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Hochzeit mit Hindernissen

Sie aus Lauba, er aus den USA, wohnen in Wien und wollen heiraten. Die Behörden hätten sie fast um ihren Tag gebracht.

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Von Gesine Schröter

Wir haben es geschafft! We did it! Neben dem Ja zueinander sind das die Worte, die Katharina Schniebs und Christopher Eldridge an diesem Freudentag extra schön strahlen lassen. Gerade eben haben sie auf ihrem Traum-Hochzeitsfest im Löbauer Haus Schminke als ordentlich und rechtlich getrautes Paar das für Katharina so wichtige Kuchenbuffet eröffnet. Es ist der glückliche Ausgang eines monatelangen Dokumenten-Krimis zwischen Wien, Berlin – und Löbau. Das, was sie mit den Papieren erlebt hatten, „geht sehr an der Lebensrealität junger Paare vorbei“, sagt die aus dem Lawalder Ortsteil Lauba Stammende, die seit drei Jahren mit Christopher in Wien wohnt. Sie hält einen dicken Ordner hoch. „Wir hatten zwischendurch an der Unsicherheit, ob wir es schaffen, ganz schön zu knabbern.“

Dabei klingt zunächst alles so romantisch. Im November 2013 verloben sie sich, auf dem Sarstein im österreichischen Salzkammergut. Schnell ist klar: Die standesamtliche Trauung soll in Wien, die kirchliche in Katharinas Tauf- und Konfirmationskirche in Lawalde stattfinden. Auch in Sachen Festort sagt die Verlobte bald: „Ich muss eigentlich nicht weiter überlegen.“ Als Eventmanagerin in der Kulturbranche und 20er-Jahre-Liebhaberin kann es kaum Passenderes geben als Haus Schminke. Der Ort steht Ende 2013 fest, das Datum nicht.

Im Januar beginnt der Behörden-Marathon. Das Wiener Standesamt benötigt von beiden ein sogenanntes Ehefähigkeitszeugnis. Es stellt fest, dass der Ehe zwischen ihnen als nicht-österreichischen Staatsbürgern nichts im Wege steht, zum Beispiel eine andere Ehe in einem anderen Rechtsraum. Christopher bekommt beim US-Konsulat in Wien binnen 20 Minuten und für 70 Dollar ein entsprechendes Dokument. Auch Katharina denkt zunächst, das Beschaffen des Zeugnisses wäre ein Leichtes. Für sie als Auslandsdeutsche ist das Löbauer Standesamt zuständig, da Katharina hier noch einen Wohnsitz hat. In Deutschland wird aber nicht nur geprüft, ob die antragstellende Person ehefähig ist, sondern auch die oder der Verlobte. Ab da wird es kompliziert: Denn Christopher ist erstens US-amerikanischer Staatsbürger und zweitens schon einmal geschieden – in den USA.

Also müssen, wohlgemerkt für Katharinas Ehefähigkeitszeugnis, Christophers Geburts-, Heirats- und Scheidungsurkunde aus den USA her, plus Apostille, dem Siegel, dass die Dokumente für internationales Recht zu gebrauchen sind, sowie die Übersetzung – für entsprechend viel Geld.

Mittlerweile ist März, und im Wiener Standesamt gibt es nur noch drei Termine: Christopher und Katharina entscheiden sich für den spätesten, den 16. Juli. Trotzdem sollte es eng werden. Denn die Justizsenatsverwaltung in Berlin muss das Urteil über Chris’ Scheidung noch prüfen. Dafür seien mehrere Passkopien von ihm und seiner Ex-Frau notwendig, hieß es, um ihre Staatsangehörigkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit zu dokumentieren. Christopher hätte also nach 15 Jahren Schweigen seine Ex-Frau kontaktieren müssen – für ihn aus persönlichen Gründen unmöglich. Er weigert sich. Erst da stellt sich heraus: Es gibt noch einen anderen Weg zu Katharinas Ehefähigkeitszeugnis: Dasselbe US-Gericht, von dem Chris’ Dokumente kamen, kann auch die Rechtskräftigkeit des Scheidungsurteils bestätigen. Das wäre gleich mit dem ersten Durchgang möglich gewesen.

Auskunft über solche Möglichkeiten geben müsste das Standesamt in Löbau. Doch das habe, so Katharina, darauf bestanden, alle Anträge der Reihe nach zu bearbeiten. Sie rotiert von Wien aus, erkundigt sich, ob Löbau noch etwas benötige. „Aber es gab weder Empfangsbestätigungen meiner
E-Mails noch zügige Antworten auf meine Nachfragen“, erzählt sie. Dass das Amt sich so schwergetan habe, die Lücke an eigenen Erfahrungswerten mit so einem Fall zu schließen, sei aber bereits verwaltungsintern ausgewertet.

Die Zeit läuft weiter. Nach sechs Monaten wären die Dokumente zu alt gewesen, alles hätte von vorn begonnen und erneut bezahlt werden müssen. Die standesamtliche Heirat drohte, ins Wasser zu fallen.

Das Finale des Krimis dann drei Wochen vor dem Trauungstermin: Damit die endlich fertigen Unterlagen nicht die langsame Postroute Berlin-Wien-Löbau-Wien nehmen, fliegt Christopher Ende Juni von Wien nach Berlin, nimmt die Dokumente in Empfang, lässt dabei noch einen entscheidenden Fehler ausbessern, den er entdeckt. Dann fährt er im Mietwagen nach Löbau, wo das Standesamt bis zum nächsten Tag das Ehefähigkeitszeugnis ausstellt – ausnahmsweise. Zurück in Wien muss noch alles übersetzt und bestätigt werden.

Kaum zu glauben für Katharina und Christopher, als sie um circa 2 000 Euro und viele Nerven ärmer am 7. Juli im Wiener Standesamt sitzen. Eine Beamtin blättert ruhig alles durch, sagt nach zehn Minuten: „Alles in Ordnung“, und ein offizielles Blatt bestätigt die neun Tage später stattfindende Trauung.

Trotz aller Schweißperlen haben die beiden ein Fest im Haus Schminke auf die Beine gestellt, das so entspannt und ausgelassen ist, wie es sich das Brautpaar immer gewünscht hat. Nicht nur für die Gäste aus Österreich, Schweden, den USA und anderen Ländern, die laut Katharina „garantiert noch nie hier waren“. Es ist auch ein Familienfest für die Region, und für die Unternehmer ganz nah um Familie Schniebs herum. „Vom Busunternehmen über den Getränkehändler bis zum Konditor kenne ich alle persönlich“, sagt die Braut. „Sozusagen jede Kuchenplatte.“ Dass dieses Fest fast von so viel Bürokratie getrübt worden wäre, hätten sie sich niemals träumen lassen.