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Himmlischer Regelhüter

Beim Segelflug-Wettbewerb in Klix achtet Jürgen Müller darauf, dass alle 100 Piloten die Vorschriften beachten.

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© Wolfgang Wittchen

Von Daniel Klein

Klix. Der Blick in den Himmel verheißt nichts Gutes. Viele Wolken sind dort zu sehen, für geübte Segelflieger ein sicheres Indiz: Es gibt kaum Aufwinde. Die braucht man, um sich ohne Motorunterstützung in der Luft halten zu können. Für Jürgen Müller bedeutet die ungünstige Wetterlage ein bisschen weniger Stress. Die 100 Segelflugzeuge, die in diesen Tagen beim 26. Pokalwettbewerb auf dem Flugplatz in Klix bei Bautzen teilnehmen, bleiben heute am Boden. Der Sportleiter hat mal Zeit zum Durchatmen.

Streng sein muss Jürgen Müller nur bei Regelverstößen.
Streng sein muss Jürgen Müller nur bei Regelverstößen. © Uwe Soeder

Am Computer sitzt er trotzdem, studiert Wetterkarten für den nächsten Tag. Da sind die Aussichten zwar nicht gut, aber besser. Eine „indifferente Lage“ nennt der 57-Jährige das, als Segelflieger ist man automatisch auch Hobby-Meteorologe. Eigentlich leitet Müller ein Busunternehmen, seine große Leidenschaft ist jedoch das lautlose Gleiten durch die Lüfte.

Dazu kommt er in den neun Wettkampftagen nicht, er muss organisieren. Zu tun gibt es viel, der Wettbewerb, der früher mal Pokal der alten Langohren hieß, ist kein normales Sportfest, eher ein großes Familientreffen Gleichgesinnter. Die kommen aus ganz Deutschland, aber auch aus Dänemark, Schweden, Polen, Tschechien, Belgien und den Niederlanden. Anmelden kann man sich ab November, die meisten sind Wiederholungstäter, häufig gibt es Wartelisten. „Dann beginnen auch die Vorbereitungen“, erklärt Müller.

Landwirtschaftsbetrieb hilft beim Mähen

Alles ist hier eine Nummer größer. Bei den Sportgeräten reichen die Spannweiten bis 25 Meter. Das Spielfeld, also die Start- und Landewiese, misst 90 000 Quadratmeter, das sind umgerechnet zwölf Fußballplätze. Und die müssen gemäht werden. „Da hilft uns ein Landwirtschaftsbetrieb aus der Nachbarschaft, alleine würden wir das nicht schaffen“, erklärt er. Auch sonst gibt es Besonderheiten. Die Piloten kommen nie allein, bringen immer Helfer, meist Familienangehörige oder Freunde, mit. „Insgesamt sind dann 250 bis 300 Leute hier“, sagt Müller.

Die Nächte verbringen die meisten Teilnehmer in eigenen oder gemieteten Campingwagen, die direkt neben den Flugzeugen stehen. In den vergangenen Jahren erweiterte das Aeroteam Klix das Vereinsheim um einen Sanitärtrakt, baute eine neue Kläranlage. „Das war eine Auflage der Behörde“, sagt Müller.

Die gibt es auch fürs Fliegen. Darum kümmert sich in der Landesdirektion Dresden das Referat für Luftfahrt- und Binnenschifffahrt. Die Beamten kontrollieren, ob die Flieger bei der vorgeschriebenen Jahresüberprüfung, vergleichbar mit dem Tüv beim Auto, waren. Und ob die Piloten eine gültige Lizenz und ein medizinisches Attest vorlegen können. Ohne Papiere darf niemand abheben. Strenge Regeln gelten auch in der Luft. „Es gibt Sperrzonen, die nicht überflogen werden dürfen“, erklärt Müller, „etwa über militärischen Einrichtungen oder Kernkraftwerken.“ Darüber wacht wiederum die Deutsche Flugsicherung. GPS-Geräte in den 100 Flugzeugen senden alle vier Sekunden ein Signal, dadurch können die Orte, Geschwindigkeiten und Zeiten aufgezeichnet werden. Die sind wichtig für die Wertungen – und um Verstöße zu ahnden.

Es werden Strafpunkte verteilt

Der Sportleiter ist neben der Routenplanung auch fürs Einhalten des Regelwerks zuständig, verteilt, wenn nötig, schon mal Strafpunkte. „Meistens akzeptieren sie meine Entscheidungen“, sagt Müller und grinst. „Natürlich freut sich jeder Pilot über einen Tagessieg oder den Gesamterfolg, aber der Spaß steht bei uns eindeutig im Vordergrund. Hier wird nicht mit Messern zwischen den Zähnen geflogen.“

Das würde auch nicht passen zum Familientreffen, das mit den Landungen am späten Nachmittag längst noch nicht beendet ist. Es gibt einen Imbiss, eine Bar und abends Vorträge. In seinen Campingwagen verkriechen braucht sich niemand. Auch das muss alles gemanagt werden, rund 50 der 60 Vereinsmitglieder sind im Einsatz, manche täglich, manche nur, wenn es die Arbeit erlaubt. „Da stoßen wir allmählich an unsere Grenzen, es mangelt an Nachwuchs“, sagt Müller. Der Flugplatz liegt 20 Kilometer nördlich von Bautzen, da kommen Kinder und Jugendliche nur schwer hin.

Müller selbst begann als 15-Jähriger in Pirna mit dem Fliegen, wurde dann in die Bezirksauswahl nach Klix delegiert. Seitdem gehört er zum Verein, obwohl er in Stolpen lebt und dazwischen 55 Kilometer liegen. „Pirna wäre für mich viel näher, aber ich wollte hier nie weg“, sagt er und schaut zum Himmel. Das Wetter ist weiter indifferent.