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„Hirschfelde ist nicht einfach zu regieren“

Ortsbürgermeister Bernd Müller wird an diesem Freitag 75 und äußert sich zu seinen Zukunftsplänen.

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© Matthias Weber

Von Jan Lange

Hirschfelde. In seinem Alter genießen andere ihren Ruhestand. Doch Bernd Müller, Hirschfeldes Ortsbürgermeister, will auch nach seinem 75. Geburtstag noch nicht kürzer treten. Im SZ-Interview erklärt er, wie lange er sich engagieren und welche Aufgaben er noch erledigen will.

Herr Müller, Sie werden diesen Freitag 75. Im kommenden Jahr stehen Kommunalwahlen an, Sie sind dann 76. Wollen Sie noch einmal antreten?

So lange man mir das Vertrauen schenkt und es die Gesundheit zulässt, würde ich versuchen, weiterzumachen. Ich fühle mich noch fit, und die Arbeit als Ortsbürgermeister macht mir nach wie vor Spaß.

Biographisches

Bernd Müller wurde am 9. März 1943 in Pirna geboren.

Er hat in Zittau studiert und kam 1967 nach Hirschfelde, arbeitete hier im Fettchemie-Werk.

Zu DDR-Zeiten war er Mitglied der NDPD, nach der Wende schloss er sich keiner Partei mehr an. Er kandidierte über die Jahre auf verschiedenen Listen, so für die CDU und die FDP, später für die Freien Bürger Zittau und bei der letzten Kommunalwahl für die Freien Unabhängigen Wähler.

Seit 2002 ist er Ortsbürgermeister von Hirschfelde.

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Sie sind der Älteste der Ortsbürgermeister. Besteht nicht die Gefahr, dass man denkt, Sie können nicht loslassen?

Man sollte nicht an seinem Sessel kleben. Als Vorteil sehe ich, dass ich über die Jahre viel Vertrauen bei den Bürgern, Vereinen, Betrieben und Handwerkern aufbauen konnte. Und ich kann auch auf eine langjährige Erfahrung verweisen. Als ich 1967 nach Hirschfelde kam, habe ich gleich im Bauausschuss mitgemacht. Wenn sich aber jemand anderer findet, ist es für mich kein Problem, die Aufgabe abzugeben.

Gibt es unter den aktiven Räten jemanden, der als Nachfolger infrage kommt?

Wenn ich das Thema anspreche, schauen alle nach unten. Es ist schon schwer, wenn ich mal Urlaub habe, einen Vertreter zu finden, der die Ortschaftsratssitzung leitet. Neue Mitstreiter zu finden, ist auch nicht leicht, da sich viele Bürger vor ehrenamtlicher Arbeit scheuen. Die Aufgabe des Ortsbürgermeisters ist für viele auch nicht attraktiv, weil man für die Bürger immer der Prellbock der großen Politik ist.

Es gibt also niemanden, der Ambitionen auf die Funktion hat?

Mir ist bisher nichts bekannt. Natürlich kann jeder Ortschaftsrat als Ortsbürgermeister antreten. In der ersten Sitzung nach der Wahl wird geklärt, wer diese Aufgabe übernehmen soll.

Aber ewig können Sie das Amt auch nicht ausüben?

Ja, irgendwann muss Schluss sein. Ich werde für die nächste Wahl den einen oder anderen jungen Hirschfelder ansprechen, ob sie für den Ortschaftsrat kandidieren wollen. Sie könnten später vielleicht die Aufgabe als Ortsbürgermeister übernehmen. Ich hoffe, dass es mir auch gelingt, den Anteil weiblicher Räte zu erhöhen. Von den derzeit sieben Räten ist nur eine Frau dabei.

Ist Ihre Frau dafür, dass Sie als Ortsbürgermeister weitermachen wollen?

Meine Frau hat mich immer unterstützt. Sie wickelt viele Telefongespräche ab oder macht Erledigungen für mich.

Sie haben bei der letzten Kommunalwahl 2014 auf der Liste der Freien Unabhängigen Wähler (FUW) kandidiert. Werden Sie das 2019 wieder tun?

Ich würde gern eine Hirschfelder Liste aufstellen. Aber dann müsste erst eine solche Wählervereinigung gegründet werden und man müsste Unterschriften sammeln, um bei der Wahl antreten zu können. Deshalb hatten wir uns schon bei den vorherigen Wahlen bestehenden Wählervereinigungen angeschlossen. Das war einfacher und man musste seine Ideale dafür nicht aufgeben. Wenn morgen beispielsweise die Feuerwehr sagen würde, sie tritt zur Wahl mit einer Liste an, dann könnten wir uns auch dort dranhängen. Wenn sich nichts anderes ergibt, werden wir wieder auf der FUW-Liste antreten – sofern sie uns noch wollen.

Würden Sie auch für eine Partei antreten, wenn diese eine eigene Liste für Hirschfelde aufstellt?

Nein, ich möchte mich keiner Partei unterordnen. Ich bin von den Bürgern gewählt und will mich von keiner politischen Richtung einspannen lassen. Anderen habe ich gesagt, dass sie selbstverständlich für Parteien kandidieren können, dass wir aber im Ortschaftsrat keine Parteipolitik machen. Das hat bei den bisherigen Räten, die einer Partei angehört oder für sie kandidiert haben, immer geklappt.

Bis zur Wahl sind es noch 15 Monate. Welche Aufgaben wollen Sie bis dahin erledigen oder wenigstens anstoßen?

Mein wichtigstes Ziel ist, ein altengerechtes Wohnen möglichst im Ortszentrum zu etablieren. Viele ältere Einwohner müssen, wenn sie sich nicht mehr selbst versorgen können, nach Zittau, Mittelherwigsdorf oder Ostritz umziehen. Auch der Zustand der alten Häuser macht mir Sorgen. Der Gesetzgeber lässt kaum Möglichkeiten, gegen die Eigentümer vorzugehen. Sie können sich damit herausreden, dass sie kein Geld haben und die Gebäude verfallen immer mehr. Ich bin nicht dafür, dass alles abgerissen wird, aber man sollte auch nicht jeden schiefen Balken erhalten wollen.

Aber Sie haben als Ortsbürgermeister auch einige Erfolge erzielen können?

Hirschfelde hat noch eine ordentliche Infrastruktur. So konnten wir die Sparkassen-Filiale erhalten, ebenso wie die Kaufhalle. Und auch bei der Lösung des Arztproblems konnte ich einen großen Teil beitragen.

Welche Voraussetzungen muss ein Ortsbürgermeister mitbringen?

Auf jeden Fall viel Zeit. Denn es ist ein Vollzeitjob. Wenn man die Aufgabe ordentlich machen möchte, ist das kaum neben einem regulären Job zu schaffen. Ich biete zwar regelmäßig Sprechstunden an, aber die Bürger haben meist Probleme, wenn keine Sprechzeit ist. Wenn man mit Mitarbeiter der Stadtverwaltung oder Baufirmen sprechen will, muss man das tagsüber machen. Jeder, der sich für diese Aufgabe interessiert, sollte auch wissen, dass Hirschfelde nicht einfach zu regieren ist. Es gibt verschiedene Wohnbereiche. Da ist der Nordpol, wo viele ehemalige Mitarbeiter der Fettchemie oder des Kraftwerks wohnen. Dann ist da das Zentrum mit seinem Handwerkerklientel und die Bahnhofsiedlung, wo ebenfalls viele frühere Angestellte der großen Betriebe wohnen sowie Rosenthal und Drausendorf. Alle unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach.