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Hilfe, die sich rechnet

Trendwende in der Entwicklungspolitik. Die setzt jetzt mehr auf private Firmen, um Afrikas Wirtschaft anzukurbeln.

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© 3Energy Unternehmensgruppe

Von Jonas Gerding

Da war sie wieder, eine weitere Schreckensmeldung aus Afrika: Die Zahl der Hungernden steigt wieder an, allein auf dem Nachbarkontinent sind 243 Millionen Menschen betroffen, warnte die UN. Alexander Kaiser möchte das nicht kleinreden. Und dennoch stört er sich an dem einseitigen Bild, das solche Nachrichten zeichnen. „Afrika ist ein unheimlich dynamischer Kontinent“, sagt der 36-Jährige, der eine Abteilung der Großschirmaer eab New Energy leitet, die erneuerbare Energieanlagen plant und unter anderem im ostafrikanischen Tansania installiert.

„Die Wirtschaft in Daressalam boomt“, sagt er über die Hauptstadt des Landes und rasselt ein paar weitere afrikanische Staaten herunter, in denen die Wirtschaft kräftig wächst. „Nicht nur dort sind engagierte Geschäftsleute, die wollen, dass ihnen auf Augenhöhe begegnet wird“, sagt er. Eine Anspielung auf so manche Entwicklungshelfer, die alles besser wüssten. Als privatwirtschaftlich organisiertes Unternehmen gibt eab New Energy keine Entwicklungsbudgets aus, sondern muss selbst Geld verdienen – und somit auch für Länder wie Tansania das produzieren, was auch wirklich nachgefragt wird.

Flucht lässt sich so nicht verhindern

Darauf setzt jüngst auch die deutsche Entwicklungspolitik. Sie vollzieht eine Trendwende – hin zu einer stärkeren Einbeziehung der Privatwirtschaft. Auch die Flüchtlingskrise hat zu der Überzeugung beigetragen, dass die alten Mittel der Entwicklungspolitik nicht mehr ausreichen würden. Auch viele Experten befürworten die Investitionen in Afrika, um die Wirtschaft anzukurbeln, Jobs zu schaffen und Lebensstandards zu erhöhen. Nur: Migration würde auch das nicht verhindern, im Gegenteil. Unterstützung könnten deutsche Unternehmen wie eab New Energy in Afrika durchaus gebrauchen.

Weltweit arbeiten rund 100 für 3Energy-Gruppe, zu der der Betrieb gehört. Insbesondere in Südamerika, aber auch für afrikanische Märkte entwerfen und errichten sie einzelne Anlagen bis zu ganzen Stromnetzen, die die Kraft von Wasser, Sonne und Wind in Energie umwandeln. Zwar hat das Unternehmen mittlerweile drei Büros in Südafrika. Wegen eines politischen Steuerskandals sind jedoch Ausschreibungen in Tansania eingefroren. In Kamerun geht es ohne Investor nicht weiter. Und in den Ländern der Sahel-Zone würden sie erst wieder aktiv werden, wenn sich die politische Lage verbessern sollte.

„Deutschen Unternehmen müsste ein Stück weit das Investitionsrisiko genommen werden“, wünscht sich Kaiser von der Politik. Helfen würden beispielsweise staatlich gestützte Versicherungsmodelle, rechtliche und wirtschaftliche Beratung sowie eine übersichtliche Struktur der deutschen Außenwirtschafts- und Entwicklungsförderung. Zumindest auf dem Papier zeigen die jüngsten Reformen in diese Richtung. Der „Marshallplan mit Afrika“ des vorherigen Entwicklungsministers beispielsweise ist auch ein Versuch, die Afrika-Politik transparenter zu gestalten – und besser zu koordinieren. Unter anderem sollen sogenannte Public Private Partnerschaften mit der öffentlichen Hand Unternehmern die Sorgen vor dem Schritt in unsicheres Terrain nehmen. Um staatliche Förderung zu erhalten, müssen sie ihre Geschäftsidee gemeinsam mit Partnern vor Ort durchführen. Im Schulterschluss bauen sie nun in Äthiopien Bambus an, errichten in Mosambik ein Filialnetz, das Equipment für Solaranlagen verkauft. Und in Uganda können Kleinbauern heute eine App nutzen, um ihr Geschäft mit Kaffee abzuwickeln.

Seit etwa einem halben Jahr hat Konstantin Kotsas von der IHK Chemnitz die Aufgabe, nach Unternehmen in Sachsen zu suchen, die für das Programm infrage kommen könnten. Bisher hat sich aus den Gesprächen des „EZ-Scout“ mit Unternehmern noch keine Partnerschaft ergeben. Die mittelständisch geprägten Betriebe der Region haben es schwerer als Großkonzerne, die sich auf mehr Ressourcen und international erfahrenes Personal stützen können. Viele Firmen fallen ohnehin aus dem Raster. „Die Unternehmen müssen einen Beitrag zur Entwicklung des Landes leisten und Sozial- und Umweltstandards einhalten“, sind einige der Anforderungen, die Kotsas auflistet.

Hier zeigt sich, wie schwer es ist, eine klare Grenze zwischen einer modernen Entwicklungszusammenarbeit, die vermehrt auch Unternehmen einbezieht – und rein privatwirtschaftlichen Investitionen zu ziehen. Da gibt es Firmen wie Sachsen Wasser, die in Tansania die Installation von Wiederaufbereitungsanlagen betreuen und IAK Agrar Consulting, die als Berater für landwirtschaftliche Projekte in Äthiopien und Kenia tätig waren. Beide Unternehmen haben nicht nur ihren Standort in Leipzig, sondern auch Förderungen im Rahmen staatlicher Entwicklungszusammenarbeit erhalten. Andere Firmen wie Braun Melsungen, die in Südafrika Medizintechnologie produzieren und vermarkten, sind hingegen auf eigene Faust unterwegs. Aber die wirtschaftliche Entwicklung vor Ort, die treiben sie alle voran.

Entwickeln muss sich Afrika selbst

Auch eab New Energy hat Lebensbedingungen verbessert, als sie in Ländern wie Tansania die Energieversorgung eines Krankenhauses sichergestellt hat, in dem sie die Wasserkraftanlage überholt und Solarmodule installiert haben. „Wir denken immer auch an die Wertschöpfungskette vor Ort“, sagt Kaiser. Er und seine Kollegen waren vor allem mit der Planung und Koordinierung vertraut und sind für die Installation selbst nur zwei Mal für jeweils drei Wochen angereist. „Wir sind darauf angewiesen, vor Ort Betreuer zu haben, die sich um den Service kümmern“, sagt er. Chinesische Wettbewerber würden oft die gesamte Belegschaft einfliegen. „Wir müssen ein alternatives Modell aufstellen, um unsere Mehrpreise durch andere Argumente zu rechtfertigen“, erklärt Kaiser die Anstellung lokaler Arbeiter. „Wir müssen Fachkräften eine Perspektive bieten, dann wird sich das Problem relativieren“, sagt er bezüglich der Migration nach Europa. Grundsätzlich begrüßt er daher eine Entwicklungspolitik, die stärker auf die Privatwirtschaft setzt.

Die Trendwende unterstützt auch Robert Kappel. Er ist Afrika-Experte am GIGA-Institut in Hamburg und lehrt an der Universität Leipzig, wo er einst den Arbeitsbereich „Politik und Wirtschaft“ leitete. Er wendet jedoch ein, dass viele Menschen erst abwandern würden, wenn sie einen gewissen Grad an Bildung oder Vermögen erreicht haben: „Migration wird stärker, desto stärker sich Afrika entwickelt“, sagt er. Und überhaupt: „Fluchtursachen lassen sich nicht bekämpfen“. Dafür gäbe es zu viele Regionen, in denen Menschen vor Dürren und Bürgerkriegen fliehen, sagt er: „Diese Probleme lassen sich durch Wirtschaftskooperation nicht lösen“.

Entwicklungsorganisationen wie Oxfam formulierten daraus ihre Kritik an einer Entwicklungspolitik für Konzerne, die klassische Hilfsprojekte vernachlässigen – und auf Kosten der Ärmsten gehen würde. Auch das relativiert Kappel. „Entwicklung herzustellen ist in erster Linie Aufgabe der Afrikaner“, sagt der Afrika-Kenner. „Wir können nur einen Beitrag leisten“.