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Heute am Herd: eine Hobbyköchin

Weil Fachkräfte fehlen, greifen Gastronomen inzwischen zu ungewöhnlichen Mitteln.

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© René Meinig

Von Julia Vollmer

Vier Gänge auf vier Löffeln. Dafür steht Verena Leister. Mit ihrer Löffelbande, zwölf Köchen, die gemeinsam durch Deutschland touren und bei Events kochen, bietet sie die kleinen Löffel-Häppchen an.

Verena Leister ist eigentlich gelernte Hotelfachfrau, absolvierte ihre Ausbildung in einem Dresdner Hotel. Doch nach ein paar Jahren wollte sie mehr: ihren Horizont erweitern und kreativ sein. Kochen war schon immer ihre Leidenschaft, also traute sie sich, kündigte ihren Job und bewarb sich bei der Koch-Casting-Show „The Taste“ beim Fernsehsender Sat 1. Sie kam weit, schied erst als letzte Hobbyköchin im Kampf gegen Profis aus. Heute hat sie es geschafft: Sie arbeitet als festangestellte Köchin bei der Aldente Catering Group, die unter anderem für die Filmnächte kocht.

Sind ungelernte Hobbyköche eine Alternative, um den akuten Fachkräftemangel zu lösen? Dieser ist inzwischen so gravierend, dass in Dresden unter anderem das Pillnitzer Schlosshotel, das Ringhotel und das Dorinth-Hotel einen Tag pro Woche schließen müssen. Ihnen fehlt es schlicht an Personal. Sowohl an Köchen als auch an Restaurantfachleuten.

Thomas Gaier kann sich durchaus auch ungelernte Köche in seinem Lokal vorstellen, sagt der Geschäftsführer von Schloss Eckberg. Leidenschaft für den Beruf sei das Wichtigste. „Und die erlernen die Azubis nicht bei der Ausbildung. Natürlich müssen die Hobbyköche aber entsprechend geschult und eingearbeitet werden“, so Gaier. Auch Marc Arendt, Chef des Ringhotels, hätte kein Problem damit, ungelernte Köche oder Kellner einzustellen, wenn sie geeignet sind. „Es ist doch egal, ob es einer gelernt oder im Blut hat.“ Arendt muss sein Restaurant aufgrund des Personalmangels an einem Tag in der Woche schließen.

Und ihm geht es damit wie vielen Dresdner Gastronomen und Hoteliers. Wichtig sei für Bewerber die Bereitschaft, auch zu ungewöhnlichen Tages- und Nachtzeiten zu arbeiten, am Wochenende und am Abend. Doch das möchten viele nicht. Studentische Aushilfen seien auch keine Alternative, weil schwer zu bekommen. „Unter zehn Euro Stundenlohn bekommt man keinen, und das kann unsere Branche nicht zahlen“, sagt Arendt. Das reiche vielen nicht, und sie suchen sich einen anderen Studentenjob. „Aber wenn ich meinen Fachkräften zehn Euro zahle, kann ich die Studenten nicht besser entlohnen.“

Sandra Warden, Geschäftsführerin des Dehoga-Bundesverband zeigt sich dem Einsatz ungelernter Mitarbeitern gegenüber offen. „Wenn sich jemand privat fürs Kochen und für Lebensmittel interessiert, ist das eine gute Voraussetzung, um auch in einer Profi-Küche seinen Platz zu finden“ Allerdings müssten Hobbyköche wissen, dass professionelles Kochen eine ganz andere Herausforderung sei als am heimischen Herd. Schnelle und präzise Arbeitsprozesse, Teamarbeit, wirtschaftliches Arbeiten und Hygiene hätten dabei einen viel höheren Stellenwert.

Kritisch sieht Schillergarten-Chef Thomas Jacob den Einsatz von Hobbyköchen. „Ich bin da eigentlich ganz offen, arbeite auch mit ungelernten Kellnern. Aber in der Küche will ich voll ausgebildete Profis.“ Eine Lösung müssen die Restaurants finden, wenn sie nicht schließen wollen. Der Mangel an Köchen und Restaurantfachleuten beginnt schon bei der Ausbildung. Die Zahl der Azubis sinkt immer weiter. Während 2007 noch 629 Azubis Koch in Dresden werden wollten, waren es 2016 nur noch 189, so Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. Zudem beenden nicht alle die Ausbildung. „Die Bestehensquote ist in den letzten Jahren unverändert und liegt bei 80 Prozent.“

Davon kann Siri Leistner, Schulleiterin am Berufsschulzentrum für Gastgewerbe in Dresden, ein Lied singen. Während 2011 noch 192 junge Leute ihre Ausbildung zum Restaurantfachmann oder zur -frau und 404 Koch-Azubis anfingen, waren es im Schuljahr 2016/17 nur noch 106 Kellner und 266 Köche. „Nur wer studiert, gilt etwas in der Gesellschaft. Ausbildungsberufe haben keine gute Lobby“, sagt Leistner, wenn sie nach den Gründen für den Schülerrückgang gefragt wird. Doch auch die schlechte Bezahlung halte viele ab. „ 40 Prozent der vom Zoll überprüften Betriebe bundesweit zahlen immer noch keinen Mindestlohn.“ Die Zahl der freien Stellen in der Dresdner Gastronomie schnellt in die Höhe. Aktuell sind 66 Kellner-Stellen frei. Vor zehn Jahren im gleichen Monat waren es nur 38, so Berit Kasten, Sprecherin der Arbeitsagentur. Bei den Köchen sind es 51 freie Stellen, 2007 waren es 21.

Verena Leister arbeitet gern abends und am Wochenende. Das kennt sie aus ihrer Zeit als Hotelfachfrau. „Man muss für die Gastronomie geboren sein, um das mitzumachen“, sagt sie. Sie hat sich das Kochen selbst beigebracht. Kochbücher liest sie selten, dafür tauscht sie sich viel mit Kollegen aus. „Kombiniere doch diese Zutaten mal oder schneide das Gemüse so“, diese Tipps hört sie von ihren Mitstreitern aus der Löffelbande. Diese Gruppe hat sich im Anschluss an „The Taste“ gegründet. Inzwischen kochen sie deutschlandweit. In Dresden kann man die „Vier Gänge auf Löffel“ übrigens auch bald erleben. Am 23. September im Bistro Feinsinn.