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Hiebe statt Liebe

Eine Frau soll einen Mann genötigt haben, in dem sie sehr dicht auffuhr. Dahinter steckt ein Beziehungsdrama.

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© Bodo Marks/dpa

Von Jürgen Müller

Coswig. Der Vorwurf ist vergleichsweise harmlos. eine 38-jährige Frau soll im März vergangenen Jahres in Brockwitz auf das Auto ihres Vordermanns gefährlich dicht aufgefahren sein. „Ich hatte Angst um das Leben meiner Tochter und um meines“, sagt der Geschädigte, ein 43 Jahre alter Coswiger. Längere Zeit sei die Frau „mit aggressivem Gesichtsausdruck“ hinter ihm her- und immer wieder ganz dicht aufgefahren. Warum er denn nicht einfach angehalten habe, wenn die Situation so gefährlich war, will Richter Michael Falk wissen. „Dann wäre sie draufgeknallt“, so der Mann. Mit im Auto befand sich seine 18 Monate alte Tochter, die er gerade aus der Kindertagesstätte abgeholt hatte. Dort traf er die Angeklagte kurz zuvor schon einmal, und das war kein Zufall. Denn das Mädchen ist das gemeinsame Kind der beiden Streithähne, die in Trennung leben. Und die verläuft alles andere als einvernehmlich. Seine Ex-Lebensgefährtin habe ihn immer wieder massiv beschimpft, und nicht nur das. Er sei von ihr auch mehrfach geschlagen worden. Einmal habe die Frau ihn „mit voller Wucht“ auf den Hinterkopf geschlagen, als er das Kind im Arm hielt. Dadurch sei sein Kopf gegen den der Tochter gestoßen. Das Kind schrie laut vor Schmerz. Die Frau habe trotzdem weiter geschlagen. „Das Kind dachte, die Schläge galten ihm“, so der Coswiger. Er habe sehr oft körperliche Gewalt durch diese Frau erfahren, das aber niemals eingezeigt, weil es ihm peinlich war. „Es gab Szenen, die weit über normale Grenzen hinausgingen. Das kann niemand verstehen, der das nicht selbst erlebt hat“, sagt der Mann. So habe die Frau alles nach ihm geworfen, was ihr in die Hand gekommen sei. Einmal auch einen Holzscheit, der ihn verfehlte, die Wand traf und zerbrach.

Seine Ex erzählt das genau andersherum. Sie sei von ihm geschlagen worden, einmal so stark, dass die Krankenschwester wegen der Verletzungen von ihrem Arbeitgeber nach Hause geschickt worden sei, behauptet sie. Der Mann habe in der gemeinsamen Wohnung die Schlösser ausgetauscht, so dass sie nicht an ihre Sachen gekommen sei. An jenem Tag sei sie ihm hinterhergefahren, weil sie in die Wohnung und sich mit ihrem Lebensgefährten aussprechen wollte. Ach ja, worum ging es eigentlich noch mal? Richtig, um eine versuchte Nötigung. Eine solche habe sie nicht begangen, sagt die Frau, sie habe sich „ganz normal im Straßenverkehr bewegt.“ Und überhaupt, im Auto vor ihr habe sich ja ihre Tochter befunden. „Ich würde nie etwas machen, das meine Tochter gefährdet“, so die Angeklagte.

Nachdem nun jede Menge schmutzige Wäsche gewaschen wurde, wendet sich das Gericht wieder dem eigentlichen Vorwurf zu. Der Staatsanwalt sieht zwar das dichte Auffahren bestätigt, aber keine Bedrohung. „Ich sehe kein Motiv, wenn das Kind der Angeklagten im Auto ist. Sie ist nahe aufgefahren, um den Kontakt nicht zu verlieren“, sagt er. Die Verteidigerin spricht von einem „verständlichen Verhalten“ ihrer Mandantin. Sie habe zu ihrem Kind gewollt und in die gemeinsame Wohnung. Das sieht auch der Richter so. Er spricht die Angeklagte wie vom Staatsanwalt und der Verteidigerin beantragt frei. Eine Nötigung sei nicht festzustellen. Strafrechtlich ist die Sache damit beendet. Aber die beiden werden sich wohl wegen ihrer Trennung noch einige Male vor dem Zivilgericht wiedersehen.