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Hebammen in Zeitnot

Der Baby-Boom im Landkreis Bautzen bringt Geburtshelfer an ihre Grenzen. Das Problem spüren nun auch die Kliniken.

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© dpa

Von Marleen Hollenbach

Sie kann nicht ohne die Mütter und die Mütter können nicht ohne sie. Mandy Preusche ist Hebamme. Seit mehr als zehn Jahren hilft sie Frauen in Bautzen. Preusche erklärt ihnen alles Wichtige zum Schwangerschaftsverlauf, beantwortet Fragen zum Stillen. Die Hebamme ist begehrt. Täglich rufen werdende Mütter bei ihr an. Eigentlich könnte sie sich freuen, dass ihre Arbeit gebraucht wird. Stattdessen sagt sie: „Die Situation für uns Hebammen ist schwierig. Und es wird immer schlimmer.“

Im Landkreis kommen immer mehr Babys zur Welt. Die Stadt Bautzen allein zählte im vergangenen Jahr 432 Neugeborene. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 waren es 364. Die Hebammen können die Arbeit allmählich nicht mehr stemmen. „Im vergangenen Jahr musste ich so vielen absagen wie niemals zuvor“, erklärt Preusche. Auch Carsta Förster, Hebamme aus Kamenz, kennt das Problem. „Selten vergeht ein Tag, an dem ich keine Schwangerenbetreuung ablehnen muss“, sagt sie. Um zu den Müttern zu gelangen, fährt Förster oft täglich mehr als 100 Kilometer. „Ein Hausbesuch soll eigentlich etwa 30 Minuten dauern. Doch damit ist es meist nicht getan“, erklärt sie. Neben der normalen Kontrolle nimmt sich Förster auch die Zeit, den Frauen zuzuhören. „Das Schlimme ist, dass es bei uns viel zu wenige freiberufliche Hebammen gibt“, sagt sie.

Kosten steigen jährlich

Carsta Förster versteht, wenn sich Frauen für andere Berufe entscheiden. Hebammen arbeiten meist freiberuflich. Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge, das Benzin und Weiterbildungen zahlen sie selbst. Hinzukommen die Haftpflichtversicherungen. Diese Kosten steigen jährlich. Um über die Runden zu kommen, müssen die Geburtshelfer knapp kalkulieren.

Dass es zu wenige Hebammen gibt, bekommen inzwischen auch die Krankenhäuser im Landkreis zu spüren. Erst im vergangenen Jahr verzeichnete die Klinik in Bautzen einen Geburtenrekord. Reiner E. Rogowski, Chef der Oberlausitz Kliniken, freut sich, dass immer mehr Mütter in den neuen Kreißsälen entbinden. Allerdings stellt ihn das auch vor eine große Herausforderung. 16 Hebammen sind im Bautzener Krankenhaus angestellt. Doch drei von ihnen befinden sich in Elternzeit. Ähnlich ist die Situation in der Klinik in Bischofswerda. Dort stehen elf Hebammen auf der Personalliste. Acht von ihnen arbeiten momentan. „Wir würden gern die Zahl der Hebammen insgesamt erhöhen. Doch momentan müssen wir zusehen, dass wir für die vorhandenen Stellen Bewerber finden“, sagt Rogowski.

Nachwuchsförderung ist wichtig

Der Geschäftsführer hat bereits Agenturen mit der Personalsuche beauftragt. Zudem bildet die Klinik selbst Hebammen aus. Ohne diese Nachwuchsförderung würde es noch viel schlechter aussehen, ist sich Rogowski sicher. „Natürlich sind unsere Mitarbeiter ungeduldig. Sie sagen, dass wir die Stellen schnell besetzen sollen. Doch die Realität sieht nun mal anders aus“, sagt er. Ohnehin steht die Klinik unter Druck. Um eine Geburtenstation betreiben zu können, muss sie eine Mindestzahl an Hebammen gewährleisten. Was passiert, wenn ein Krankenhaus das nicht schafft, zeigt das Beispiel Sebnitz. Eben weil dort Hebammen fehlten, musste die Geburtenstation vor zwei Jahren geschlossen werden.

Der Mangel an Hebammen bleibt nicht ohne Konsequenzen. Werdende Mütter müssen immer weitere Wege zurücklegen. Im Krankenhaus haben die Hebammen weniger Zeit für jede einzelne Geburt. Zudem ist es im Landkreis Bautzen beinahe unmöglich, eine Hebamme für eine Hausgeburt zu finden. Doch es geht längst nicht nur darum. „Die Vor- und Nachsorge ist genauso in Gefahr“, sagt Grit Kretschmar-Zimmer, Vorsitzende des sächsischen Hebammenverbandes. Alarmierend sei die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren bereits jede vierte Hebamme in Sachsen ihren Job an den Nagel gehängt hat.

Immerhin einen kleinen Lichtblick gibt es. Der Freistaat hat jetzt beschlossen, den Hebammen 175 000 Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen. „Es ist ein Zeichen“, sagt Grit Kretschmar-Zimmer. Noch weiß sie allerdings nicht, wie das Geld verteilt werden soll. Auch sei die Summe zu klein, um richtig etwas zu bewegen.