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Heiß-kaltes Schiedel

Im Pärchenclub wird den Gästen auch im Winter warm ums Herz. Auf 12 000 Quadratmetern kein Problem.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Die Wellensittiche, Pfauen und Enten in ihren Volieren und Gehegen im Freien oder im Haupthaus zwitschern und schnattern munter vor sich hin. Ja – in Schiedel ist man gut zu Vögeln. Durchaus auch im erweiterten Sinne. Der hiesige Pärchenclub ist deutschlandweit bekannt. Seit 22 Jahren betreibt ihn Reinhard Bartels mit Leidenschaft und immer neuen Ideen. Mehrfach ausgezeichnet wurde der Club des gebürtigen Bautzeners dafür schon. In den Anfangsjahren berichteten mehrere Fernsehsender darüber. Ob Russenparty, Hengstparaden, Subbotnik, Stutenmarkt, Römer- und Poolparty, Schiedel 4 Young oder ein ganz normaler Swingerabend – hier bleiben auch heute noch keine Wünsche offen. Die Swinger-Szene fühlt sich wohl im abgeschiedenen Areal am Rand von Kamenz. Seit Langem schon.

Erotische Kunst aus Kenia darf nicht fehlen. Die Bartels reisen viel, wenn es die Zeit erlaubt. Gern hätten sie mehr davon.
Erotische Kunst aus Kenia darf nicht fehlen. Die Bartels reisen viel, wenn es die Zeit erlaubt. Gern hätten sie mehr davon. © privat
Der Pärchenclub Schiedel im Sommer: „Das Paradies trägt einen Namen“, titelt die Homepage. Zumindest visuell stimmt das.
Der Pärchenclub Schiedel im Sommer: „Das Paradies trägt einen Namen“, titelt die Homepage. Zumindest visuell stimmt das. © privat

Diese kommt aus ganz Sachsen, Brandenburg bis weit hinein in die alten Bundesländer. Die Klientel vergnügt sich an den Wochenenden vor Ort. Manchmal sind es 40 Paare. Manchmal – wie letztens zu Silvester – über einhundert. Stammgäste gehen ein und aus. Ab und an kam schon mal ein ganzer Reisebus her. Viele bleiben übers Wochenende. Manche gleich länger. Urlaub mit dem besonderen Etwas ist hier durchaus machbar. Der Reiz liegt in der Verbindung von Erotik, Wellness und absoluter Ruhe. Reinhard Bartels und seine thailändische Frau Siro haben jedenfalls gut zu tun. Das immerhin 12 000 Quadratmeter große Areal braucht viele Hände, die zupacken. Auch eine fest angestellte Kraft arbeitet deshalb seit Jahren mit im Team. Die restlichen Aufgaben werden mit Honorarkräften abgefedert. Über die Woche ist es allerdings meistens ruhig. „Ein bisschen durchatmen muss man schließlich. Es gibt ja auch noch andere Dinge im Leben“, sagt der Wahl-Schiedeler.

Befreundet mit den Einwohnern

Früher war Reinhard Bartels einer der namhaftesten Akt-Fotografen der DDR. Er veröffentlichte Bücher und Bildbände, welche unter dem Namen „Die nackte Republik“, „Akt und Landschaft“ oder „Der nackte Osten“ für Auf- und Erregung sorgten. „Ich habe fürs Neue Leben oder Magazin gearbeitet. Auch darüber bin ich letztendlich irgendwie zu meinem neuen Job gekommen“, schmunzelt er. Genuss, schöne Frauen, Lebensfreude, die neue Freizügigkeit nach der Wende – Reinhard Bartels kaufte in den Neunzigern das Grundstück im heutigen Kamenzer Ortsteil. Früher war hier die Dorfkneipe, noch eher der Konsum. Die Einheimischen schauten zuerst zaghaft zu, was da entsteht. Nannten das Haus „die rote Ecke“. Wenig später waren Familie Bartels und sie Freunde. „Das Zusammenleben klappt bis heute prima. Ich konnte mich nie beklagen“, sagt er. Vor allem Tage der offenen Tür haben die Herzen der Menschen geöffnet. Tausende kamen in den letzten Jahren neugierig schauen, was denn da so hinter den Mauern läuft. Die positiven Meinungen überwogen. Mittlerweile hat der Pärchenclub diese abgeschafft. „An einem der letzten Männertage hat man mir meine Schilder vor der Tür geklaut. Jetzt habe ich keine Lust mehr auf so etwas“, sagt der Geschäftsmann.

Reinhard Bartels schuf etwas, das heute noch seinesgleichen in der Region sucht. Einen Pärchenclub gibt es zwar auch in Dresden. Dann kommt aber eine Weile nichts. „Jeder arbeitet natürlich nach seinem eigenen Konzept. Wir haben uns auf eine verführerische Komposition aus Erotik, tropischem Flair und rustikaler Natürlichkeit entschieden. Und das kommt super an“, sagt er. Noch früher war er Maurer. Das war ihm irgendwann zu öde. Half später allerdings, seinen ganz privaten Garten Eden in Schiedel zu errichten. „Das Paradies hat einen Namen“, prangt auf der Titelseite der Club-Homepage. Und irgendwie fühlt man sich wirklich in selbiges versetzt. Allein visuell. Beim Vorbeifahren an der Oßlinger Straße kann man kaum erahnen, welche Weiten sich hinter den tristen Hausmauern verbergen. Ein kleiner Dschungel aus exotischen Pflanzen dominiert den Hauptbereich. Hier wachsen Feigenbäume, Palmen und Schlingpflanzen scheinbar willkürlich in die Höhe. Wären da nicht zwischendurch das bizarre Sexspielzeug und Gerätschaften, die auch ein bisschen an den erotischen Roman „50 Shades of Grey“ erinnern. Pornokino, Themenzimmer, Pools und Saunen locken außerdem. In einer Bambushütte wird thailändisch gekocht. Das macht der Chef dann sogar persönlich.

Lebt seinen Traum

Sein Hotel „Sachsendreier“ ist an den Wochenenden belegt. Das riesige Außenareal lockt außerdem seit 2003 zu Bade- und anderem Spaß. Sprungturm, kuschelige Bungalows und kenianische Erotik-Kunst inbegriffen. Sogar zelten kann man im angrenzenden Obstgarten. 190 Apfel- und 25 Kirschbäume stehen hier. „Letzten Herbst habe ich eine Tonne Äpfel zu Glühwein in Reichenbach verarbeiten lassen“, erzählt er begeistert. Ja – vielfältig ist das Leben in Schiedel. „Ich war immer glücklich hier, lebe meinen Traum“, meint Reinhard Bartel. „Aber nichts dauert ewiglich.“ Ein Abschied? Noch ist es nicht so weit. Noch gibt es Ideen. Noch öffnet sich das Paradies an jedem Freitagabend …