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Hier geht die Post ab

Seit 1979 ist Adalbert Jentzsch Gastwirt in der „Alten Post“. Mit viel Elan hält er den Dorfgasthof am Leben.

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© Jürgen Müller

Von Jürgen Müller

Zschaitz-Ottewig. Es ist Mittwochvormittag, der Gasthof „Alte Post“ hat gerade erst geöffnet. Ein einzelner Gast verliert sich in der Gaststube, genießt Einzelbehandlung von Gastwirt Adalbert Jentzsch. „Dienstag bis Donnerstag ist es immer ein bisschen mau“, sagt der 62-Jährige. In der „Post“ gehört er fast zum Inventar. Seit 1979 arbeitet der gelernte Bauarbeiter, der später zum Kellner und Gaststättenleiter umschulte hier, erst als Angestellter seines Vaters, der die Gaststätte im Auftrag des Konsums bis 1985 betrieb. Mit dem Konsum ging es nach der Wende schnell zu Ende. Die Gemeinde, der das Haus gehört, wollte verkaufen. Adalbert Jentzsch griff zu. Steckte nach dem Kauf so um die 300 000 Mark in das ›Haus, ließ Fassade, Fenster, Türen, Toiletten erneuern, baute eine Terrasse an, ließ Parkplätze errichten. Und das alles ohne Fördermittel, die hätte es gegeben für das denkmalgeschützte Haus. „Doch das hat mir niemand gesagt. So um die 80 000 Mark sind mir dadurch durch die Lappen gegangen“, sagt er.

Doch das Geschäft brummt in den 90er Jahren noch. „Ich habe so viel Bier verkauft, wie danach nie wieder“, sagt er und lacht. Die Pension mit ihren drei Zimmern ist fast immer durch Bauarbeiter ausgebucht. Einen solchen Zulauf gibt es heute nur noch an den Wochenenden, vor allem aber an den Weihnachtsfeiertagen und zu Silvester. Die Silvesterveranstaltung ist schon lange ausverkauft, vielen Leuten musste er absagen. Und auch Weihnachten ist proppenvoll. In der Woche teilt die „Post“ das Schicksal vieler Dorfkneipen, falls die überhaupt noch existieren. Nicht nur die Stammtische, einst immer belegt, blieben plötzlich leer. Die Zimmer werden meist nur als Übernachtungsmöglichkeit bei Familienfeiern gebucht. Die Fleischerei, die in dem Haus eingemietet war, ging Ende der 90er Jahre pleite. So fallen auch die Mieteinnahmen weg. Bloß gut, dass er seine Kredite alle zurückgezahlt hat. „Vor allem mit der Einführung des Euro kam ein großer Einbruch. Inzwischen ist es wieder ein bisschen besser geworden, gönnen sich die Leute öfter einen Gaststättenbesuch“, sagt er.

Adalbert Jentzsch ist keiner, der große Experimente mag. Er setzt auf Bewährtes, auf Altbekanntes. „Wichtig ist, dass es den Leuten schmeckt, sie zufrieden sind“, sagt er. Viele Stammgäste kommen auch aus Meißen und Lommatzsch. Die Speisekarte steht für gutbürgerliche deutsche Küche. Und für moderate Preise. Nur zwei Gerichte kosten mehr als zehn Euro. Reich werden kann er damit nicht. Aber es reicht, um zu leben für ihn und seine Frau, die in der Küche steht. Mehr Personal hat die „Alte Post“ nicht, in Spitzenzeiten lediglich Pauschalkräfte. Er legt Wert darauf, dass in seiner Gaststätte alles frisch zubereitet wird. Fertiggerichte kommen bei ihm nicht in die Töpfe und Pfannen. Fleisch bezieht er von einem einheimischen Betrieb aus Roßwein, Wild von Jägern aus der Region. Doch allein vom Gaststättenbetrieb kann er nicht leben. Seit einiger Zeit bietet er auch Party-Service an, liefert bis Leipzig und Rochlitz.

Seit einigen Jahren zieht der Gastwirt aber Gäste noch durch Veranstaltungen an. Viermal im Jahr gibt es Konzerte mit Live-Musik. Dann geht in der „Alten Post“ die Post ab. „Ich höre selbst gern Live-Musik, war nach der Wende bei Konzerten von Deep Purple oder den Rolling Stones“, erzählt er. Die Kontakte zu den Bands, die oft nur Insidern bekannt sind, stellt er selbst her. Angefangen hat er in den 90er Jahren aber mit Kabarett. Jürgen Hart, Edgar Külow, Hans-Georg Stengel, sie alle waren in der „Alten Post“. Doch diese Veranstaltungen sind allenfalls ein Zubrot. Oft decken die Eintrittsgelder gerade so die Kosten. „Ich stelle ein paar Tische in den Saal, will ja Getränke verkaufen, etwas verdienen. Mit dem Getränkeverkauf komme ich gerade so hin, dass es sich rechnet“, sagt der 62-Jährige. An den Ruhestand denkt er noch nicht. „Solange ich gesund bin, möchte ich es noch machen“, sagt Adalbert Jentzsch. Das 40. Jahr möchte er noch voll machen, das wären also noch drei. Was danach kommt, weiß er nicht. Seine Kinder haben jedenfalls keine Ambitionen, die Gaststätte zu übernehmen. Und dass es schwierig ist, einen Gasthof auf dem Dorf zu verkaufen, jedenfalls zu einem vernünftigen Preis, das weiß er selbst am besten.

Doch Trübsal blasen gilt nicht. Für März nächsten Jahrs hat er schon wieder zwei Veranstaltungen mit Gunter Böhnke geplant. Die erste am 19. März ist schon ausverkauft, für die zweite eine Woche später gibt es noch Karten. Der Titel des Programms kann auch für Adalbert Jentzsch gelten: „Wir Saggsn gehn nich under.“

Das nächste Konzert in der Alten Post findet am 26. November um 20 Uhr statt. Es spielt die Band „The Double Vision“. Karten kosten zehn Euro, an der Abendkasse zwölf Euro.