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Heidenaus buntes Miteinander

Elf große Buchstaben stehen jetzt am Bahnhof. Und sollen mehr als nur Kunst sein.

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© Dirk Zschiedrich

Von Heike Sabel

Heidenau. Miteinander ist 2,27 Meter hoch, 15 Meter lang, wiegt 1,5 Tonnen, ist bunt und steht seit Montag am Platz der Freiheit in Heidenau. Die elf Buchstaben sind Kunst, Symbol, Verbindung.

Die 15 Meter lange Metallskulptur „Miteinander“» des Bildhauers Hüseyin Arda steht am 06.10.2015 in Heidenau (Sachsen). Gemeinsam besprüht mit Heidenauern, regionalen Künstlern und Kindern soll die Wortskulptur ein Zeichen für tolerantes und respektvolles
Die 15 Meter lange Metallskulptur „Miteinander“» des Bildhauers Hüseyin Arda steht am 06.10.2015 in Heidenau (Sachsen). Gemeinsam besprüht mit Heidenauern, regionalen Künstlern und Kindern soll die Wortskulptur ein Zeichen für tolerantes und respektvolles © dpa

Das Wort ist das Werk des Künstlers Hüseyin Arda. Um die Finanzierung kümmerte sich Unternehmer Jens Jähnig und der Freitaler Künstler Olaf Stoy vervollständigte das Trio. Unterstützt wurde es in Heidenau unter anderem vom Jugendbeirat, der gemeinsam mit dem Werbestudio Kuntzsch die Folien für das Miteinander in 18 Sprachen herstellte.

Heidenauer unterschiedlichen Alters, Leute aus umliegenden Orten, geben dem Miteinander am Montag Farbe. Sie sprühen die Worte, verewigen ihre bunten Handabdrücke. Die Burkhardswalderin Sabine Buchheim in ihrer Lieblingsfarbe Orange, Max vom Jugendbeirat gemeinsam mit dem sechsjährigen syrischen Jungen Memo. Manche malen Blumen, schreiben Worte. Miteinander beginnt mit der Fantasie, sich auf den anderen einzulassen. Eine junge Heidenauerin sprüht mit roter Farbe auf die Platte des „Miteinander“ in Englisch: Mit der Ruhe kommt der Frieden – mit dem Frieden kommt die Freiheit. Im Hintergrund singt der Heidenauer Singekreis. Es sind viele Leute da, aus Vereinen zum Beispiel, aber auch solche, die nirgendwo dazu gehören, doch die miteinander wollen.

Gegner sammeln sich hinter den Buchstaben

Einige Menschen sagen, was das Wort für sie bedeutet. Für die Leiterin der Kita Zwergenland hat es etwas mit der Individualität jedes Einzelnen zu tun, die sie sich für alle Kinder wünscht. Pfarrerin Erdmute Gustke wirbt für „nehmt euch einander an“ und Günter Eckoldt (Stadrat Linke) bittet die Heidenauer, den Platz zu nutzen, um miteinander zu reden. Dabei muss man nicht immer einer Meinung sein, sagt Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU). „Der Streit um die beste Lösung muss aber fair sein.“

Auf einer Bank hinter dem neuen Wort und dem alten sowjetischen Denkmal und vor der Ruine des ehemaligen Wohnhauses beginnt er. Hier, wo am 21. August die Demo der Rechten begann, nach der sich dann die Gewalt am Praktiker entwickelte, und wo am Freitag wieder die AfD-nahe Bürgerinitiative zur Demo aufruft. Zwei ältere Männer und eine Frau sitzen hier. Miteinander brauchen sie nicht. Weil man es jetzt immer nur mit den Flüchtlingen verbindet und weil wegen denen alles teurer und schlimmer wird. Nach den Ereignissen vor sechs Wochen muss Heidenau damit leben, dass die Stadt mit Gewalt in Verbindung gebracht wird.

Eine jüngere Frau widerspricht. „Mir ist wegen der Flüchtlinge nichts weggenommen worden.“ Sie erzählt von einem Afghanen, der in seiner Heimat für die Bundeswehr gedolmetscht hat und nun im Praktiker gelandet ist. Wenn er durch Heidenau geht, sehen ihn die Leute immer so an, als ob er sie gleich fressen wollte. Nein, gegen die im Praktiker habe man ja nichts, sagt die ältere Frau.

Skulptur soll weiterziehen

Auf Martins T-Shirt steht: „Kein Mensch ist illegal“. Dem jungen Dresdner ist wichtig, seine Meinung zu präsentieren. Vor ein paar Wochen hat er sich noch keine Gedanken darüber gemacht, wann er das T-Shirt anzieht. Jetzt schon. „Eigentlich ist es traurig.“ Beim Bäcker zeigten ihm ein paar Jugendliche einen Vogel. Unten auf dem Fußweg läuft ein älterer Mann entlang. Was macht ihr mit der Stadt, grummelt er und schaut Kopf schüttelnd zum bunten Miteinander. Reden, sagt eine Frau, an der er vorbeigelaufen ist und die jetzt stehen bleibt. „Ja, miteinander reden.“ Der Mann geht weiter.

Die Wortskulptur wird nicht ewig in Heidenau stehen. Die Vision der Künstler ist es, die drei Worte Miteinander, Frieden und Einheit vor dem Bundeskanzleramt aufzustellen. Die Einheit steht schon in Berlin vor dem historischen Museum, die Freiheit kommt demnächst nach Freital. Und Miteinander wird weiterziehen.