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Hektische Stunden in der Heeresschule

Sieben Flüchtlingsbusse rollten Samstagnacht an. Eine Herausforderung für die Helfer.

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© Arvid Müller

Von Tobias Hoeflich

Ein eisiger Wind pfeift Samstagabend über das Gelände der Offizierschule des Heeres an der Marienallee. Nur wenige Gehminuten entfernt schiebt sich das Partyvolk durch die Straßen der Neustadt, Dresdens Ausgehviertel. Von Feierstimmung ist in der verwaisten Marienallee, wo nur alle paar Minuten ein Passant entlangschleicht, nichts zu merken: Deutsches Rotes Kreuz (DRK) und Technisches Hilfswerk (THW) rüsten die beiden Turnhallen der Heeresschule zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge um – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

In dieser Turnhalle sind die Flüchtlinge untergebracht.
In dieser Turnhalle sind die Flüchtlinge untergebracht.

Gegen 23 Uhr öffnet sich das Tor zum Gelände, ein DRK-Mitarbeiter fährt hinaus und informiert: „Wir sind so weit durch“, ruft er über das geöffnete Fenster der Beifahrertür den Reportern zu. Wie viele kommen, woher stammen sie? „Es sollen wohl um die 80 Kinder sein.“ Viel mehr wisse er auch nicht.

Ähnlich geht es Cornelia Riedel zu diesem Zeitpunkt. Die Sprecherin der Offizierschule hat gerade das Gelände verlassen, doch an Feierabend ist nicht zu denken. Ihr Handy klingelt im Minutentakt. „Es sollen um die 250 Flüchtlinge sein, vor allem aus Syrien“, sagt sie. Am Tag darauf wird Riedel von 269 sprechen, 80 davon Kinder. Sie selbst ist, wie ihre Kollegen der Heeresschule, von all dem überrascht worden. Erst am Nachmittag sickerten die Pläne durch, um 16.02 Uhr informierte das sächsische Innenministerium per Pressemitteilung. Von den 7 000 Flüchtlingen, die Sonnabend von Ungarn nach Deutschland kamen, würden Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen 500 aufnehmen – die Hälfte davon die Bundeswehr in Dresden.

Vom thüringischen Saalfeld werden die Asylbewerber mit sieben Bussen auf die Weiterfahrt nach Dresden geschickt. Der erste erreicht die Marienallee nach zwei Uhr in der Nacht. „Dolce Vita“ prangt in großen Lettern auf der Heckscheibe des Reisebusses. Ein „süßes Leben“ hat wohl keiner der Insassen. Während der Bus das Tor passiert und weiter in Richtung Turnhalle rollt, knipst Martin Dulig (SPD) schnell ein paar Fotos. Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister ist schon seit Mitternacht mit seiner Frau Susann vor Ort. Während die ersten Asylbewerber die Turnhalle beziehen, veröffentlicht Dulig zwei Fotos von deren Ankunft bei Facebook: „Refugees welcome to Dresden! Herzlich willkommen!“ Gegen 5.30 Uhr hat auch der letzte Bus Dresden erreicht.

Allen Flüchtlingen seien die Strapazen der letzten Tage anzusehen, sagt Cornelia Riedel, die Sonntagnachmittag längst wieder vor Ort ist und Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erwartet. Er hat sich direkt aus Wurzen vom Tag der Sachsen auf den Weg gemacht. „Ich habe erste Gespräche mit den Flüchtlingen geführt. Die ersten Kinder und Jugendlichen spielen schon auf dem Fußballplatz“, sagte er später.

Nach einem kurzen Rundgang über das Areal bedankt sich Tillich beim Technischen Hilfswerk, beim Roten Kreuz und bei der Bundeswehr. Zugleich mahnt der Ministerpräsident eindringlich: Der Bund müsse die Flüchtlingspolitik als „nationale Aufgabe“ verstehen. „Wir wissen, dass das nicht die letzten Flüchtlinge waren, die zu uns kommen.“