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Herdenschutz stößt an Grenzen

Der Wolf bringt immer mehr Schäfer in Bedrängnis. Der Freistaat hat kaum Antworten darauf.

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© Martin Just

Von Nicole Preuß

Cunnewitz. Der Schreck sitzt bei Schäfer Martin Just noch tief. Der Landwirt im Nebenerwerb hat drei Schafherden in Cunnewitz. Eine wurde vor mehr als zwei Wochen in zwei aufeinanderfolgenden Nächten von Wölfen überfallen. Der Schäfer verlor 31 Schafe und das nicht zum ersten Mal. Bereits im vergangenen Jahr wurde eine seiner Herden vermutlich vom Rosenthaler Wolfsrudel attackiert. Und genau das stellt den Schäfer nun vor Probleme.

Denn eigentlich würde er seine Tiere nun gern mit noch mehr Mitteln vor dem Wolf schützen, obwohl er den verlangten Mindeststandard schon erfüllt. Ein Experte des Wolfsmanagements hat ihm geraten, einen Elektrozaun hinter den vorhandenen Festzaun zu setzen oder Herdenschutzhunde für seine Schafe anzuschaffen. Doch für solche kostspieligen Maßnahmen bekommt der Schäfer aller Voraussicht nach keinen Zuschuss mehr. Die Europäische Union hat die Fördermittel aus dem Fonds De-minimis nämlich für landwirtschaftliche Betriebe wie seinen begrenzt.

Die Politik kennt das Problem noch nicht

Der Schäfer Martin Just kann demnach maximal 15 000 Euro in drei Wirtschaftsjahren aus dem Fördertopf bekommen und diese Grenze hat er schon jetzt erreicht. Das liegt vor allem daran, dass er schon so viele Tiere verloren hat. So bekam er eine Entschädigung für die ersten Risse, investierte dann noch einmal mit Fördermitteln in besseren Schutz und erwartet nun wieder eine Entschädigung. Die Zuschüsse für Öl und Gas, die er wie jeder landwirtschaftliche Betrieb bekommt, spielen auch mit in die Summe. Alle Schutzmaßnahmen, die er jetzt ergreift, muss er also aus eigener Tasche bezahlen. „Die einzige Konsequenz, die ich daraus ziehen kann, ist eigentlich, nach den nächsten Rissen mit der Schafhaltung aufzuhören“, sagt der Schäfer. „Und die kommen bestimmt.“

Das Problem ist bisher in der Politik noch nicht bekannt. Denn Martin Just ist der erste Schäfer im Freistaat, der diese Fördergrenze erreicht hat. Das bestätigen die zuständigen Behörden auf SZ-Anfrage. Sachsen ging also bisher davon aus, dass die 15 000 Euro genügen werden. Doch dass ist bei der steigenden Zahl der Risse, wie das Cunnewitzer Beispiel zeigt, offenbar bald nicht mehr der Fall. Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt schreibt in einer Broschüre zum Herdenschutz: „Der Freistaat Sachsen wird die Nutztierhalter, die durch die Anwesenheit des Wolfes über Gebühr belastet werden, unterstützen und Maßnahmen ergreifen, um Konflikte auf ein Minimum zu reduzieren.“ Doch gerade die größeren Schäfereien, die besonders viele Tiere an den Wolf verloren haben, kommen nun in Schwierigkeiten.

Landesdirektion verteidigt die Regeln

Die Landesdirektion Sachsen, die für die Entschädigung bei Rissen zuständig ist, verteidigt die Regel. Die Grenze von 15 000 Euro habe die EU im Agrarbereich festgelegt, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, heißt es. Die Tiere, die der Wolf tötet, bekomme der Schafhalter zudem auch über diese Grenze hinweg ersetzt. Dann erhalte er aber nicht mehr die volle Summe, sondern 80 Prozent. „Die Erstattung der verbliebenen 20 Prozent des Schadens übernimmt – auf freiwilliger Basis – die Gesellschaft zum Schutz der Wölfe“, sagt ein Sprecher. Die übernimmt den Anteil aber nicht in jedem Fall. „Wir haben ein Übereinkommen mit dem sächsischen Staat, dass wir in solchen Fällen einspringen“, sagt der Vereinsvorsitzende Dr. Peter Blanché auf SZ-Nachfrage. „Wir machen das auf Anfrage des sächsischen Wolfsmanagements, aber nicht pauschal.“

Martin Just würde seine Tiere gern vor dem nächsten Übergriff schützen. Er hat dabei das Problem, dass das Rosenthaler Rudel gelernt hat, Zäune zu überspringen. Herdenschutzhunde, die helfen könnten, kosten im Allgemeinen mehrere Tausend Euro. Den Einsatz von Eseln gegen die Wölfe sieht der Schäfer kritisch.

Martin Just ist aber nicht der einzige Tierhalter, der sich beim Thema Herdenschutz auf Veränderungen einstellen muss. Auch die anderen Schäfer, die die Grenze bisher nicht erreicht haben, müssen künftig wieder mehr Geld in den Herdenschutz investieren. Im vergangenen Jahr kamen noch 80 Prozent der Kosten für höhere Zäune oder Herdenschutzhunde aus dem EU-Fördertopf, zwanzig Prozent übernahm die Heinz-Sielmann-Stiftung.

Die Vertreter der Stiftung waren von der Zahl der Anfragen allerdings überrascht. Die bereitgestellten 30 000 Euro reichten nicht. 62000 Euro waren es am Schluss für 281 Anträge. Doch nun sind die Mittel erschöpft. Das bedeutet, weniger Geld für die Tierhalter. Martin Just hofft, dass sich für ihn eine Lösung findet. Das zuständige Landesamt rät, einen Förderantrag zu stellen. „Auf dieser Grundlage würde geprüft, in welchem Umfang weiter Fördermaßnahmen möglich sind.“ Der Schäfer will sich jetzt erst einmal mit kostengünstigem Flatterband behelfen. Und hofft, dass der Schutz reichen wird.