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Freizeitpolizist muss ins Gefängnis

Das Amtsgericht Meißen hat einen 56-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Missbrauchs von Amtszeichen zu fast zwei Jahren Gefängnis verurteilt - der Anklage hätte Bewährung gereicht.

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© Ronald Bonß

Meißen. Wegen der sogenannten Festnahme eines Gerichtsvollziehers durch selbst ernannte Hilfspolizisten ist ein 56-Jähriger im sächsischen Meißen zu einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis verurteilt worden. Er hatte den Gerichtsvollzieher zusammen mit uniformierten Angehörigen eines „Deutsches Polizei Hilfswerks“ (DPHW) im November 2012 in Bärwalde bei Dresden gewaltsam festgehalten und zu fesseln versucht, als dieser Geld bei ihm eintreiben wollte. Der Gerichtsvollzieher musste anschließend in einer Klinik psychotherapeutisch behandelt werden und war 16 Monate lang nicht arbeitsfähig.

Der Vorsitzende Richter am Amtsgericht, Andreas Poth, sah in dieser „soweit ersichtlich“ einzigartigen Tat einen „Tabubruch“ und erkannte am Dienstag auf gemeinschaftliche Freiheitsberaubung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und dem Missbrauch von Amtszeichen.

Das DPHW wird mit den sogenannten Reichsbürgern in Verbindung gebracht, die die Bundesrepublik Deutschland und ihre Gesetze nicht anerkennen. Weil auch der Angeklagte die Legitimation des Gerichts wiederholt infrage stellte, wurde gegen ihn wegen ungebührlichen Verhaltens ein Ordnungsgeld von 300 Euro verhängt.

Mitangeklagt waren drei weitere Beschuldigte, die allerdings nicht im Gerichtssaal erschienen. Bei den Männern im Alter von 45 und 54 Jahren sowie einer 55 Jahre alten Frau handelt es sich um mutmaßliche Anführer des inzwischen aufgelösten „Deutschen Polizei Hilfswerks“. Der 45-Jährige aus Bärwalde soll sich in Belgien aufhalten und wird per Haftbefehl gesucht. Da auch das Paar aus Spremberg am Dienstag nicht zur Verhandlung erschienen war und auch nicht vorgeführt werden konnte, erließ Richter Andreas Poth auch gegen sie Haftbefehl.

Der 56-Jährige gelernte Elektromonteur gestand die „Festnahme“ des Gerichtsvollziehers. Die ganze Aktion war als „Schulungsvideo“ des DPHW aufgezeichnet worden. Die Festnahme sei allein aufgrund der Tatsache, dass der von ihm mitgeführte Vollstreckungsbescheid nicht unterschrieben gewesen sei, gerechtfertigt gewesen, argumentierte der Angeklagte, der von seinem Pflichtverteidiger keine Notiz nahm. Außerdem habe der Mann nur einen Dienst- und keinen Amtsausweis mit sich geführt.

Der Amtsrichter bezeichnete eine solche Rechtsauffassung als „frei erfunden“. Mit der Gefängnisstrafe ging er über die von der Staatsanwaltschaft geforderten zwei Jahre auf Bewährung hinaus. Insgesamt sähen sich Gerichtsvollzieher und Beamte verstärkt Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt, die Hemmschwelle sinke. „Es gilt, diese Latte wieder deutlich anzuheben“, begründete Poth die vergleichsweise harte Entscheidung. Der Angeklagte hat nun eine Woche Zeit, Rechtsmittel einzulegen.

Es war das erste von insgesamt drei Verfahren im Zusammenhang mit der Tat. In zwei weiteren Prozessen müssen sich jeweils vier weitere Mitglieder und Unterstützer des DPHW verantworten. Im Zuschauerraum und vor dem Gerichtsgebäude hatten sich rund drei Dutzend Unterstützer des Angeklagten eingefunden. Auch sie stellten die Legitimation des Gerichts und der Bundesrepublik insgesamt infrage. Der Richter hatte strenge Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. (dpa)