Merken

Verhandlung über K-Block-Sperre

Kommt der Bullenkopf, der im Pokalspiel gegen RB Leipzig ins Stadion gelangte, Dynamo teuer zu stehen? Ein nachvollziehbares Urteil ist nicht zu erwarten.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Von Tino Meyer, Marbella

Auslaufen steht am Mittwochvormittag für Dynamo Dresdens Profis in Marbella auf dem Trainingsplan, während gleichzeitig rund 2 500 Kilometer nordöstlich in Frankfurt/Main gerungen wird – ebenfalls mit Dynamo-Beteiligung. Vorm Bundesgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), der höchsten verbandsinternen Instanz, haben der Verein, aber auch der DFB-Kontrollausschuss Berufung eingelegt gegen das Urteil des Sportgerichts.

Mit der Sperre des K-Blocks beim nächsten Heimspiel sowie einer Geldstrafe in Höhe von 60 000 Euro haben sich beide Seiten nicht abfinden können. Was für den einen viel zu wenig ist, bezeichnet der andere als maßlos übertrieben. Für den Richter ist es indes unverzichtbar und unumgänglich. So hat das Hans E. Lorenz am 7. November 2016 bei seinem Urteilsspruch gesagt.

Ab 10 Uhr findet nun also die Berufungsverhandlung im Schulungsraum des Landessportbundes Hessen statt. Würde sie live übertragen werden, könnte man vermutlich auch einiges lernen – und das geht mit den Begrifflichkeiten los.

Das Wort Verhandlung ist sicher nicht schlecht gewählt, Geschacher trifft die Sache aber deutlich besser. Wie auf einem Basar, wenn um einen für beide Seiten annehmbaren Preis gefeilscht wird, geht es vor so einem Sportgericht schließlich zu. Es gibt Vorgespräche, Absprachen zwischendurch und immer wieder auch sogenannte kleine Deals, zumindest ist das am 7. November so gewesen. Auch wenn öffentlich allein über den Bullenkopf diskutiert wird, der im Pokalspiel gegen RB Leipzig aus dem K-Block in Richtung Spielfeld gefallen ist, listete der Chef des Kontrollausschusses Anton Nachreiner insgesamt neun Vergehen auf.

Es ist das ganze Arsenal an möglichen Verfehlungen: von bengalischen Fackeln, einer aufs Spielfeld geworfenen Münze, ehrverletzenden Plakaten bis hin zum Flitzer und eben dem Bullenkopf.

Und Nachreiner nennt die dafür fälligen Strafen. Demnach veranschlagt er:

  • 30 000 Euro für Plakate bei dem RB-Spiel wie „Rübe ab dem Bullenpack“, die über die freie Meinungsäußerung hinausgehen
  • 20 000 Euro für den Bullenkopf
  • 20 000 Euro für die geworfene Münze, die RB-Kapitän Kaiser an der Schulter trifft
  • 10 000 Euro für die Choreografie mit bengalischen Fackeln vorm Stuttgart-Spiel
  • 15 000 Euro für die Nebeltöpfe in Heidenheim, die den Spielbeginn verzögern
  • 2 000 Euro für den Flitzer nach Abpfiff des Braunschweig-Spiels

Macht unterm Strich: exakt 97 000 Euro. Doch dazu kommt es bekanntlich nicht. Nachreiner lässt zudem drei weitere Vorfälle (Böller, geworfene Gegenstände, angezündeter Schal) unter den Tisch fallen. „Zur friedlichen Koexistenz“, wie er sagt. Dass es so etwas vor einem Gericht gibt ...

Richter Lorenz betont später, wie „Dynamos Vereinsvertreter gekämpft, wirklich gekämpft haben“. Offiziell plädiert man für Freispruch oder maximal 40 000 Euro Geldstrafe verbunden mit der Verlängerung der Bewährungsfrist für eine etwaige K-Block-Sperre, unter der Dynamo und seine Zuschauer seit Juli 2016 stehen.

Zwei Teilausschlüssen im Sitzplatzbereich, so erzählt man sich inzwischen, hätten Dynamos Verantwortliche notgedrungen zugestimmt, unter keinen Umständen aber einer Sperre des K-Blocks, wo exakt 9 055 Fans stehen – und maßgeblich verantwortlich sind für die Stimmung im Stadion und immer wieder auch außergewöhnliche Aktionen.

Knapp eine Stunde wird während einer Verhandlungspause hinter verschlossenen Türen hin- und herüberlegt, gerungen, gefeilscht. Oder wie es Lorenz richterlich korrekt formuliert: „Wir haben argumentativ miteinander gerungen ohne einvernehmliche Lösung.“

Die in dem Urteil vom Juli 2016 angedrohte K-Block-Sperre steht, dafür ist seitdem zu viel vorgefallen, dazu die Geldbuße von 60 000 Euro. Dass Dynamo davon 20 000 Euro für eigene präventive Maßnahmen verwenden darf, gerät zur Randnotiz.

Der Aufschrei danach ist riesig, nicht nur vereinsintern. Auch die Fanszene läuft Sturm, wobei das in diesem Fall nicht doppeldeutig zu verstehen sein soll. Man fühlt sich zu hart bestraft, erinnert an das DFB-Pokalfinale im Mai 2016 zwischen Bayern München und Borussia Dortmund, was in der Tat silvesterartige Züge annahm. Und man verweist auch auf das Münchner Oktoberfest, wo definitiv mehr passiert mit rund 800 Verletzten pro Tag. Der Kontrollausschuss-Chef bleibt dennoch kompromisslos, zumindest in dem Punkt. Er müsse an seinen Grundpositionen festhalten.

Nun folgt die nächste Instanz, und gefeilscht wurde offenbar bereits im Vorfeld. Gerüchte besagen, dass selbst eine bestätigte K-Block-Sperre entgegen des rechtskräftigen Urteils vom Juli 2016 noch nicht im prestigeträchtigen Heimspiel gegen Union Berlin am 5. Februar greift.

Ein faires, für alle Beteiligten und Unbeteiligten nachvollziehbares Urteil kann es ohnehin nicht geben. Dafür fehlt ein festgelegter Strafenkatalog wie etwa im Straßenverkehr. Wobei der bislang offenbar auch deshalb nicht existiert, weil es tatsächlich schwierig ist, alle möglichen Verfehlungen aufzuführen und einzupreisen. Vergleichen lassen sie sich von einem Verein zum anderen außerdem nicht.

Trotzdem wird man sich im Schulungsraum des Landessportbundes irgendwann irgendwie einigen, auch das ist sicher. Und wenn nicht, dann spätestens beim Ständigen Schiedsgericht. Denn die danach folgende Instanz ist eine außerverbandliche. Würde die, nur einmal gemutmaßt, die K-Block-Sperre kippen, wäre ein Präzedenzurteil geschaffen und die Sportgerichtsbarkeit de facto ihrer Macht beraubt. Und das wird der DFB unter allen Umständen verhindern – wie schon einmal, als Dynamo den besiegelten Pokalausschluss 2013 vor Zivilgerichten anfechten wollte.

Es kam anders. Dynamo erkannte das Urteil an. Im Gegenzug wurde das Vorstrafenregister auf null gestellt. Eigentlich auch kein schlechtes Geschäft. Nur ist seitdem wieder einiges zusammengekommen.