hildegard Richter betreute vor allem die Kunden und machte dabei immer eine gute Figur: „Einmal stand meine Schwiegermutter im Pelz hinter der Kasse – es war sehr kalt. So etwas hatten die Kunden in einer Tankstelle noch nicht gesehen“, erinnert sich Peter Noske und lacht.