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Hoffnungsträger für die Gründerzeitstadt

Wieland Menzel ist der neue Denkmalchef im Rathaus Görlitz und der Erste, der sich nicht zunächst um die Altstadt kümmern muss.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Sebastian Beutler

Görlitz. Als die Sprache aufs Foto kommt, steht für Wieland Menzel fest: Auf dem Untermarkt, vor seinem Büro, will er sich nicht ablichten lassen. Die Wiederherstellung des einmaligen Häuserkomplexes rund um die Zeile haben seine Vorgänger ins Werk gesetzt, nicht er. Die Historische Altstadt ist in einer großen Kraftanstrengung in 25 Jahren saniert worden. Sicher: da und dort wird immer etwas zu tun sein. Aber Menzel spürt als neuer Chef der Denkmalbehörde in Görlitz stärker als seine Vorgänger, dass sein Hauptaugenmerk auf der Gründerzeitstadt liegen wird. Deswegen steht er nun oben an der Hilgerstraße, in der Innenstadt West.

Menzels Gespür mag auch damit zusammenhängen, dass er zuletzt im Amt für Stadtentwicklung nicht nur für die Fassadengestaltung zuständig war, sondern auch der Autor der Görlitzer Stadtumbau-Matrix ist. Eine Leitlinie, die Investoren oder Baueigentümern helfen soll bei der Frage: Was kann ich aus meinem Gebäude machen? Zwar kann sie als Elle für jedes Haus in Görlitz angelegt werden, doch vor allem ist sie mit Blick auf die Görlitzer Gründerzeitstadt entwickelt worden, auch auf Druck von Großvermietern hin. Seit sie vorliegt, scheiden sich an ihr die Geister. Die einen glauben, damit würde dem Teilabriss von Denkmalen Tür und Tor geöffnet, die anderen sehen darin ein flexibles Instrument, um einerseits die Denkmale zu erhalten, andererseits neue Nutzungen möglich zu machen. Dahinter steht die Sorge, dass sonst manches Gebäude in der Gründerzeitstadt auf Dauer nicht zu halten ist. „Es ist kein Instrument der Denkmalpflege, auch keine Genehmigungsgrundlage“, sagt Menzel, „aber es schafft schnell Orientierung.“ Abbrüche in der Gründerzeitstadt plant Menzel nicht. Ohnehin hat sich die Stadt dazu bekannt, die Gründerzeitstadt in ihrer Größe und Struktur grundsätzlich zu erhalten. „Es ist illusorisch, mit 30 Eigentümern einen quartierweisen Abriss zu koordinieren.“

Die aktuelle Diskussion um den Fassadensturz auf der Landeskronstraße oder um die Hartz-IV-Häuser von Kommwohnen in der Brautwiesenstraße und auf der Löbauer Straße geben Menzels Gespür auch ein tatsächliches Fundament. Und zugleich schwingt da immer die Hoffnung von interessierter Seite mit: Mit Menzel geht, was mit seinen Vorgängern Mitsching oder Vogel nicht machbar gewesen wäre. Das ist für einen Denkmalchef, zumal in Görlitz, eine gefährliche Losung, weil es ihn schnell in die Zwickmühle bringt: zwischen Nachgiebigkeit und Prinzipienfestigkeit. Menzel weiß um diese Stimmungslage und sagt klar: „Ich bin jemand anderes, aber die Denkmalpflege und der Denkmalschutz sind dieselben Themen wie bei meinen Vorgängern.“ Auch stünde ihm dasselbe Landesamt in Dresden zur Seite, und alle müssen sich nach denselben Gesetzen wie zuvor richten. „Der Rahmen ist also derselbe“, betont Menzel. Entscheidungen zurücknehmen, das schließt er aus.

Menzel hat sich an das Amt des Denkmalchefs herangepirscht. Der studierte Architekt arbeitete zunächst in einem Lückendorfer Architekturbüro, ehe er 2001 in die Görlitzer Stadtverwaltung wechselte. Die ganze Bandbreite des Stadtplanungsamtes lernte er in den Folgejahren kennen: Bauleitplanung, Innenstadtentwicklung, Fassadengestaltung. Acht Jahre wirkte er als ehrenamtlicher Denkmalpfleger in seinem Heimatort Dittelsdorf, der heute zu Zittau gehört. Dort ist er auch tief verwurzelt: im Heimatverein, in der Kirchgemeinde. Nun, nach 16 Jahren und in der Mitte seines Berufslebens, wollte er noch einmal etwas Neues wagen und bewarb sich als Nachfolger von Mitsching. Erfolgreich. Der Görlitzer OB Siegfried Deinege lobt vor allem seine Fähigkeit, „komplexe und anspruchsvolle Prozesse bei der Umsetzung des Denkmalschutzes sehr gut einschätzen“ zu können.

Er selbst sieht sich weder als „Buhmann“ noch als „Verhinderer“. Stattdessen will er mit den Bauherren frühzeitig reden, einen Gesprächsfaden suchen, schon bevor der Genehmigungsprozess beginnt und auf diese Art und Weise möglichst Streit verhindern. Ob das immer möglich ist, wird die Zukunft weisen. Ein paar harte Nüsse hat er geerbt. Darunter ist das Görlitzer Kaufhaus, bei dessen Revitalisierung immer wieder Auseinandersetzungen zwischen dem Lübecker Bauherrn und der Denkmalpflege kolportiert werden. Menzel will den Einzelfall gar nicht kommentieren, sagt aber: „Das Problem ist eben, dass manche Häuser nur für den einen Zweck errichtet wurden“. So eben auch das Kaufhaus mit einem wunderschönen Lichthof, der aber nur zum Staunen und nicht als Verkaufsfläche dient.

Doch wenn auch Menzel neue Akzente setzen will und muss, in einem stimmt er mit seinen gleichermaßen geachteten, gefürchteten und umstrittenen Vorgängern überein: Denkmalpflege ist nicht nur Aufgabe des Sachgebietes, das er leitet. So will er die Denkmalpflege in die Breite tragen, aus der Ecke von ein paar „Verrückten“ herausholen, die Arbeit mit den ehrenamtlichen Denkmalpflegern wieder intensivieren. Um selbst an Rückhalt zu gewinnen, aber vor allem das Ansehen der Denkmalpflege in Görlitz hochzuhalten, auch in Zeiten, wo es weniger Fördergelder zu verteilen gibt, also heutzutage. Denn schmerzlich werden von den Bauherren die Gelder der Altstadtstiftung vermisst. Aber vielleicht findet er ja Wege, um deren Arbeit in bescheidenerem Maße als bislang fortzusetzen. Das ist Menzels größter Wunsch.