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Hilfseinsatz in Nepal

Eine Zahnärztin aus Zittau und andere Freiwillige helfen in Asien den Ärmsten. Kein Arzt war vor ihnen dort.

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© privat

Von Holger Gutte

Zittau. Constanze Thümmler steht noch ganz unter den Eindrücken ihrer Nepalreise. Die Zittauer Zahnärztin ist nicht zum Urlaub in das kleine asiatische Land geflogen. Die 57-jährige gehörte zu einer Gruppe aus Zittau und Umgebung, die dort helfen wollte. Und zwar den Ärmsten des Landes. Dort, wo sonst kein Fremder hinkommt. Dafür haben sie ihren Urlaub geopfert und tragen die Reisekosten selber. „Wenn du aus so einem Land zurückkommst, siehst du erst, in welchem Überfluss wir leben“, sagt die Zahnärztin.

Bilder vom Hilfseinsatz

So karg sah das Hotel für das Hilfsteam aus.
So karg sah das Hotel für das Hilfsteam aus.
Ulrike Wittig vom Klinikum beim Blutdruckmessen.
Ulrike Wittig vom Klinikum beim Blutdruckmessen.
Mit einfachen Mittel wird Essen und Trinken zubereitet.
Mit einfachen Mittel wird Essen und Trinken zubereitet.
Das deutsch-nepalesische Hilfsteam.
Das deutsch-nepalesische Hilfsteam.
Wer nicht mehr zum Arzt laufen konnte, wurde von Angehörigen kilometerweit getragen.
Wer nicht mehr zum Arzt laufen konnte, wurde von Angehörigen kilometerweit getragen.
Auch in dieses Bergdorf im Nepal ist jetzt zum ersten Mal ein Arzt gekommen.
Auch in dieses Bergdorf im Nepal ist jetzt zum ersten Mal ein Arzt gekommen.

Als sie im Oktober zu sechst in den Flieger nach Nepal steigen, ahnt keiner von ihnen, was sie erwartet. Auch Ulrike Wittig nicht. 2014 hatte die 52-Jährige auf dem Weihnachtsmarkt in Görlitz die Herrnhuterin Elizabeth Huck kennengelernt. Zusammen entwickelten sie die Idee eines medizinischen Hilfseinsatzes. Die Nepalesin ist mit einem Deutschen verheiratet und lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Ihr Sohn ist hier aufgewachsen. Die Bindung zu ihrer Heimat hat sie nie verloren. Elizabeth Huck und ihr Mann Thomas organisieren seit 1997 Hilfsprojekte für Nepal und begleiten sie vor Ort. Einen Teil davon finanzieren sie aus Spenden, die sie über das Zentrum der Missionsbewegung „Jugend mit einer Mission“ in Herrnhut erhalten. Den christlichen Stützpunkt hat Thomas Huck 2004 mit gegründet und aufgebaut.

Ein medizinischer Einsatz ist aber auch für sie kein Alltagsgeschäft. Deswegen sind Hucks früher losgeflogen, um in Nepal alles zu organisieren. Die erste Woche zum Akklimatisieren in der Hauptstadt Kathmandu nehmen die Teilnehmer – zu denen Cornelia Mühl aus Mittelherwigsdorf, Martina Engemaier aus Dittelsdorf und Frank Hauck aus Olbersdorf gehören – unterschiedlich auf. „Die Stadt ist extrem laut – auch nachts – und voller Abgase“, schildert Constanze Thümmler. Kühe sind heilig und laufen überall rum. Doch um das zu sehen, war die Gruppe nicht dort. Sie will helfen. Auch wenn Constanze Thümmler die einzige Ärztin im Team ist, soll es ein medizinischer Einsatz werden.

Mit einem Jeep geht es zu ihrem Ziel in die Berge. Es wird eine sechsstündige Fahrt auf holprigen Straßen. In zwei Bergdörfern auf 1 600 Meter Höhe wollen sie ihre Patienten behandeln. Die Dörfer sind nicht groß. In Shreenakote leben zum Beispiel nur 120 Einwohner. Aber immer neun Dörfer sind zu einem Komitee zusammengeschlossen. So erreicht ihre Aktion immerhin die Menschen in 18 entlegenen Orten. Um ins erste Dorf gelangen zu können, wurde extra ein Weg hergerichtet, der so breit ist, dass ein Jeep darauf fahren kann.

„Als ich unser Hotel im Bergdorf sah, dachte ich, jetzt bin ich gespannt, was die Zittauer sagen“, erzählt Thomas Huck. „Da lagen noch mal Welten zwischen Kathmandu und dem Dorf.“ Einen kargen Wellblechverschlag ohne Möbel findet Huck vor. Umso herzlicher sind aber die Menschen zu ihnen. Freudig werden sie mit Tänzen, Liedern und Blumenketten empfangen. Die Einwohner wissen, warum sie da sind. Dank des Hilfseinsatzes kommt erstmals ein Arzt zu ihnen. Und da in Nepal die Gesetze geändert wurden, sogar zwei. Ausländische Ärzte dürfen dort nur noch behandeln, wenn ein nepalesischer Arzt dabei ist. Zahnärztin Constanze Thümmler werden ein Zahnarztkollege und ein Kardiologe zugeteilt. Elizabeth und Thomas Huck dolmetschen. Vieles muss improvisiert werden. Trotzdem findet jeder schnell seine Aufgabe. Auch die Teilnehmer, die keine medizinische Ausbildung haben. So muss jeder Patient zum Beispiel registriert werden. Die medizinisch-technische Laborassistentin vom Zittauer Klinikum, Ulrike Wittig, ist den ganzen Tag mit Blutdruckmessen beschäftigt.

Zu Fuß müssen sie ins nächste Bergdorf ziehen. In vier Tagen behandeln sie 554 Patienten. Constanze Thümmler zieht 68 Zähne. Eine 40-jährige Frau ist zu ihr gekommen, weil sie seit Tagen starke Schmerzen plagen. Aber sie will sich ihren Zahn nicht ziehen lassen. Dann stimmt sie doch zu und kommt am nächsten Tag voller Dankbarkeit wieder. „Für einen Europäer ist das komisch. Wenn die Leute dir vertrauen, schauen sie dir fest in die Augen, machen die typische asiatische Grußgeste Namaste und das gilt für sie als Behandlungsvertrag“, sagt die Ärztin.

Auf dem Rückweg besuchen sie ein kleines Waisenhaus. Die Kinder haben Aids. Ein großer Spender des Hauses ist kürzlich gestorben. Da kommt das zuvor in der Oberlausitz gesammelte Geld gerade recht. Jedes Kind darf sich ein individuelles Geschenk wünschen. Das wird dann von den Spenden gekauft.

„Die Reise war perfekt. So was passiert nicht einfach. Da spürt man Freude und Begeisterung im Herzen“, sagt Ulrike Wittig. Elizabeth Huck plant für 2017 ihr nächstes Hilfsprojekt. Dafür steht sie jetzt auf dem Weihnachtsmarkt in Görlitz an ihrem Stand und verkauft nepalesische Handarbeit. Der Erlös ist für Kinder in Nepal gedacht. Ulrike Wittig fliegt gern wieder mit. Constanze Thümmler auch – aber erst ein Jahr später. Für 2017 hat sie sich für eine Aktion von „Ärzte ohne Grenzen“ in der Mongolei beworben.

Infos zu Einsätzen unter: www.right-perspective.org