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Heimkehr der Optimisten

Auf dem Dresdner Börsentag sind sich Publikum und ein ehemaliger Fondsmanager einig: Es geht weiter aufwärts.

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Von Lars Radau

Es war für ihn so etwas wie eine Heimkehr: Schon bei einem der ersten Dresdner Börsentage hatte Heiko Thieme den größten Saal des Hörsaalzentrums der Technischen Universität locker gefüllt. Gut 1 000 Leute wollten damals dem gebürtigen Leipziger zuhören, der als Fondsmanager an der New Yorker Wall Street arbeitete. Das ist mittlerweile 18 Jahre her, Heiko Thieme ist jetzt 74 und lässt es etwas ruhiger angehen. Der Andrang indes ist nicht weniger geworden: Der große Saal des Dresdner Kongresszentrums war am Sonnabend fast bis auf den letzten Platz gefüllt, als Thieme zum Ende des diesjährigen Börsentags über „Globale Anlagechancen trotz geopolitischer Fragezeichen“ referierte.

Sächsische Anleger geben sich nämlich nicht mit simplen Tipps zufrieden – sie fragen nach. Auch bei dem ehemaligen Anlagemanager Heiko Thieme.
Sächsische Anleger geben sich nämlich nicht mit simplen Tipps zufrieden – sie fragen nach. Auch bei dem ehemaligen Anlagemanager Heiko Thieme. © kairospress

Das hat zwei Gründe: Zum einen inszeniert sich Thieme als Optimist. „Der Pessimist ist der einzige Mist, auf dem nichts wächst“, lautet sein von ihm gern und oft angebrachter Wahlspruch. Dass die Kollegen an der Wall Street ihn nur halb scherzhaft auch „Psycho-Heiko“ nannten, ficht Thieme nicht an. Mit dem damals von ihm gemanagten American Heritage Fund war Thieme Ende der Neunziger sowohl einer der größten Verlierer als auch einer der größten Gewinner der Branche. Innerhalb weniger Jahre waren die Abstürze des Fonds mindestens ebenso spektakulär wie die anschließenden Wertzuwächse. Auf lange Sicht aber, so Thieme, der seit 1972 mit Aktien arbeitet, kenne das Börsengeschehen nur eine Richtung: aufwärts.

Zum anderen ist das Publikum beim Dresdner Börsentag – laut den Veranstaltern mit rund 100 Ausstellern und gut 6 000 Besuchern die „größte Finanzmesse Ostdeutschlands“ – durchaus speziell. Die Besucher, heißt es fast unisono bei Ausstellern und Referenten, seien einerseits sehr an praktischen Tipps für ihre Geldanlage interessiert. Andererseits nähmen sie die Informationen und Aussagen nicht einfach so hin, sondern diskutierten und hinterfragten gern. Aber auch damit sind sie bei Thieme richtig: Der Börsenprofi, der seine Anlage-Expertise inzwischen über ein kostenpflichtiges Blog und einen Club monetarisiert, hat kein Problem damit, Fehleinschätzungen zuzugeben. „Vor zwei Jahren habe ich 2017 und 2018 noch für problematisch gehalten.“ Denn seit dem Crash im Zuge der US-Immobilienkrise 2009 habe es an den Aktienmärkten mehr als sieben Jahre Aufschwung ohne nennenswerte Korrekturen gegeben. Das, so Thieme, sei ihm nicht ganz geheuer gewesen. Inzwischen hat er aber zu seinem alten Optimismus zurückgefunden. Bis zum Jahresende, sagt Thieme, könne der Deutsche Aktien-Index, der derzeit bei rund 13 500 Punkten steht, durchaus um zehn Prozent zulegen. Selbst die Marke von 15 000 Punkten sei „denkbar“. Auch beim amerikanischen Aktien-Index Dow Jones, derzeit bei gut 26 000 Punkten, hält Thieme einen Spurt auf bis zu 30 000 Punkte für möglich.

Seine Argumente decken sich dabei mit denen konservativerer Marktspieler wie etwa Falko Block, Analyst bei der genossenschaftlichen DZ-Bank. Die Kurzfassung: Der gegenwärtige Wirtschaftsaufschwung sei stabil, die Zinsen blieben niedrig, die Aktienmärkte seien zwar hoch, aber dennoch realistisch bewertet. Blocks Institut rechnet für das Jahresende „eher mit 14 000 Punkten“ beim Dax. Einig sind sich der DZ-Mann und Heiko Thieme indes darin, dass die Volatilität, also die Schwankungsbreite der Märkte, zunehmen werde.

Von 25 Euro zur Million?

Während für den Optimisten Thieme stark sinkende Kurse „prinzipiell immer eine Gelegenheit zum günstigen Nachkaufen“ sind, hat er auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum doch einen überraschend zurückhaltenden Anlagetipp. Sein Kollege und Freund André Kostolany habe das Bonmot geprägt, man müsse „Aktien kaufen und Schlaftabletten nehmen“, die Papiere also liegenlassen. „Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“ Für ihn, betont Thieme, sei das zwar kein Weg. Aber dann fängt er an, vorzurechnen: „Schon wenn Sie für Ihren Enkel ab der Geburt monatlich 25 Euro in einen börsengehandelten Indexfonds stecken, der etwa den Dax abbildet, und im Schnitt ein Wachstum von sieben Prozent unterstellen, haben Sie das angelegte Geld bis zum Rentenantritt rund achtmal verdoppelt.“ Das, so Thieme, bedeute mit Sicherheit einen hohen sechsstelligen Betrag, im Idealfall mit noch höherem Wachstum sei auch eine knappe Million drin. „So oder so: ein angenehmes Ruhepolster“. Und auch für den Fall, dass sich die Aktienmärkte überhaupt nicht so entwickeln, wie der Optimist Thieme annimmt, gibt es noch eine Möglichkeit, selbst mit nominell wertlosen Papieren Geld zu verdienen: Zur Folklore des Börsentages gehört es auch, dass die „Berliner Wertpapiersammler“ einen Stand auf der Empore des großen Saals im Kongresszentrum haben. Dahinter steckt ein loser Verbund von Enthusiasten, die alte Aktien und Anleihen – auch von längst erloschenen Unternehmen – sammeln und handeln. Die wurden früher nicht nur im Computer verwaltet, sondern waren Kunstwerke: Liebevoll gestaltete und auf gutem Papier gedruckte Urkunden, die dem Besitzer seinen Anteil am Unternehmen zum Anfassen dokumentierten.