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Geschichte muss ehrlich bleiben

Nächstes Jahr wird das 800-jährige Jubiläum gefeiert. Doch es gibt Streit darum, wer nun eigentlich der Jubilar ist.

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Von Anja Weber

Stolpen. In Stolpen bereiten sich die Einwohner auf ein großes Jubiläum vor, auf ein 800-jähriges. Hinter den hinter den Kulissen tobt ein Streit zwischen Historikern und denjenigen, die das fest vorbereiten. Streitpunkt: Das eigentliche Alter der Stadt Stolpen und was nun eigentlich gefeiert wird, besser gesagt, wer oder was nun 800 Jahre wird. Das ist eigentlich nur die Burg, sagen die Historiker. Und nicht Burg und Stadt zusammen, was ihrer Meinung nach der Slogan „Stolpen 800“ ausdrückt. Durch mehrere Stadtbrände gibt es keine Gründungsurkunde. Die Historiker gehen davon aus, dass nach der Zerstörung des Städtchens Jochgrim die Besiedlung am jetzigen Standort etwa 1429 begann, sagt Werner Förster. Er beschäftigt sich gemeinsam mit Siegfried Körner und weiteren Historikern mit dem Thema.

In einem Keller habe man eine Tafel mit der Jahreszahl 1470 gefunden. „Wir sagen also, die Stadt Stolpen ist circa 550 Jahre alt“, so Werner Förster. Auf jeden Fall, so bewiesen Aufzeichnungen, habe Stolpen im Jahre 1503 schon Stadtrecht besessen. Deshalb stößt ihn und auch die anderen Historiker sauer auf, dass im kommenden Jahr Stolpen 800 gefeiert werden soll, was das Jubiläum der Burg einschließt und ein Jubiläum der Stadt suggeriere. Auf den Titel hatte man sich offenbar verständigt, um den Streit ad acta zu legen. Doch das sei schlichtweg falsch, sagen Historiker. Sie haben Dokumente hervorgeholt und diese auch dem Vorbereitungskomitee präsentiert. Dort weiß man um den Streit. Und Burgleiter Jürgen Major hat extra für das kommende Jahr auch eine Ausstellung speziell zu diesem Thema geplant, um alle Seiten zu beleuchten. „Wer mehr darüber wissen wolle, der solle die Ausstellung auf keine Fall verpassen“, sagt Jürgen Major.

Allerdings fordern die Historiker schon im Vorfeld eine ehrliche Aufklärung, wie sie sagen. „Dazu muss aber auch die Werbung für die Festlichkeit in anderen Bahnen verlaufen“, sagt Werner Förster. Die Historiker verweisen aber auch darauf, dass sie niemanden die Feier streitig machen wollen. „Wir wollen nur Ehrlichkeit“, sagt Werner Förster. Und die Historiker mussten nicht lange suchen, um zum Beispiel Plakate aus dem Jahr 1968 zu finden. Da ist die Rede von 750 Jahre Burg Stolpen. Dieses Fest wurde im Juni 1968 begangen. Und deshalb müsste jetzt eben 800 Jahre Burg Stolpen gefeiert werden. Schon 1925 für 1918, 1968 und 1993 hätten die Stolpener Bürger das Jubiläum der Burg gefeiert. Nur aus Unwissen habe 1993 auf den Plakaten 775 Jahre Burgstadt Stolpen gestanden, vermutet Werner Förster. In Wahrheit hätte man auch damals 775 Jahre Burg Stolpen feiern müssen.

Versöhnlich stimmt die Historiker nun der Aufsatzband. Dieser ist auf Initiative des Stolpener Geologen Thomas Scholle und des Gewerbevereins in Zusammenarbeit mit vielen Historikern entstanden. In diesem Buch sei das Alter von Burg und Stadt genau nachvollzogen. So müsse das auch mit der Werbung für die Feierlichkeiten im kommenden Jahr geschehen, sagt Werner Förster. Nicht zuletzt fürchten die Historiker um ihren guten Ruf. Um den Frieden wenigstens etwas wiederherzustellen, hat sich das Organisationskomitee offenbar geeinigt, nicht mehr vom Stadtjubiläum zu sprechen, sondern ganz allgemein von Stolpen 800. Die Sammeltasse, die nun zum Weihnachtsmarkt am vergangenen Wochenende verkauft wurde, könnte nun allerdings bei einigen das Blut wieder in Wallung bringen. Denn die Jubiläumstasse trägt zwei Schriftzüge: Auf der einen Seite steht: 800 Jahre Burg Stolpen.