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Hier kann keiner mehr seine Wäsche aufhängen

Die Schweinemastanlage stinkt derart, dass sich die Strogaer keinen Rat mehr wissen.

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© Montage: Anne Hübschmann

Von Birgit Ulbricht

Stroga/Nasseböhla. Ich staune, dass es überhaupt so lange ruhig bleibt in Stroga“, sagte Stadtbaudirektor Tilo Hönicke fast süffisant auf die Klagen über den üblen Gestank in Stroga. Aber oft ist es eben trotzdem nicht toll, Recht zu behalten. So sieht es Hönicke jedenfalls. Was hatte er geredet, damit die Stroager einer Erweiterung des Schweinestalls zustimmen. Nicht um der Großlandwirtschaft das Wort zu reden, sondern weil mit einem Neubau ganz andere Auflagen verbunden gewesen wären. Nur so hätte man den Gestank wegbekommen, ist Hönicke heute noch überzeugt. Doch dem Argument wollten die Strogaer und Nasseböhlaer einfach nicht folgen, man ist zerstritten. Vor allem deshalb, weil der Bau der neuen Mastanlage mit einer ansehnlichen Kapazitätserweiterung verbunden sein sollte.

Fenster bleiben geschlossen

Gibt es in Stroga derzeit 1800 Mastplätze, so wären es nach der Fertigstellung 3880 gewesen. Hinzu wären noch einmal 6720 Plätze für die Ferkelaufzucht gekommen. Also hatte sich der Ortschaftsrat gegen einen Neubau gestellt und der Stadtrat war diesem Votum dann letztlich gefolgt. Selbst die Einladung des holländischen Betreibers Marten Tigchelaar ins Münsterland, wo er den Bürgern eine neue, moderne Anlage zeigen wollte, lehnten die Strogaer rundweg ab. Bei so viel Gegenwind hatte auch der Betreiber am Ende keine Lust mehr und ließ alles beim Alten.

Sprich, es stinkt derart, dass die ersten Frauen ihre Wäsche bei Verwandten in Zabeltitz aufhängen. Dass die Schlafzimmerfenster geschlossen bleiben, ist längst Usus. Thomas Neumann verteidigte auch diesmal sein Nein zur Großanlage.

Wer wolle schon 10000 Schweine mitten im Ort? Und Stadträtin Kathrin Bredemann sprang ihm bei, das „Parfümschwein ist noch nicht erfunden, bei so einer Steigerung hätte sich auch nichts geändert.“ Gleichzeitig ist ihr das Dilemma klar: Solange auch nur ein Schwein in diesem Stall steht, gilt DDR-Bestandsschutz. Helena Musall, Pressesprecherin im Landratamt Meißen, bestätigte schon damals: Der Betreiber kann sich nicht gänzlich auf DDR-Standards zurückziehen. Denn aus dieser Zeit stammt die Strogaer Schweinemast, der neue Betreiber musste nach der Wende lediglich die Altanlage anmelden. Genehmigungen brauchte er keine. Ein Sonderfall der Wende. Und damit heute ein echtes Problem.

Die Leute könnten sich zwar beim Umweltamt des Landkreises beschweren, doch Stadtrat Peter Grünberg winkt ab. „Die machen gar nichts – nicht eine neue Auflage wird bei uns in Bauda eingehalten“, schimpfte er los. Auch dort stinke es zum Himmel. Die Entscheidung der Strogaer gegen die Großanlage und damit die einzige Hoffnung, den Fall baurechtlich zu klären, findet er deshalb sogar richtig.

Schnüffler beauftragen

Was bleibt den Bürgern nun? Vielleicht nur eine Aktion wie in Freitelsdorf. Dort hatte der Landkreis Schnüffler beauftragt, ein Geruchstagesbuch zu führen. In Freitelsdorf gab es vor Jahren ähnliche Probleme mit der Sauenzucht im Wald Richtung Ebersbach. Der Ortschaftsrat wandte sich an den Ebersbacher Gemeinderat, von dort ging das Drängen auf Änderung ans Umweltamt des Landkreises. Das beauftragte von November 2009 bis August 2010 zwölf Einwohner mit dem Ausfüllen von Vordrucken: Jede Geruchsbelastung musste mit Tag und Uhrzeit vermerkt werden. Daraufhin wurde eine neue Filteranlage eingebaut – angeblich mit Erfolg.