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Hilberts Plan gegen die Spaltung Dresdens

Der OB hält eine Brandrede, spricht von kriminellen Ausländern, attackiert die Pegida-Führung und den Stadtrat. Und er verrät, welche Konsequenzen nun gezogen werden.

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© Sven Ellger

Von Sandro Rahrisch und Andreas Weller

In der ersten Stadtratssitzung nach seiner Vater-Kind-Kur zeigte sich Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) ähnlich emotional wie nach dem Tag der deutschen Einheit. Es ging im Grunde auch um das selbe Thema: Die Krise und Spaltung der Stadt. Die Pöbeleien am Einheitstag ließen dem OB den Kragen platzen. Jetzt, wenige Wochen danach, will er um den Ruf Dresdens kämpfen und präsentierte seine Pläne in einer Rede im Stadtrat gegen die „Gegner unserer Demokratie, Gegner unseres Staates“, wie er Pegida bezeichnet.

Überraschend zeigte der OB Verständnis für die, die mit Pegida sympathisieren. Die Ankunft von Hunderttausenden Flüchtlingen sei eine Entscheidung von historischer Tragweite. „Eines dürfen wir nicht vergessen: Plötzlich war Geld da.“ Das habe erst zu Unverständnis, dann zu Frustration und auch zu Wut geführt. Und dann fragt Hilbert mit entschlossener Stimme: „Ist das jedoch Grund, jedem Fremden zu misstrauen oder ihn gar zu hassen? “

Plan 1: Hilbert will Vertrauen und Sicherheitsgefühl zurückgeben

Zu einer differenzierten Betrachtung der Flüchtlingskrise gehöre die Tatsache, dass die Überforderung der Bundesbehörden es auch Kriminellen leicht gemacht hätte, ins Land einzureisen, sagte er. „Dabei haben wir eigentlich genug Kriminelle mit deutschen Wurzeln.“ Das habe das Vertrauen in den Staat erschüttert. „Wir müssen den Menschen in dieser Stadt endlich das Sicherheitsgefühl und verlorenes Vertrauen in den Staat zurückgeben. Wir müssen die Bürger besser schützen – egal ob vor Kriminellen ausländischer Herkunft oder Kriminellen, die sich selbst als Patrioten bezeichnen.“ Hilbert spricht von intensiven Gesprächen mit dem Freistaat, die jetzt nötig seien. Er dürfte in erster Linie den Personalmangel bei der Polizei meinen. Gleichzeitig müsste Dresden aber auch seine Hausaufgaben erledigen, etwa bei der Straßenbeleuchtung oder im Ordnungsamt. Der Stadtrat hatte es in diesem Jahr abgelehnt, zusätzliche Stellen zu schaffen, um die Drogenkriminalität am Wiener Platz einzudämmen.

Plan 2: Hilbert will die Bürgerdialoge in größerem Rahmen fortsetzen

Die Bürgerdialoge in der Kreuzkirche krankten an einem entscheidenden Punkt: Über den Austausch von Meinungen hinaus kamen Asylkritiker und Asylbefürworter nie zu einem Plan, wie sie die Flüchtlingskrise gemeinsam bewältigen könnten. Hilbert und Kreuzkirchenpfarrer Christian Behr mussten sich immer wieder die gleichen Beschimpfungen anhören. Nun will der OB wieder zusammenführen. „Ich will zweimal im Jahr zu einer großen Dresden-Konferenz einladen. Einem Forum, bei dem sich im wahrsten Sinne des Wortes Bürger und Politik auf Augenhöhe begegnen können.“ Außerdem will Hilbert nächstes Jahr zu einem europäischen Städteforum laden. „Rechtspopulismus ist längst eine Gefahr für Europa in fast allen Ländern. Ich will, dass Dresden zum Vorbild für Lösungswege aus der europäischen Krise heraus, wird.“ Darüber hinaus schafft der OB eine Abteilung für Bürgeranliegen.

Plan 3: Versammlungsbehörde soll einer Prüfung unterzogen werden

Breitet die Dresdner Versammlungsbehörde Pegida den roten Teppich aus? Diesen Vorwurf musste sich die Stadt vor allem aus dem linken Lager anhören. Unerklärlich sei es etwa für den Grünenfraktionschef im Stadtrat, Thomas Löser, warum München es schafft, Pegida am Stadtrand demonstrieren zu lassen, und Dresden nicht. Auf die Kritik will Hilbert nun reagieren: „Lassen Sie uns einen oder mehrere Gutachter eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Arbeit der Versammlungsbehörde vornehmen.“

Plan 4: Dresden soll immer noch zur Modellstadt für Integration werden

Es war ein ehrgeiziges wie gewagtes Versprechen, das der Oberbürgermeister letztes Jahr im Stadtrat abgab. Er wolle Dresden zur Musterstadt für Integration machen. An diesem Ziel hält Hilbert weiter fest: „Sprache, Bildung und Teilhabe sind dabei die entscheidenden Faktoren, und in vielen dieser Bereiche haben wir mehr als nur die richtige Richtung eingeschlagen“, sagt er. Die Zusammenarbeit mit Behörden wie der Arbeitsagentur sei genauso ein Baustein wie Kooperation mit Wirtschaft, Handwerk und Wissenschaft.

Schließlich forderte der OB, auch die Fraktionen des Stadtrates sollen sich kritisch hinterfragen. Mehrfach hatte er sich bereits beschwert, dass er von den Politikern kaum Unterstützung gegen Pegida erfahre und sie keine konstruktiven Ideen einbringen. Ob es an der Attacke auf die Räte lag oder am Verständnis für die Wut der Bürger – der Applaus fiel mäßig aus.