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Hilfe, die Roboter kommen!

Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Deshalb muss sich auch im Landkreis Meißen einiges ändern, sagt Professor Tobias Kollmann.

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© dpa

Herr Prof. Kollmann, Sie kommen am 29. März 2017 in den Landkreis Meißen, um Unternehmern aus der Region das Thema digitale Wirtschaft nahe zu bringen. Warum ist das in einer Region, in der Stahlwerke, Weinbau und Druckmaschinen das Wirtschaftsleben dominieren, so wichtig?

Da geht es lang mit dem E-Business: Prof. Dr. Tobias Kollmann (46) ist Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik an der Universität Duisburg-Essen. Sein Forschungsschwerpunkt ist „E-Business“ und „E-Entrepreneurship“. Er hat mehrere Bücher
Da geht es lang mit dem E-Business: Prof. Dr. Tobias Kollmann (46) ist Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik an der Universität Duisburg-Essen. Sein Forschungsschwerpunkt ist „E-Business“ und „E-Entrepreneurship“. Er hat mehrere Bücher © netSTART.de

Weil alle Branchen und damit alle Unternehmen, auch im Landkreis Meißen, sich mit dem Thema Digitalisierung befassen müssen. Es gibt keine Trennung mehr zwischen einer realen und einer digitalen Wirtschaftswelt. Online-Marktplätze für Stahlprodukte, E-Commerce für Weinerzeugnisse und der 3-D-Druck werden auch die regionalen Unternehmen beeinflussen. Deswegen möchte ich beim 6. Wirtschaftstag vom Landkreis Meißen dafür werben, sich jetzt aktiv mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen.

Es sieht so aus, als ob Deutschland ohnehin keine Chance mehr hat. Das Internet und die Digitalwirtschaft werden von US-Konzernen wie Google, Facebook oder Apple dominiert. Kann sich daran wirklich noch etwas ändern?

Die erste Halbzeit gerade im B2C-Bereich (Wirtschaft-Konsumenten) scheinen wir in der Tat verloren zu haben. Umso mehr gilt es, die zweite Halbzeit im B2B-Bereich (Wirtschaft-Wirtschaft) besser anzugehen. Dafür haben wir auch noch gute Chancen, denn unsere realen Weltmarktführer aus Mittelstand und Industrie haben hier noch den Zugang zu Märkten und wenn es ihnen gelingt, diese auch digital zu bespielen, dann könnten wir die zugehörigen Plattformen im Netz aufbauen, die eine weltweite Online-Relevanz erlangen können.

In ihrem Buch „Deutschland 4.0“ stellten Sie fest, dass es bei uns zu wenig „digitale Köpfe“ gibt. Die lassen sich doch nicht einfach herbeizaubern?

Digitalisierung bedeutet leider nicht nur das Drücken eines Knopfes in einem IT- oder EDV-System. Es wird das digitale Know-how rund um den Aufbau von elektronischen Geschäftsmodellen und -prozessen in den Köpfen der handelnden Akteure benötigt. Der Schlüssel hierfür ist mittel- und langfristig eine themenbezogene Aus- und Weiterbildung sowie kurzfristig die Kooperation zwischen Mittelstand und Industrie mit den vorhandenen digitalen Köpfen in den Start-ups.

Noch mal zu den Plattformen: Was kommt nach Amazon und Uber? Wird künftig alles, was wir kaufen oder auch erleben, digital geschehen oder zumindest digital unterstützt? Oder haben Sie noch andere, vielleicht sogar gegenläufige Szenarien?

Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Das gilt für Produkte, Prozesse, Logistik und Serviceleistungen. Warum? Weil es der Kunde will. Er hat schon längst über PC, Smartphone & Co. gelernt, wie schön und einfach die neue digitale Konsumwelt ist. Deswegen werden wir das Internet als Wirtschaftswelt nicht einfach wieder abstellen können und es wird neben Amazon und Uber in Zukunft noch viele weitere Player geben, die alle digitalen Möglichkeiten ausreizen werden.

Die neue digitale Herausforderung heißt Industrie 4.0. Das Internet vernetzt Maschinen. Wie weit sind wir hier im internationalen Vergleich?

Industrie 4.0 ist nur die eine Seite der Medaille und somit leider nur ein Feigenblatt, wenn man nicht auch die zugehörigen Plattformen im Netz im Rahmen der Digitalen Wirtschaft aufbaut. Die industrielle Digitalisierung wird uns nichts nutzen oder uns nur zu einer verlängerten digitalen Werkbank der internationalen Internet-Konzerne degradieren, wenn es uns nicht gelingt, auch den zugehörigen digitalen Kundenkontakt im Netz mit einem elektronischen Geschäftsmodell in die Hände zu bekommen. Und da hinken wir im Vergleich zu den immer stärker werdenden Plattformen aus den USA und zunehmend auch aus Asien hinterher.

Was denken Sie über künstliche Intelligenz und über Roboter? Wird der Mensch im Arbeitsprozess bald weniger benötigt oder gar überflüssig?

Der Kollege Roboter wird bald zum normalen Arbeitsalltag gehören. Auch autonome digitale Systeme werden natürlich die Berufsbilder verändern, wenn man beispielsweise daran denkt, dass Lkw-Fahrer vielleicht nicht mehr gebraucht werden, wenn die Fahrzeuge alleine über die Straßen fahren werden. Aber die Digitalisierung wird auch viele neue Jobs schaffen. Nur die Anforderungen an die zugehörigen beruflichen Konsequenzen werden halt andere sein.

Hat mit Industrie 4.0 und damit auch den Wegfall von bestimmten Arbeitsplätzen das bedingungslose Grundeinkommen eine neue Chance?

Die Effekte der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt müssen unbedingt bedacht werden, um rechtzeitig zu reagieren. Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer, die auf diesen Weg mitgenommen werden müssen, gehören zu den zentralen Aufgaben für Politik und Unternehmen. Die Digitalisierung darf kein Schreckgespenst für den Arbeitsmarkt werden, sondern muss als Chance gerade auch für die Berufschancen der zukünftigen Generation verstanden werden. Welches soziale Modell für eine digitale Gerechtigkeit in der Arbeitswelt dabei zum Tragen kommen wird, muss erst noch erarbeitet werden.

Können selbst denkende Maschinen uns auch mal gefährlich werden?

Nur, wenn wir final die Kontrolle über die Strom- bzw. Energieversorgung verlieren sollten, denn jede Maschine braucht diese, um die zugehörige Rechnerleistung abzurufen. Insofern sollte uns ein „Ausknopf“ noch erhalten bleiben. Alles andere wäre Science-Fiction.

Sie haben die Plattform Autoscout24 entwickelt, waren sogar Miteigentümer des Unternehmens. Das war ein Riesenerfolg Ende der 90er Jahre. Doch Sie gingen lieber in die Wissenschaft. Warum?

Weil ich immer Hochschullehrer werden wollte, um das neue Wissensgebiet rund um die Digitale Wirtschaft aufzubauen. Diese Form des Entrepreneurship im wissenschaftlichen Bereich war und ist eine besondere Herausforderung für mich, die ich auch gesellschaftlich für extrem wichtig halte, denn die aktuelle und zukünftige Generation an Nachwuchskräften braucht die Vermittlung einer digitalen Kompetenz im Rahmen ihrer Ausbildung. Mit meiner Arbeit möchte ich dafür einen Beitrag leisten.

Noch großartiger vielleicht war Ihre Erfindung aus dem Jahr 2004. Noch vor dem iPhone, noch bevor es Apps überhaupt gab, haben Sie eine UMTS-App entwickelt. Sind Sie damit Multimillionär geworden?

Ich messe mein persönliches Lebensglück nicht anhand von Geld, sondern daran, was ich über innovative Projekte erstmalig für Wirtschaft und Gesellschaft im Bereich der Digitalisierung bewegen kann. Dass ich vor diesem Hintergrund 2004 die erste mobile App in Deutschland habe realisieren können, macht mich besonders stolz. Das war ebenso echte digitale Pionierarbeit, wie die ersten deutschen Lehrbücher für die Digitale Wirtschaft und das digitale Unternehmertum, die ich habe schreiben dürfen. Die vielen positiven Rückmeldungen aus der Branche und insbesondere meiner Studenten geben mir mehr zurück, als Zinsen auf einem Konto.

Sind Sie privat auch sehr digital aufgestellt? Immer die neueste Computer-Technik, Smart home zu Hause und ein E-Auto in der Garage?

Ich kann das Thema Digitalisierung nur dann glaubhaft vertreten, wenn ich alles ausprobiere und mir dadurch eine Meinung zu den Möglichkeiten bilden kann. Das ist auch extrem wichtig, um für meine Aus- aber auch berufsbegleitenden Weiterbildungsangebote zum Beispiel im Rahmen meines Fernstudiums zum „E-Business-Manager“ immer auf dem neusten Stand zu sein.

Deswegen habe ich fast alle digitalen Möglichkeiten für mich testweise umgesetzt, ohne dann aber allen dauerhaft nur blind hinterherzulaufen. So trage ich beispielsweise keine Apple Watch, weil für mich der digitale Mehrwert noch nicht ausreichend zu erkennen ist.

Gespräch: Ulf Mallek

Prof. Tobias Kollmann hält zum 6. Wirtschaftstag des Landkreises Meißen am 29. März 2017, ab 15 Uhr in der Börse Coswig einen Vortrag. Das Thema: „Herausforderungen der digitalen Wirtschaft“. Mehr Infos: www.wirtschaftsregion-meissen.de/wirtschaftstag.html