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Hightec in Großenhain

Der Holzhändler Behrens + Wöhlk hat das modernste Logistiklager Deutschlands.

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© Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Großenhain. Die Saugnäpfe greifen sich eine Holzplatte, der Roboterarm schwenkt herum und legt die Platte irgendwo auf einem anderen Stapel ab. Mehr ist eigentlich nicht zu sehen. Nur riesige Hallen, etliche Hochlager und eben jenes Flächenlager, mit dem es schließlich eine besondere Bewandtnis haben muss. Sonst wäre es nicht eines der modernsten Holz-Flächenlager Deutschlands, wahrscheinlich sogar im gesamten deutschsprachigen Raum, vermutet der Logistikchef von Behrens + Wöhlk, Karlheinz Haefele.

Vater Klaus Behrens, heute 82, hat noch mit Pferdefuhrwerk und Muskelkraft angefangen.
Vater Klaus Behrens, heute 82, hat noch mit Pferdefuhrwerk und Muskelkraft angefangen. © Anne Hübschmann
Der Roboter greift sich eine angeforderte Platte. Eine der simplen Herausforderungen bestand auch darin, dass die Saugnäpfe dann nur eine Platte ziehen.
Der Roboter greift sich eine angeforderte Platte. Eine der simplen Herausforderungen bestand auch darin, dass die Saugnäpfe dann nur eine Platte ziehen. © Anne Hübschmann

Und er muss es wissen, schließlich hat er die Anlage in Großenhain maßgeblich aufgebaut. Das Besondere ist, das Flächenlager so zu organisieren, dass weder der Roboter auf den Menschen, noch der Mensch auf den Roboter warten muss. Klingt simpel, ist es aber nicht. Um dieses Problem zu lösen, haben sich drei Mathematiker ein Jahr lang die Köpfe zerbrochen, eigene Algorithmen für den gesamten Ablauf im Lager entworfen und in die Welt der Computersprache übersetzt.

Firmenchef Martin Reinhardt von der Reinhardt & Ahrens GbR in Berlin ist auf das Projekt „Großenhain“ stolz. Hier war komplexe Mathematik auf höchstem Niveau gefragt. Um so einfache Fragen zu beantworten wie die: Wie viele Platten muss ich eigentlich in das Flächenlager hineingeben, damit der Roboter jederzeit die richtige Ware in der richtigen Anzahl zum Verladen wieder herausnehmen kann? Das setzt nicht nur voraus, dass künftige und schon erfolgte Bestellungen von Handwerkern ständig computersimuliert hochgerechnet werden.

Der Bordcomputer muss auch Warentrends erkennen. Was weniger gefragt ist, wandert in eines der zig Hochregale. Was ständig abgefragt wird, sortiert der Computer ins Flächenregal ein. Aber nicht stapelweise, wie althergebracht, sondern bunt gemischt nach Formaten. 1350  verschiedene Holzelemente lagern so auf zwei Ebenen für den Einzelzugriff. Da eine bestimmte Rohfaserplatte, ein Tür- oder Fensterelement herauszusuchen, muss sich so anfühlen, wie in einem riesigen Regal mit einzelnen Papierbögen mit einem Handgriff das richtige Blatt Papier zu finden.

Wie ein Blatt Papier im Stapel finden

Der Roboter schafft das in seinem Lager mühelos. Natürlich, weil die Mathematiker vorher exakt modelliert haben, wie viele Platten der Roboter da sinnvoller übereinander packt, um die Stapel so schnell wieder zu entpacken, dass es nirgendwo in diesem ständig bewegten System zum Mega-Stau kommt. Die gesamte Auftragsabwicklung erfolgt ab Eingang der Ware bis zur Verladung am Warenausgang ohne einen Menschen. Selbst die Lieferscheine werden erst nach der Beladung in der Reihenfolge der Touren ausgedruckt.

Die Liefertermine werden den Kunden per SMS angekündigt. Denn natürlich „weiß“ der Computer auch, wann welche Lkw hereinkommen und wie lange sie unterwegs sind. Die 15 Mitarbeiter, die hier in Verwaltung und Waren-Kommissionierung arbeiten, überwachen diese Prozesse vor allem. Großenhain ist mit 10 000 Quadratmeter Hallenfläche und über 8000 Artikeln eines der drei großen Logistiklager und das modernste. Acht weitere Verteilzentren ergänzen das Vertriebsnetz. Geschäftsführer Joachim Behrens ist hochzufrieden mit der Logistikgruppe.

Das herkömmliche Wort „Lager“ passt da eigentlich längst nicht mehr. Es klingt noch irgendwie nach Staub und Zettelwirtschaft vergangener Jahrhunderte. Nach Beständen, die vielleicht sogar vergessen und irgendwann wiedergefunden werden. Die Zeiten sind vorbei. In den heutigen Lagern ruht nichts, alles bewegt sich. Je exakter, umso weniger Platz wird verbraucht – und so wird Geld verdient. Senior-Chef Klaus Behrens bestaunt natürlich auch das jüngste Kind der Logistik-Gruppe.

Mit inzwischen 82 Jahren kann auch er sich manchmal nur wundern, wie die Zeit vorangeschritten ist. Als er den Betrieb in Rotenburg an der Wümme von seinem Vater übernommen hat, fuhren noch Pferdefuhrwerke zum Sägewerk. „Mein Gott, was haben wir gebuckelt. Alles haben wir auf unseren Schultern getragen“, lächelt er.