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Herr Chen und das Holz

Suriname ist das kleinste Land Südamerikas - und das grünste der Welt. Auch hier zeigt sich, wie stark der Einfluss Chinas voranschreitet. Es geht nicht um Öl, sondern um Tropenholz. Das Land mutet wie eine Kolonie Pekings an.

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© dpa

Georg Ismar

Paramaribo. Jimmy Chen ist so etwas wie der Vorzeige-Chinese. Als Winston Lackin erfährt, dass man zur Holzindustrie recherchiert, ruft der langjährige Außenminister Herrn Chen an. Der ist der Chef von „Mobi Chen/Woodworking Factory“ und produziert hier in Suriname, statt Tropenholz nur ins Ausland zu exportieren. In dem Land mit 550 000 Einwohnern kennt fast jeder jeden. Und wo viel über die Ablösung der USA als führende Wirtschaftsmacht durch China geredet wird, ist das kleinste Land Südamerikas gerade ein sehr interessantes Beispiel.

Kein Land der Welt hat mit rund 93 Prozent einen so großen Waldanteil gemessen an der Landesfläche wie das Land nördlich von Brasilien. Es ist eine dieser Globalisierungsgeschichten - aus Klimaschutzgründen sollte aus Sicht von Fachleuten am besten gar kein Tropenholz mehr hier im südamerikanischen Regenwald abgeholzt werden. Aber der Boom bei edlen, robusten Bodenbelägen zum Beispiel für die Dachterrasse in Berlin, Paris oder London, wird in Suriname als Wirtschaftsmotor angesehen. Davon profitiert die heimische Wirtschaft nur bedingt.

Überall außerhalb der Hauptstadt Paramaribos sind entlang der staubigen Pisten Schwerlastransporte zu sehen, die donnernd Richtung Hafen brausen. Entlang der Pisten liegen riesige Tropenholzstämme übereinander gestapelt, mit großen Nummern für die Ausfuhr beklebt.

Zehn Prozent der Bevölkerung sind bereits Chinesen, also jeder zehnte Einwohner. Das hat auch historische Gründe, weil Chinesen schon im 19. Jahrhundert in die am Atlantik gelegene frühere niederländische Kolonie einwanderten. Aber heute geht es vor allem um den globalen Rohstoffhunger, das hat eine neue Ansiedlungswelle ausgelöst. Der Einfluss ist im Straßenbild schon bei Supermärkten und Restaurants unverkennbar, es wirkt wie eine Kolonie Chinas in Südamerikas Tropen. Im Parlament sitzt sogar ein Abgeordneter chinesischer Abstammung.

Besuch bei „Mobi Chen“. Sägen kreischen, Stämme mit edlem Tropenholz werden zersägt, draußen türmen sich wie Sanddünen die Sägemehlberge. Der Chef, Jimmy Chen, fühlt sich weiter als Chinese, man kann in Suriname wunderbar in der eigenen Welt leben. Gerade in der Holzindustrie dominieren chinesische Geschäftsleute den Markt. Chen führt das Unternehmen mit Sohn Xu Dong. „Vier Container Holz liefern wir pro Monat nach Europa“, erzählt Chen beim Gang durch die Fabrik, 70 Mitarbeiter hat er, überwiegend Chinesen. „Wir benutzen das Holz für Bodenbeläge.“ Vieles ginge nach Belgien, Deutschland, England.

Überall gibt es in Paramaribo chinesische Supermärkte. In den Casinos werden Abend für Abend Unmengen an Dollars eingesetzt. Und es gibt einen großen Massage- und Amüsierclub, das „Su Dong Ressort“, wo eingeflogene Programmdamen aus China für sexuelle Vergnügungen anzutreffen sind. Man gibt sich stets aber sehr wortkarg, wenn es darum geht, Geschäfte und Verbindungen zur Politik zu besprechen.

Es gibt von Seiten eines deutschen Vertreters einer internationalen Organisation Hinweise, dass die Forstbehörde zerschlagen und direkt dem Präsidenten Desi Bouterse unterstellt werden könnte - der war früher an einem Militärputsch beteiligt und agierte als Diktator. In den Niederlanden wurde er wegen Kokainhandels in Abwesenheit zu elf Jahren Haft verurteilt. Ex-Außenminister Lackin ist einer seiner engsten Berater. Stolz erzählt er, dass ihn jüngst die Kommunistische Partei Chinas zu einem zehntägigen China-Aufenthalt eingeladen habe.

Es wirkt wie dezente Landschaftspflege. „1853 kamen hier die ersten Chinesen an, sie waren von Anfang an vertrauenswürdige Partner“, sagt Lackin. Er war im Oktober als offizieller Vertreter Surinames bei der UN-Klimakonferenz in Bonn und hat dort verkündet: „Wir sind das grünste Land der Erde“. Im Gespräch in Paramaribo sagt er, in Kürze werde - auch zum Schutz des Klimas - ein Exportstopp für Baumstämme verhängt. Er kann rauf und runter über die verschiedenen Klimageldtöpfe referieren, wie den milliardenschweren Green Climate Fund, die für solche Maßnahmen lukrative Ausgleichszahlungen versprechen, um gerade ärmeren Staaten beim Klimaschutz zu helfen.

Das Exportverbot hört sich gut an, aber die Recherchen fördern ein etwas ambivalenteres Bild zutage. Das zeigt ein Treffen mit der Algemene Surinaamse Houtunie, der Gewerkschaft der Holzindustrie. „Der Staat braucht das ausländische Geld“, sagt Präsident André Soeltaansingh. „Der chinesische Einfluss steigt Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute.“ Es gibt Streit mit der Regierung, weil das ab Februar geplante Exportverbot aufgeweicht werden soll.

Worum geht es? Statt drei Sorten sollen nur Baumstämme der Arten Gronfolo und Angélique (Basralocus) mit dem Bann belegt werden, nicht aber das häufig vorkommende Kopi. „Unser Vorschlag ist, den ganzen Export zu verbieten“, sagt Soeltaansingh. Aber ihm geht es da weniger um den Klimaschutz, sondern um die Interessen seiner Industrie, rund 4500 bis 6000 Arbeitsplätze sichern bisher surinamische Holzfirmen.

Denn das Exportverbot für ganze Baumstämme bedeutet nicht, dass dann diese betreffenden Sorten gar nicht mehr gerodet werden, so wie es im Ausland den Anschein haben könnte. Sondern es soll dazu dienen, dass die Verarbeitung zu Möbeln und Bodenbelägen nur noch in Suriname stattfindet, so wie es eben schon Herr Chen praktiziert. „Aber gerade chinesische Unternehmen machen unheimlich viel Druck im Hintergrund“, sagt der Gewerkschafter Soeltaansingh. Sie würden über Mittelsmänner viele Konzessionen für Waldgebiete von Einheimischen aufkaufen.

Oft gibt es „Unter-der-Hand-Geschäfte“: Zum Beispiel überlassen Unternehmen, die Rohstoffe wie Gold fördern wollen, zunächst einer Holzfirma die Konzession, um das ganze Waldgebiet roden zu lassen.

Holzunternehmer Chen muss auf Nachfrage lächeln, als er nach dem Preis für seine Konzessionen gefragt wird, um in einem bestimmten Waldgebiet Tropenholz fällen zu dürfen. Sie haben drei Bereiche mit 50 000 Hektar - dort wird nicht alles gefällt, sondern nur Sorten, die man braucht. „Es ist nicht so viel.“ Laut der Gewerkschaft müssen pro Jahr und Hektar nur sechs Suriname-Dollar gezahlt werden, bei 50 000 Hektar wären das 300 000 Surinam-Dollar, umgerechnet 33 600 Euro.

Bei der Ausfuhr ganzer Stämme von nicht unter das geplante Exportverbot fallenden Sorten fallen 24 US-Dollar je Kubikmeter an, dies soll nun auf 40 US-Dollar ansteigen. Suriname hat sehr viel Holz und ist dünn besiedelt, daher gibt es längst nicht Abholzungszahlen wie etwa in Brasilien. Aber das Potenzial haben einige früh erkannt.

Herr Chen unterstützt das Exportverbot für bestimmte Sorten. Kein Wunder, er verarbeitet ja bereits das Holz vor Ort. Sein Sohn betont: „Nur Baumstämme werden beim Export besteuert.“ Aber ihre Bodenbeläge nicht. Die Holzgewerkschaft räumt ein, dass es bisher gar nicht genug surinamische Unternehmen gebe, um all das Holz hier zu verarbeiten. Man fürchtet, dass Unternehmen aus China diese Lücke füllen werden. (dpa)