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Heute geschlossen wegen Fachkräftemangel

Immer mehr Restaurants müssen tageweise zumachen. Sie finden nicht mehr genügend Kellner und Köche.

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© R. Meinig

Von Julia Vollmer

Dienstag ist Ruhetag. Dort, wo sonst im Pillnitzer Schlosshotel geschäftiges Treiben herrscht, Köche in der Küche mit Teller klappern, Gemüse schnippeln und Fleisch anrichten, ist es am Dienstag merkwürdig ruhig. Der Grund für diese Ruhe ist der Sturm, der gerade über die ganze Branche hereinbricht. Fachkräftemangel heißt er. Um sein Personal zu schonen, musste sich Geschäftsführer Veit Zepp für diesen radikalen Schritt – einen Schließtag – entscheiden. Sieben Köche arbeiten momentan für ihn, auf Dauer zu wenig. Viele junge Leute hätten keine Lust mehr, am Samstag und Sonntag zu arbeiten, sagt er. Oder sie wandern in besser bezahlte Regionen wie nach Österreich oder in die Schweiz ab. „Im schlimmsten Fall muss ich einen zweiten Tag in der Woche schließen“, sagt er. Jetzt öffnet er sein Restaurant, in dem Promi-Koch Thorsten Bubolz der Chef ist, am Dienstag nur noch für Hausgäste.

Der Mangel an ausgebildeten Köchen und Restaurantfachleuten beginnt ganz am Anfang. Bei den immer kleiner werdenden Zahlen an Azubis. Während 2007 noch 629 Azubis in Dresden ihre Lehre zum Koch begonnen haben, waren es 2016 nur noch 189, so Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. Nicht jeder, der anfängt, beendet seine Ausbildung. „Die Bestehensquote ist in den letzten Jahren unverändert und liegt bei 80 Prozent.“

Alarm schlägt auch Siri Leistner, Schulleiterin am Berufsschulzentrum für Gastgewerbe in Dresden. Während 2011 noch 192 junge Leute ihre Ausbildung zum Restaurantfachmann oder -frau und 404 Koch-Azubis anfingen, waren es im Schuljahr 2016/17 nur noch 106 Kellner und 266 Köche. „Nur wer studiert, gilt etwas in der Gesellschaft. Ausbildungsberufe haben keine gute Lobby“, antwortet Leistner, wenn sie nach den Gründen für den Schülerrückgang gefragt wird. Auch die schlechte Bezahlung halte viele ab. „ 40 Pozent der vom Zoll überprüften Betriebe bundesweit zahlen immer noch keinen Mindestlohn.“ Die Zahl der freien Stellen in der Dresdner Gastronomie schnellt in die Höhe. Aktuell sind 66 Kellner-Stellen frei und das ist der Hochsaison, vor zehn Jahren im gleichen Monat waren es nur 38, so Berit Kasten, Sprecherin der Arbeitsagentur. Bei den Köchen sind es 51 freie Stellen, 2007 waren es 21.

Michael Mollau, Chef des Dresdner Dorinth-Hotels, kennt das Problem. Er schließt sein Restaurant jeden Sonntag, nur die Bar schenkt aus. „Mir fehlen mindestens zwei Kellner und zwei Köche“, sagt er. Früher habe er Wäschekörbe voller Bewerbungen bekommen, heute sind es gerade mal fünf auf drei Azubi-Stellen. Um die 14 Köche und 20 Restaurantfachleute halten zu können, muss er ihnen etwas bieten. „Ich zahle Nachtzuschläge und Überstunden“. Das sei früher unüblich gewesen.

Als „völliges Desaster“ beschreibt Marc Arendt, Chef des Ringhotel Residenz Alt Dresden, die Lage auf dem Markt. Aus Mangel an Köchen und Kellnern muss er sein Hotel-Restaurant sogar an zwei Tagen schließen. Sonntag und Montag. „Ich beobachte einen Generationswechsel. Chillen, Freunde und Freizeit sind heute vielen wichtiger als die Arbeit“, so Arendt. Er erlebe immer wieder, dass Fachkräfte aufhören und sich einen anderen Job suchen, um nicht mehr am Wochenende arbeiten zu müssen. „Eine Kellnerin von mir fährt jetzt als Kurierfahrerin und verdient das Gleiche.“ Die Frühschicht werde immer beliebter, am Abend will keiner mehr arbeiten. Bewerbungen gäbe es deutlich weniger und die, die es gibt, wüssten um ihren Marktwert. „Wie oft wurden Vorstellungsgespräche schon 30 Minuten vorher oder gar nicht abgesagt. 70 Prozent der Bewerber kommen unentschuldigt nicht“, ärgert sich Arendt. Auch Mietköche über Agenturen seien so gut wie nicht zu bekommen. Keine Leute, kein Nachwuchs, heißt es von dort. Stephanie Heckel, Sprecherin des Dehoga Bundesverbandes, sucht nach Ursachen für den Nachwuchsmangel. „Thema Nummer eins ist der demografische Wandel. Weniger Schulabgänger und der Run auf das Studium sind die Hauptgründe für diese ernst zu nehmende Entwicklung. Die Zahl der Studienanfänger ist heute fast doppelt so hoch wie vor 20 Jahren.“

Doch wie kann der Weg aus der Krise aussehen? „Unsere Branche braucht dringend ein positiveres Image“, wünscht sich Dehoga-Dresden-Geschäftsführer Axel Klein. „Dienstleistungen müssen wieder besser anerkannt werden. Kaum ein Gast gibt noch ordentliches Trinkgeld“, beobachtet er. Die Dehoga wirbt jetzt verstärkt für die Berufe Koch und Restaurantfachmann. „Man kann überall auf der Welt arbeiten und immer wieder neue Leute und Orte kennenlernen“,so Klein. Dehoga-Bundessprecherin Heckel sieht die Lehrer in der Pflicht.“ Hier sind auch die allgemeinbildenden Schulen gefordert. Zur Ausbildungsreife gehört eben auch die Vorbereitung auf das Arbeitsleben.“

Veit Zepp vom Schlosshotel Pillnitz, das seit über 20 Jahren ein Familienbetrieb ist, setzt auf gutes Klima, um seine Leute zu halten. Betriebsgrillen, Anerkennung und Urlaub in den Sommermonaten. Das war früher undenkbar in der Hochsaison.