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Helfer in der Not

Vor 25 Jahren wurde der Görlitzer Ortsverband des Technischen Hilfswerkes gegründet. Er war der erste in Sachsen.

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© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Ende Oktober fuhr das komplette Görlitzer Technische Hilfswerk (THW) nach Löbau. Dort hatten die Ostsächsischen Eisenbahnfreunde zwei Waggons stehen, die verschrottet werden sollten. Für die THW-Helfer ein ideales Übungsfeld im Umgang mit Trennschleifern und Schneidbrennern.

Zum Handeln bei Hochwasser absolvierte das Görlitzer THW 1996 eine Großübung in Hagenwerder.
Zum Handeln bei Hochwasser absolvierte das Görlitzer THW 1996 eine Großübung in Hagenwerder. © P. Wilhelm
Abriss eines maroden Hauses: In Ludwigsdorf wurde das jüngst trainiert.
Abriss eines maroden Hauses: In Ludwigsdorf wurde das jüngst trainiert. © Ralph Schermann

Immer wieder üben rund 70 Görlitzer Freiwillige solche Handgriffe, um für Einsätze gewappnet zu sein. Sie tun das seit 25 Jahren. Damals, 1991, stand in der Zeitung: „Am Abend des 8. November erfolgte im großen Saal des Rathauses die Gründung des Ortsverbandes Görlitz des Technischen Hilfswerkes. Die Patenschaft übernahm der THW-Geschäftsführerbereich von Schwandorf.“ Das Besondere daran: Görlitz war der erste THW-Ortsverband, der in Sachsen seine Arbeit aufnahm. Klar, dass man sich jetzt zum Jubiläum der östlichsten Dienststelle der Bundesanstalt auch dafür kräftig auf die Schultern klopft.

Seit 1991 hat sich freilich vieles gewandelt – mögliche Gefahren, vorhandene Fahrzeuge, einsatzbereite Helfer. Zuerst galt es, jene Lücke zu schließen, die durch den Wegfall der Formationen der DDR-Zivilverteidigung entstanden war. Schritt für Schritt wurden aus W-50, L-60 und B-1000 moderne Mercedes-Lkw, umrahmt von Spezialgeräten wie Notstromhänger, Tieflader, Unimog und Radlader. Undichte Schlauchboote machten Kunststoff-Pontons Platz. Jetzt stehen 14 Einsatzfahrzeuge in den einstigen Kampfgruppen-Garagen nahe dem Flugplatz, zu denen sich 1998 ein schmuckes neues Mehrzweckgebäude gesellte. Alarmiert wird längst auch beim THW mit Funkmeldeempfängern.

Unter dem Motto der Truppe „Treu helfen wir“ gehörte Georg Heinze zu den Gründungsmitgliedern. Der einstige Leiter der Rechenstation im Kondensatorenwerk war über 20 Jahre Mitglied der Betriebsfeuerwehr. Das Ende des Betriebsteiles bedeutete für ihn den Vorruhestand, doch beim THW fand er eine neue Aufgabe. 1994 wurde er zum Görlitzer Ortsbeauftragten berufen, wie der jeweils örtliche THW-Chef heißt. Als er mit Beginn des Jahres 2002 aus Altersgründen den Vorsitz abgeben musste, blickte er auf eine bewegte Zeit zurück. Zum Beispiel galt das THW als Wehrersatzdienst. „Eine Versicherung schickte mir gleich alle jungen Leute, 25 an der Zahl“, erinnert sich Heinze. Die junge Marktwirtschaft im Osten ließ Versicherungswerber boomen, da störten Bundeswehr-Einberufungen das Geschäft. Rund 90 Helfer hatte Heinze unter sich, als man bremste: „Es kam die Order, auf einen Zug zurückzufahren. Als wir das erreicht hatten, sollten es plötzlich doch wieder zwei Züge werden, doch da waren einige Helfer weg.“ Heute teilt sich der Technische Zug in zwei Bergungsgruppen, einen Trupp für materielle Sicherstellung und zwei Fachgruppen.

„Es ist schwieriger geworden, Helfer zu gewinnen“, sagt Daniel Reichstein, bekannt als Leiter der Görlitzer Niederlassung von Little John Bikes und Heinzes Nachfolger. Zumal auch er als Ortsbeauftragter die Erfahrung gemacht hat, dass es „nichts wird, wenn die Begeisterung fehlt“. Wer also das THW nur als Pflichtübung sieht, ist kein Helfer von Dauer. Auch deshalb legen Reichstein und der überaus professionelle Zugführer Andreas Otte viel Wert auf Nachwuchsgewinnung und eine gute Motivation der THW-Jugend.

Wenn es darauf ankommt, ist auf die Görlitzer Helfer jedenfalls Verlass. Sie zeigen Einsatz bei allen bedeutenden sächsischen Katastrophenschutzübungen, halfen bei so manchem Hochwasser, kümmern sich um Absicherungen großer Sportveranstaltungen. Und als im Juli eine Windhose in Groß Krauscha das Dach einer Milchviehanlage zerstörte, kümmerten sie sich sogar mit um 300 Kühe. Womit auch für das nächste Jubiläum schon wieder Außergewöhnliches in der Chronik steht...

Technische Helfer

Vorläufer des THW war die 1919 von Otto Lummitzsch, einem Pionieroffizier, gegründete Technische Nothilfe (TN), die bis zum Jahr 1945 existierte.

1950 erhielt Lummitzsch von der Bundesregierung den Auftrag, einen zivilen Ordnungsdienst in der BRD aufzubauen. Die offizielle Gründung erfolgte am 22. August. Ab 20. Oktober 1951 wurde die Bezeichnung Technisches Hilfswerk (THW) offiziell. Bereits 1953 gab es den ersten Auslandseinsatz (Sturmflutkatastrophe in den Niederlanden). Am 25. August 1953 wurde das THW als eine eigene Bundesanstalt anerkannt.

In der DDR gab es als Pendant zum THW die aus dem Luftschutz hervorgegangene Zivilverteidigung.

Heute hat das THW bundesweit rund 80 000 ehrenamtliche Helfer und tausend hauptamtliche Mitarbeiter in acht Landesverbänden mit insgesamt knapp 800 Einsatzzügen.

Das THW kann auf Anfrage der Vereinten Nationen (VN) eine sogenannte „Standing Engineering Capacity“ (SEC) entsenden, die VN-Friedenseinsätze bei deren Strukturaufbau und -betrieb unterstützt.