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Hier kommt die Milch

Seit Februar wird in Liebenau Rohmilch verkauft. Die findet immer mehr Abnehmer.

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© Andreas Weihs

Von Maik Brückner

Liebenau. Bei Marina Adam sitzt jeder Handgriff. Sie steht neben einer Kuh, die sich in der Melkstation aufgestellt hat, schnappt sich eine nach der anderen Zitze, um sie kurz zu melken. Anschließend reinigt sie das Euter und setzt das Melkgeschirr an.

Marina Adam setzt routiniert das Melkgeschirr an. Der Melkvorgang dauert etwa zehn Minuten. Im Schnitt gibt eine Kuh pro Melkgang 17,5 Liter.
Marina Adam setzt routiniert das Melkgeschirr an. Der Melkvorgang dauert etwa zehn Minuten. Im Schnitt gibt eine Kuh pro Melkgang 17,5 Liter. © Andreas Weihs
Die Milchtankstelle befindet sich unweit des Kreisels am Autobahnzubringer, der Altenberg und Geising mit der A-17-Anschlussstelle Gottleuba verbindet.
Die Milchtankstelle befindet sich unweit des Kreisels am Autobahnzubringer, der Altenberg und Geising mit der A-17-Anschlussstelle Gottleuba verbindet. © Andreas Weihs

Nun melkt der Automat. Marina Adam ist schon bei der nächsten Kuh. Die Frau hat Routine. Seit 35 Jahren arbeitet die gelernte Uhrmacherin für den Landwirtschaftsbetrieb, der nun unter dem Namen Liebenauer Agrar GmbH firmiert und einer der Milcherzeuger im Osterzgebirge ist.

Lange hatte dessen Geschäftsführung überlegt, ob man die Milch auch selbst verkaufen sollte. Im letzten Jahr fiel die Entscheidung, das zu tun. Die Firma stellte eine Rohmilchtankstelle auf. Seither melken Marina Adam und ihre Kollegen nicht nur für die Großmolkerei in Leppersdorf, sondern auch für die Fans von Rohmilch.

Von denen gibt es immer mehr. Darauf lassen zumindest die Verkaufszahlen schließen. Verkauften die Liebenauer Landwirte Anfang April wochentags noch 50 Liter, so sind es jetzt schon zwischen 60 und 70 Liter am Tag. Sollte die Nachfrage weiter steigen, wäre das für die Landwirte kein Problem. Denn in den beiden Liebenauer Ställen stehen mehr als 600 Kühe. Die werden am Tag zweimal gemolken, sagt Katrin Heidig. Sie leitet die Tierproduktion, kümmert sich um den Verkauf der Milch und ist heute mit vor Ort. „Im Schnitt geben unsere Kühe am Tag 35 Liter. Das ist ein guter Wert“, sagt sie. Mehr Milch für die Milchtankstelle zu produzieren, wäre kein Problem. Marina Adam hat indes weiteren Kühen das Melkzeug angelegt. Keine muckt auf – auch für die Kühe scheint das Routine zu sein. Ab und zu gibt es aber auch mürrische Tiere, erzählt Katrin Heidig. Damit die Arbeitsläufe nicht allzu sehr stören, gibt es in jeder Schicht noch einen zweiten Kollegen, der dann dafür sorgt, dass sich auch diese Kuh melken lässt. Marina Adam arbeitet sich weiter vor. Rechts und links von ihr läuft die Milch über die Schläuche in den großen Tank im Nachbarraum.

Hier ist Bärbel Lotze mit einem Radlader vorgefahren. Die freundliche Frau arbeitet seit 1988 als Landwirtin und kümmert sich als Kälberamme um die Jungtiere. Seit Mitte April ist sie morgendlich auch für das Befüllen der Milchtankstelle zuständig. Das erledigt sie mit dem Radlader. Auf dem steht ein 200 Liter fassender Edelstahlbehälter. Über einen Schlauch läuft die auf vier Grad heruntergekühlte Rohmilch in den Behälter. Nach ein paar Minuten ist der Behälter zu drei Vierteln gefüllt. Bärbel Lotze setzt den Deckel drauf, sichert den Behälter. Dann tuckert sie über die kleinen Straßen des Dorfes in Richtung Verwaltungsgebäude. Hier angekommen fährt Bärbel Lotze den Radlader langsam an die Hütte ran, in der der Rohmilchautomat steht. Dieser sieht den gängigen Getränkeautomaten nicht nur ähnlich, sondern funktioniert auch so. Allerdings kann man hier nicht wählen, es fließt nur Rohmilch. Wer die in den letzten Minuten zapfen wollte, hatte Pech. Denn in der Zeit, in der Bärbel Lotze mit dem Behälter Nachschub am Milchstand holt, gibt es keine Milch. Die Landwirte arbeiten mit nur einem Behälter. Wer warten möchte, bis der Automaten wieder funktionstüchtig ist, kann sich über die Rohmilch informieren, sich mit dem Automaten vertraut machen oder im Gästebuch blättern. Hier haben sich viele Fans der Rohmilch verewigt.

Vor der Hütte beginnt Bärbel Lotze ihr Ritual. Die 54-Jährige steigt aus dem Fahrerhaus, geht zum Milchautomaten, öffnet dessen Tür, hebt den Deckel des Behälters ab und setzt sich wieder in die Fahrerkabine. Vorsichtig rangiert sich den Behälter in Richtung Automat. Dann steigt sie aus und schiebt den kleinen Wagen, auf dem der Behälter steht, in den Automaten. Zum Schluss setzt sie noch einen langen Rührlöffel ein. „Der bewegt sich jede halbe Stunde für drei Minuten“, sagt die Landwirtin. So wird dafür gesorgt, dass sich das Fett nicht am Boden absetzt.

Bärbel Lotze schließt die Tür des Automaten, setzt sich in den Radlader und tuckert davon. Noch ist weit und breit kein Auto zu sehen, das wegen der Milchtankstelle stoppt. Doch die kommen noch. Ganz gewiss.