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Hochglanz und Wirklichkeit

Der Hamburger Hof verkommt immer mehr zur Ruine, die neuen Besitzer haben aber auch eine Vision – im Computer.

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© Repro/SZ

Von Udo Lemke

Meißen. Dort, wo die Mauer an das Hinterhaus von Kurt Schönthiers Grundstück auf der Kurt-Hein-Straße 5 stößt, zeigt sich ein großer nasser Fleck. Die Mauer gehört zu einem Garagenkomplex und der gehört zum Hamburger Hof. „Da habe ich oben schon eine Lage Dachpappe langgezogen, weil die Nässe schon in die Wohnung zieht.“ Nicht viel besser steht es um den anschließenden Flachbau. „Das sind die Kegelbahnen, da stehen sogar die Kegel noch.“ Und das seit mehr als zwanzig Jahren, wäre hinzuzufügen. Denn so lange schon verwahrlosen der Hamburger Hof und seine Nebengebäude.

Anwohner Kurt Schönthier zeigt auf die Birken, die auf den Dächern der Nebengebäude des Hamburger Hofes wachsen.
Anwohner Kurt Schönthier zeigt auf die Birken, die auf den Dächern der Nebengebäude des Hamburger Hofes wachsen. © Udo Lemke

Davon weiß auch Nachbarin Petra Metzger vom gleichnamigen Raumausstatter in der Kurt-Hein-Straße 3 ein Lied zu singen: „Von der alten Kegelbahn fallen ständig Steine bei uns aufs Dach, und die Wand ist nass.“ Noch weiter vor, Richtung Dresdner Straße, zeigen sich Folienbahnen am Bau der alten Kegelbahn. „Für rund 2 000 Euro hat einmal eine Firma die Folie angebracht, damit keine Steine und Putz herunterfallen und die Kinder im Hof spielen können“, weiß Kurt Schönthier.

Nun gibt es aber neue Besitzer des Hamburger Hofes, lautet der Einwand: „Das sind alles Spekulanten für mich. Die haben entweder kein richtiges Interesse am Hamburger Hof oder kein Geld oder beides nicht.“ Viele Immobilienkäufer würden nur auf den Grund und Boden, auf die Grundstücke spekulieren, „aber auf dem Hamburger Hof liegt ja Denkmalschutz, da ist es nicht ganz so einfach“.

Dass der 1896 errichtete Gebäudekomplex, der 1929 noch einen Saalanbau im damals hochmodernen Bauhausstil erhielt, sehr wohl auf der Denkmalschutzagenda im Land steht, zeigte sich im August. Da war am 18. mit Prof. Rosemarie Pohlack die Landeskonservatorin, also die oberste Denkmalsschützerin im Freistaat, vor Ort. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) sah sie sich den Hamburger Hof an.

Weil der derzeitige Besitzer, die niedersächsische Wert-Investition und Bauträger GmbH, die zur Verfügung stehende Summe von 750 000 Euro zur Sicherung des Komplexes mit der Begründung, schnell bauen zu wollen, ablehnte, verfiel die mögliche Fördersumme. Auf Nachfrage erklärte Landeskonservatorin Pohlack, dass es sich bei dem zur Verfügung gestellten Geld nicht um Denkmalförder-, sondern um Städtebaufördermittel gehandelt habe. Deshalb sei nicht das Landesdenkmalamt, sondern das sächsische Staatsministerium des Innern (SMI) der mögliche Geldgeber. Und: „Ja, es gab einen Termin mit dem OB in Meißen. Vom SMI war ich befugt mitzuteilen, dass eine erneute Antragstellung auf Förderung für den Hamburger Hof möglich wäre.“

Auf Nachfrage bei der Stadtverwaltung erklärte Sprecher Philipp Maurer: „Im Moment prüfen wir, gemeinsam mit der Sächsischen Aufbaubank und dem Investor, ob die Mittel für den Hamburger Hof noch einmal beantragt werden sollen.“ Abgabefrist eines möglichen Antrages ist der 28. Februar kommenden Jahres. Und der Investor? Was ist von der niedersächsischen Wert-Investition und Bauträger GmbH mit Sitz in Sarstedt, südlich von Hannover, zu hören?

Nichts. Seit Wochen wird man telefonisch von der Vorzimmerdame abgewimmelt, und auch auf E-Mails gibt es keine Antwort. Dabei liegen die Fragen an die beiden Geschäftsführer Alexander Mause und Werner Strör auf der Hand: Gibt es neue Entwicklungen beim Hamburger Hof? Gibt es konkrete Pläne oder Termine für Um- und Ausbau bzw. für den Beginn von Bauarbeiten? Fragen, auf die auch viele Meißener gern eine Antwort hätten. Eine Entwicklung hat es allerdings wirklich gegeben. Den Internet-Auftritt des Unternehmens ziert eine Computervisualisierung. Sie zeigt den Hamburger Hof als schickes Senioren-Pflegeheim (siehe Abbildung oben). Dass sich der Hambi allerdings unter der Rubrik „Referenzen“ findet, ist bewusste Irreführung. Denn unter Referenzen versteht man landläufig erfolgreich umgesetzte Projekte, mit denen ein Unternehmen für sich wirbt, in diesem Fall die Wert-Investition und Bauträger GmbH. Was den Hamburger Hof betrifft, so ist nichts umgesetzt. Im Gegenteil, sein Verfall ist bald um ein weiteres Jahr vorangeschritten.

Kurt Schönthier ist nicht nur sauer auf die neuen Besitzer des Hamburger Hofes, die nichts unternehmen. „Ich finde es auch seitens des Oberbürgermeisters nicht in Ordnung, dass hier seit mehr als zwanzig Jahren nichts passiert.“ Mittlerweile wachsen stattliche Birken auf den Garagendächern „und nachts laufen die Marder hier rum“. Und dann stellt er fest: „Wenn man so etwas kauft, muss man auch was draus machen!“

Nach SZ-Informationen sind die Besitzer mit zwei potenziellen Betreibern im Gespräch, die im Hamburger Hof ein Senioren-Pflegeheim betreiben wollen. Es ist nicht die erste Information dieser Art. Ob was dran ist, wird sich zeigen.