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Hier bröckelt’s im Altkreis Löbau-Zittau

Eine einsturzgefährdete Villa in Löbau, abgebrochene Gebäudeteile in Ostritz – die Meldungen über marode Häuser mehren sich. Ihr Erhalt ist ungewiss.

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© Bernd Gärtner

Von Susanne Sodan

Löbau-Zittau. Unscheinbar sieht die Häuserreihe an der Äußeren Zittauer Straße in Löbau aus. Und leer. Aber die Häuser Nummer 8 bis 16 haben ihre Besonderheiten – und ihre Geschichten. Am Giebel von Nummer 10 prangt noch ein Zunftwappen der Gerber. „Diese Bebauung ist baugeschichtlich und städtebaulich für Löbau von Bedeutung“, erklärt Landkreis-Sprecherin Marina Michel. Schließlich sind die Wohnhäuser 8 bis 16 Teil eines spätbarocken Straßenzugs an der einstigen Hauptzufahrt in die Stadt. „Teilweise sind noch die originalen Haustüren vorhanden“, teilt Frau Michel mit. Aber auf dem Dach von Nummer 10 wächst inzwischen Gras und genauer angeschaut hat sich die leeren Häuser zuletzt ein Prüfingenieur. Die Bauaufsicht des Landkreises hat ihn beauftragt, festzustellen, wie standsicher sie noch sind. Das Ergebnis: Mehrere Gebäude der Häuserzeile müssen notgesichert werden.

Die Aufschrift „Bäckerei“ verblasst. Was aus dem Haus in Kemnitz werden soll, ist nicht klar. Es steht seit vielen Jahren leer.
Die Aufschrift „Bäckerei“ verblasst. Was aus dem Haus in Kemnitz werden soll, ist nicht klar. Es steht seit vielen Jahren leer. © Thomas Eichler
Hier bröckelt es nicht mehr. Der Verein Emil hat sich dem Handwerkerhaus am Mandauer Berg in Zittau angenommen.
Hier bröckelt es nicht mehr. Der Verein Emil hat sich dem Handwerkerhaus am Mandauer Berg in Zittau angenommen. © Rafael Sampedro

Solche Meldungen von einsturzgefährdeten – oder tatsächlich eingestürzten Häusern – haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten gehäuft. In Löbau sieht es nicht nur auf der Äußeren Zittauer Straße kritisch aus. Auch die Villa Dehsaer Straße 2 braucht eine Notsicherung. Prominentes Beispiel aus Görlitz: Bei Sturm und Schnee war Ende Februar ein Teil der Fassade Landeskronstraße 34 abgestürzt. Im gesamten Altkreis Löbau-Zittau finden sich zahlreiche Beispiele.

In Ostritz waren Gebäudeteile der alten Schule auf die B99 gefallen. Die Stadtverwaltung hat vor ein paar Wochen den Eigentümer aufgefordert, sein Haus zu sichern. Auch in Bernstadt sind mehrere Gebäude dem Verfall preisgegeben, sagt Bürgermeister Markus Weise (Kemnitzer Liste). Ein Beispiel: die ehemalige Bäckerei an der Hauptstraße im Ortsteil Kemnitz. Das leerstehende Haus steht an der Brücke über den Kemnitzbach, die vergangenes Jahr neu gebaut wurde. Wann zuletzt Leben in dem Gebäude war, kann der Bürgermeister gar nicht sagen. „Ich kenne es eigentlich nur in diesem Zustand.“ Auch in Zittau sind viele Gebäude durch ihre Eigentümer dem Verfall preisgegeben, sagt Stadtsprecher Kai Grebasch. „Sie stellen somit städtebaulich als auch bauordnungsrechtlich ein Problem dar.“ Kürzlich hatte er auch konkrete Zahlen genannt: Seit 2013 hat die Zittauer Verwaltung in 151 Fällen die Eigentümer von Gebäuden aufgefordert, für Sicherheit zu sorgen und in einigen Fällen auch selber notgesichert.

Dabei seien die Regeln eindeutig, erklärt Steffen Springer, Amtsleiter der Bauaufsicht des Landkreises. Die Pflicht, öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, liege beim Eigentümer, nicht der Behörde. Warum trotzdem viele Häuser verfallen, dafür gebe es verschiedene Gründe. Einer sei zum Beispiel, wenn Grundstücke für spekulative Zwecke erworben wurden. In anderen Fällen sind die Eigentumsverhältnisse unklar. Oder es fehlen schlicht die finanziellen Mittel. Ist dann durch den schlechten Zustand der Gebäude eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit gegeben, muss am Ende doch die Behörde eingreifen. Ersatzvornahmen lautet das Stichwort. Das heißt, die Behörde kann – tut es der Besitzer selber nicht – Maßnahmen für eine Notsicherung einleiten und beauftragen. Die Kosten muss aber der tragen, der für den schlechten Zustand verantwortlich ist. „Leider ist dieser nicht immer verfügbar oder handlungsfähig“ sagt Steffen Springer, dann muss zunächst die Behörde die Kosten auslegen.

Wie gehen nun Städte und Gemeinden mit dem Problem um? Die meisten wenden sich an die zuständige Bauaufsicht des Landkreises. Görlitz und Zittau beispielsweise haben auch eigene Bauaufsichtsbehörden. Die Untere Bauaufsichtsbehörde kann sogenannte Ordnungsverfügungen erlassen und sie durch Zwangsgeld oder Ersatzvornahme durchsetzen, erklärt Kai Grebasch. „Von städtischer Seite können Verhandlungen mit dem Eigentümer, zum Beispiel über einen Ankauf des Grundstückes, geführt werden.“ Sofern der Stadtrat das will und entsprechende Gelder für Kauf und bauliche Maßnahmen zur Verfügung stehen, so Grebasch.

Damit spricht er ein Problem an, das viele Kommunen davon abhält, selber bei maroden Häusern aktiv zu werden: Es fehlen oft die finanziellen Mittel. „Wohnhäuser zu erhalten, ist keine Pflichtaufgabe der Gemeinde“, sagt Kottmars Bürgermeister Michael Görke. „Wir können uns das auch nicht mehr leisten.“ Möglichkeiten, einzugreifen, gebe es laut Baugesetzbuch für Kommunen zwar, erklärt Maik Wildner, Bauamtsleiter in Kottmar. „Aber zum Beispiel für einen Abriss sind abgesehen von der finanziellen Frage auch die Auflagen sehr hoch.“ Diesen Weg ist die Gemeinde jetzt dennoch gegangen – bei der Hauptstraße 15 in Obercunnersdorf. Ein Umgebindehaus, um das sich der Eigentümer nicht mehr kümmern konnte. „Wir hatten uns zunächst auch an die Bauaufsicht des Landkreises gewandt“, erzählt Wildner. Allerdings kann der Kreis bei Notsicherungen nur die nötigsten Maßnahmen übernehmen, um Gefahren zu bannen. Das Haus in Obercunnersdorf wäre zwar abgerissen worden, der Schutt wäre aber geblieben, erzählt Wildner. Deshalb ist die Gemeinde den Weg über ein Fördermittelprogramm des Freistaates gegangen.

Manchmal nimmt das Problem verfallender Gebäude aber auch ein gutes Ende. Kai Grebasch hat nicht nur als Stadtsprecher von Zittau immer wieder mit einsturzgefährdeten Häusern zu tun. Er ist auch der Vorsitzende des Vereins Emil, der sich des Hauses Mandauer Berg 11 angenommen hat – das Nachbarhaus vom Vereinsdomizil. „Es war in einem desolaten Zustand“, sagt Grebasch. Vergangenes Jahr hat es der Verein mit Hilfe von Fördermitteln und Muskelkraft sichern lassen.