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Hilfe für die Ärmsten

Lydia Kügler hat zwei Monate auf einem Krankenschiff vor Togo in Afrika gearbeitet. Dass die Menschen nichts haben und trotzdem geben, hat sie verwundert.

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Von Juliane Richter

Als überdurchschnittlich große Frau ist die Partnersuche in Europa nicht unbedingt einfach. In Afrika hingegen spielt die Körpergröße keine Rolle. „Ich habe reihenweise Heiratsanträge bekommen. Auch von Männern, die mir nur bis zur Brust gingen“, sagt Lydia Kügler, die 1,86 Meter groß ist, mit einem offenen Lächeln. Viel entscheidender sei in Afrika ihre Herkunft gewesen, die Aussicht, eine reiche Frau zu heiraten.

Zwei Monate hat die 26-jährige Dresdnerin an der Küste von Togo verbracht. Allerdings nicht um Urlaub zu machen, sondern um ehrenamtlich als Krankenschwester auf einem Schiff der internationalen Hilfsorganisation Mercy Ships zu arbeiten. Das Schiff, die „Africa Mercy“, bietet medizinische Versorgung auf hohem Niveau: Es gibt sechs OP-Säle und rund 80 Betten. Das gesamte Schiffsinnere ist klimatisiert. „Die Stationen sind unter Deck. Das hat die Menschen, die sonst eigentlich den ganzen Tag im Freien verbringen, schon belastet“, sagt Lydia Kügler. Sie selbst hat auf dem Schiff eine Station mit 20 Patienten betreut. Alle in einem Raum und der Schwesternbereich mittendrin. „Es war immer laut und voll. In Deutschland kann man sich in sein Schwesternzimmer zurückziehen. Das ging dort nicht.“ Doch obwohl die Arbeit überaus anstrengend gewesen ist, hat die 26-jährige Krankenschwester gern vollen Einsatz gebracht. Während sie im St. Joseph Stift Dresden auf der Orthopädie-Station hauptsächlich Erwachsene versorgt, konnte sie sich an der Küste Afrikas intensiv um Kinder kümmern. „Häufig werden Operationen an Mund-, Kiefer- und Gaumenspalten vorgenommen.“ Ein überlebenswichtiger Eingriff. Zum einen, weil die Kinder sich oft nur schwer ernähren können. Zum anderen, weil die Bewohner mitunter denken, das Kind sei vom Teufel besessen. „Das Schiff ist für sie die letzte Hoffnung, damit sie von der Gesellschaft akzeptiert werden.“ Ähnlich ergeht es Frauen, die schon als Teenager Kinder zur Welt bringen und schwere Verletzungen im Intimbereich davontragen. „Die Männer lassen sie dann einfach in ihrer Hütte sitzen und suchen sich lieber eine gesunde Frau.“ Denn die Behandlung im Krankenhaus können sich die wenigsten Bewohner leisten. Für die Eingriffe auf dem Mercy Ship müssen sie nichts zahlen – allerdings kann nicht jeder behandelt werden.

Ausgewählte Patienten

„Bevor das Schiff in das jeweilige Land kommt, wird es beworben, und an einem angekündigten Tag werden die Patienten voruntersucht und ausgewählt. Die Enttäuschung der Abgelehnten zu sehen ... das könnte ich nicht ertragen.“ Lydia Kügler hat sich für die ehrenamtliche Arbeit entschieden, um Gutes zu tun und sich auch beruflich weiterzuentwickeln. Auf dem Schiff hat sie die Patienten auf die Operationen vorbereitet und im Nachgang betreut. „Manchmal haben wir auch einfach nur die Kinder etwas intensiver bespaßt, mit ihnen gespielt.“ Die größte Herausforderung war dabei die Sprache. Mitunter sprach sie auf Englisch mit einem Übersetzer, der es auf Französisch an einen anderen weitergab, der es letztendlich in die entsprechende Stammessprache übersetzte. „Ob das alles richtig ankam ... Auf jeden Fall war das das Mühsamste an der ganzen Sache“, erinnert sie sich zurück.

Trotz der Sprachprobleme haben sich Freundschaften entwickelt – nicht nur zu den Kollegen aus aller Welt, sondern auch zu Patienten. Der etwa fünfjährige Simon war ihr besonders ans Herz gewachsen. Der Waisenjunge wurde von seinem Onkel zu einer Leisten-OP aufs Schiff gebracht. „Sie haben mir dann einen geknüpften Schal zum Abschied geschenkt“, sagt sie mit leicht zitternder Stimme. Dass die Menschen vor Ort so gern geben, obwohl sie selbst wenig besitzen, hat sie zutiefst bewegt. „Und egal, wie schlimm auch ihre gesundheitliche Situation war, sie waren trotzdem immer lebensfroh und haben sehr zufrieden gewirkt.“