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Hörgenuss oder nervige Beschallung?

In der Pirnaer Altstadt tobt der Sängerkrieg. Die Lieder des jungen Tschechen kommen nicht bei allen gut an.

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© SZ/Mareike Huisinga

Von Mareike Huisinga

Pirna. Er gibt alles. Der junge Mann sitzt auf der Bank in der Dohnaischen Straße. Die Gitarre fest in den Händen, schmettert er aus voller Kehle tschechische Lieder. Ein zweiter Caruso? Jedenfalls hört man seine Stimme bis in die Seitenstraßen. Der Straßenmusikant aus Usti nad Labem bereichert seit mehreren Wochen die Flaniermeile in der Pirnaer Altstadt. Er ist hartgesotten. Auch strömender Regen lässt ihn nicht verstummen.

Ob dieser Kunstgenuss allerdings wirklich als Bereicherung angesehen wird, muss bezweifelt werden. Viele Händler sind schlichtweg genervt. „Er singt immer dieselben Lieder. Für mich hört sich das eher nach einem Gejaule an“, sagt Ines Geisler. Sie ist die Besitzerin des Antikladens in der Schössergasse und kann nicht verstehen, dass die Stadtverwaltung so etwas duldet. Ihr Vorschlag: „Dann sollte er sich doch zumindest auch mal vor das Rathaus stellen, damit die Leute dort wissen, wie nervig sein Gesang ist.“ Auch Verkäuferin Jacqueline Rentsch vom Trikot-Express zweifelt beziehungsweise verzweifelt an dem Repertoire des jungen Sängers. „Er kann nur zehn Lieder, die er ständig wiederholt und dabei auch noch falsch singt“, stellt sie fest. Gegenüber ihres Geschäftes verkauft Jens Weinhold Sportbekleidung. „Die Musik ist auf Dauer und dieser Lautstärke einfach unerträglich“, urteilt er.

Unterdessen scheint es in der Dohnaischen Straße zum Sängerkrieg zu kommen. Denn oftmals am Vormittag geben ein Akkordeonspieler sowie der tschechische Straßenmusikant ihre Gaben zeitgleich zum Besten. „Dann versucht der Sänger das Akkordeon mit seiner Stimme zu übertönen“, musste Weinhold schon feststellen. Er spricht deshalb von Geschäftsschädigung und habe bereits das Ordnungsamt informiert.

Das bestätigt Pirnas Stadtsprecherin Jekaterina Nikitin. „Wir haben Hinweise von Unternehmern und Händlern erhalten.“ Mitarbeiter des Ordnungsamtes seien daraufhin an den jungen Mann mit der bitte herangetreten, den Standort öfter zu wechseln. Ein amtliches Plazet braucht der junge Belcanto in Pirna übrigens nicht. Die Straßenmusiker benötigen für ihre Auftritte keine spezielle Erlaubnis von der Stadtverwaltung Pirna. „Sollte der Musikant länger als eine Stunde an einer Stelle singen, kann man sich an das Ordnungsamt oder das Citymanagement wenden“, erklärt Jekaterina Nikitin.

Alexander Olah, der junge Sänger aus Usti nad Labem, ist freundlich und offen für ein Gespräch. So ganz kann er die Aufregung nicht nachvollziehen. Viele Passanten mögen seine Musik, sagt der 21-Jährige. „Na gut, es gibt natürlich auch immer welche, die etwas dagegen haben“, schränkt er ein. Am Tag verdiene er mit seiner Musik zirka 50 Euro. Er bezeichnet sich als professioneller Straßenmusiker, der schon viele Städte besucht und besungen hätte. Sein großes Ziel: Olah möchte gerne ins Showbusiness wechseln. Bis zu seiner Entdeckung wird er vermutlich Pirna treu bleiben. Jedenfalls plant er derzeit nicht, Besucher und Bewohner einer anderen Stadt mit seinem Gesang zu erfreuen. (mit stn)