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Hohe Haftstrafe in NRW-Korruptionsaffäre

Paukenschlag im Gerichtssaal: Der Ex-Bau-Boss des Landes Nordrhein-Westfalen muss wegen Korruption hinter Gitter und wird an Ort und Stelle verhaftet. Der Richter nimmt kein Blatt vor den Mund.

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© dpa

Düsseldorf. „Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, aber das hier ist ein Fall für die Bazooka.“ Am Düsseldorfer Landgericht findet der Vorsitzende Richter Guido Noltze am Montag sehr deutliche Worte: „Wir sind wütend. Das hier ist kein Fall für Milde.“ Soeben hat er den Ex-Boss des größten Landesbetriebs Nordrhein-Westfalens wegen millionenschwerer Korruption zu langer Haft verurteilt.

Ferdinand Tiggemann, einst mächtiger Macher des landeseigenen Baubetriebs BLB, habe mindestens 178 000 Euro Schmiergeld kassiert, befindet das Gericht. Schaden für den Steuerzahler: Mindestens sechs Millionen Euro. „Wir gehen davon aus, dass wir hier nur den Gipfel des Eisbergs gesehen haben“, sagt der Richter.

„Einer der bestbezahlten Funktionsträger des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich federführend an einem kriminellen Komplott zu Lasten der Steuerzahler beteiligt“, urteilt Noltze. Wer in diesem Fall nicht wütend sei, solle aufhören, Richter zu sein. Seine Kammer verurteilt Tiggemann am Montag wegen Bestechlichkeit und Untreue zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft - das sind sogar eineinhalb Jahre mehr, als die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.

Und für Tiggemann kommt es noch dicker: Der einst mächtige Bau-Manager wird noch im Gerichtssaal verhaftet. Als sich nach der Urteilsbegründung schon alle erhoben haben, sitzt er wie versteinert auf der Anklagebank, hat seine Brille abgenommen und reibt sich die Augen. Hinter ihm steht schon der Justizbeamte, um ihn abzuführen.

Eine Stunde lang liest Richter Noltze dem Manager zuvor die Leviten: Der habe über etliche Jahre Informationen über anstehende Bauprojekte an einen mehrfach vorbestraften Berufskriminellen „durchgestochen“. So konnten bestens informierte Zwischenkäufer die fraglichen Grundstücke dem Land vor der Nase wegschnappen und mit Millionen-Aufschlägen weiterverkaufen.

Trotz seiner herausgehobenen Stellung mit einem Jahresgehalt von 232 000 Euro und erheblichen Pensionsansprüchen habe Tiggemann sich mit „dieser Gestalt“ eingelassen. Gemeint ist der inzwischen hinter Gittern gestorbene Immobilienmakler Johann G..

Auf seinen Bewirtungsquittungen habe Tiggemann nur dessen Alias-Namen „von Broleck“ vermerkt, wohl wissend, dass der echte Name in der gesamten Branche „verbrannt“ war. „Jemand, der so viel zu verlieren hat, lässt sich mit einem Berufskriminellen ein“, sagt Noltze.

Tiggemann habe während seiner Einlassungen mindestens elf handfeste Lügen aufgetischt. An seine Verteidiger gerichtet sagt Noltze: „Sie sind offenbar dem Irrtum erlegen, dass das Gericht alles glauben muss, was ihm an „alternativen Fakten“ präsentiert wird.“

Ein weiterer Komplize Tiggemanns, ein adeliger Rechtsanwalt aus Rheinland-Pfalz, wird zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und zur Zahlung von 200 000 Euro verurteilt. Er habe bei der Verteilung des Geldes als Strohmann zwar nur eine untergeordnete Rolle gespielt, dabei aber seine Stellung als Rechtsanwalt missbraucht, befindet das Gericht. Die Verteidiger hatten Freisprüche beantragt. Sie kündigen am Montag Rechtsmittel an und sind rasch verschwunden.

Vor sieben Jahren war die spektakuläre Korruptionsaffäre bei landeseigenen Bauprojekten in NRW öffentlich geworden. Zehn Monate lang wurde sie vor dem Düsseldorfer Landgericht aufgerollt. Auch beim Bau des Gerichtsgebäudes, in dem Tiggemann am Montag verurteilt wird, floss nach Überzeugung des Gerichts Schmiergeld. (dpa)