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Hochdruck-Hits aus den Highlands

Amy Macdonald überzeugt in Dresden eine frenetische Menge mit reifem Gute-Laune-Pop.

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© Robert Michael

Von Tom Vörös

Sie kann es sich wohl selbst kaum erklären. In Amy Macdonalds Musikwelt schäumen gerade im Hochsommer die Emotionen ungebremst heraus. Mittendrin, in der am Donnerstag prall gefüllten Jungen Garde, kristallisiert sich auf einmal völlig ungeniert einer der besten Luftgitarrenspieler Dresdens heraus. Und ganz vorne fängt plötzlich jemand an, bitterlich zu weinen. Das stimmt die Schottin nachdenklich. „Weinst du, weil es so schlecht ist?“, fragt sie ihren Fan und überlegt kurz. „Also ich habe jetzt mein viertes Album veröffentlicht, und nur eine Person weint. Das heißt, so schlecht kann es für mich doch gar nicht gelaufen sein.“

Womit sie durchaus recht hat. Die zierliche junge Dame mit ihren diesmal an den Knien feinsäuberlich zerrissenen Jeans montiert keine Hits vom Fließband, sondern überzeugt vor allem mit alten und neuen hörenswerten Erzeugnissen. Besonders die Lieder aus der Anfangszeit wissen erneut zu gefallen. „The Youth of Today“ zum Beispiel. „Den habe ich mit 15 geschrieben“, sagt die nun fast 31-Jährige, die inzwischen weder pausbäckig noch unbedarft daherkommt. Mittlerweile könnte sie – ihren Armen nach zu urteilen – auch auf der Dresdner Tattoo Convention Überzeugungsarbeit leisten. Ein wenig schade für Fans der ersten Stunde, denn nun tritt eine top geschminkte Amy Macdonald ins Rampenlicht und schmettert ihre Lieder derart beherzt, dass sie auf jedem Feuerwehrfest willkommen wäre. Irgendwann ist die Unschuld aus den Highlands eben auch mal Musikgeschichte.

Zusammen „scheise“ sein

Zumindest hat sie sich, im Sprechmodus, den charmanten schottischen Dialekt bewahrt. Und auch das Langzeitgedächtnis. So kann sie sich, das sagt sie jedenfalls, an bekannte Dresdner Gesichter vom Konzert in der Messehalle vor achteinhalb Jahren (!) erinnern. Präsenter ist natürlich dies: „Bei der WM war ich immer für Deutschland, auch weil unsere Mannschaft fast nie dabei ist“, sagt sie. „Aber ihr habt ja diesmal genauso ,scheise‘ gespielt wie Schottland. Jetzt können wir also zusammen ,scheise‘ sein.“ Das Publikum johlt und erfreut sich am Anblick einiger schottischer Flaggen.

Musikalisch kritteln an der gelungenen Show der zur Entertainerin gereiften Dame und ihrer auffallend jungen, doch sehr souveränen Begleitband können nur jene, die den eher melancholischen Weisen der Anfangstage zugeneigt sind. Das aktuelle Album „Under Stars“ kommt mitsamt der hörenswerten Hitsingle „Dream On“, sehr sonnig, aber nur wenig erhellend daher. Vielleicht kein Wunder, dass Amy stärker als andere gestandene Musiker viele ältere Ohrwürmer durch die Boxen schickt: „Mr. Rock & Roll“, „Poison Prince“ und natürlich „This is the Life“ kennt fast jeder, was sich auch im Publikum spiegelt. Irgendwie hatten es sogar einige Rock- oder Metalfreunde in die Junge Garde geschafft.

Gegen Ende singt sie im Lied „Beautiful Life“ darüber, die Welt in einem möglichst schönen Licht sehen zu wollen. Und ja, die Musik, die glücklichen Gesichter, die bunten Luftballons, es bleibt eine Nacht ohne dunkle Flecken. „Das ist meine erste Sommershow hier in Dresden, und ihr habt die Messlatte ganz schön hoch gelegt!“. Das Wort frenetisch ist nicht übertrieben. Manche haben bis dahin 90 Minuten durchgetanzt und Laola-Wellen befeuert. Schließlich scheint auch Amy Macdonald fast dazu bereit, sich mit „Prepared to fall“ in eine der dankbarsten Menschenmengen des Dresdner Konzertjahres fallen zu lassen.